Am 5.12.2012, wenige Stunden vor der Geburt unserer Tochter, meine Frau und ich waren schon im Krankenhaus, erreichte mich eine Mail mit einem Glaubensweg, den ich nicht vorenthalten möchte; ich habe ihn nur ein bisschen zurück gehalten, damit er während der eingeschränkten Blogzeit nicht untergeht.
Die Glaubenszeugin von der der Text stammt gab mir die Erlaubnis das Zeugnis zu kürzen, wenn ich dies für notwendig hielte. Nun, der Umfang ist tatsächlich hoch und dennoch möchte ich mir nicht anmaßen auszuwählen, welcher Aspekt wichtig und welcher vernachlässigenswert wäre. Ich lege daher den Lesern den Text als ganzes ans Herz und hoffe, dass sie ebensoviel Freude beim Lesen haben werden wie ich selbst:
Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen (heute muss ich sagen liberal). Meine Familie war und ist seit langem fester Bestandteil der Kirchengemeinden in meiner Stadt und recht bekannt. Schon als Kind ging ich mit meinen Eltern oder Großeltern jeden Sonntag in den Gottesdienst ich war das von klein auf gewohnt, immer wieder hatte ich zwar keine Lust, doch meine Eltern schafften es immer, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, sodass ich letztendlich doch ging. Nur in seltenen Fällen schaffte ich es meinen Kopf durchzusetzen. Später wurde der sonntägliche Kirchgang begründet mit es wäre nicht richtig, nur zu jemandem zu gehen, wenn man etwas von ihm will, das gilt auch für Gott. Die Kinderbibel und Marienlieder waren mir, da sie zum Abendritual gehörten vertraut. Meine Erstkommunion erlebte ich als sehr besonderen Tag. Ich glaube ich war damals, als Kind, sehr katholisch vertraute Jesus und Gott, und betete jeden Tag. Je älter ich wurde, desto mehr wurde alles Gewohnheit. Die Gutenachtgeschichte (also Bibel) fiel weg, das beten, als ich der Überzeugung war, dass es mir nichts bringt (also ich mich dadurch nicht besser fühle) auch, und als Ministrant war man in der Messe sowieso mit anderen Dingen beschäftigt, als zuhören (wann muss ich zur Gabenbereitung gehen, wann muss ich klingeln etc.) und während der Predigt waren wir alle damit beschäftigt, die Zeit mit den Baby-G-Uhren zu stoppen. Auch der Firmunterricht sprach mich nicht an (ich kann mich nur noch an eine Wanderung mit Wienerle-essen und eine Stadtrallye erinnern ), vielleicht auch, weil es bei uns üblich war in der 6. Klasse (mit 11 Jahren!) gefirmt zu werden. Wie schon gesagt, alles wurde Gewohnheit, Gebete (vor allem während der Messe) einfach mitgesprochen usw., so wie meine Eltern es eben taten. Wohl mit 13 stellte ich fest, dass ich das Oster- und Weihnachtsfest nicht mehr als so besonders, also festlich und andächtig erlebte wie früher, dass etwas verloren gegangen war. Ich wunderte mich und war traurig darüber, schob es aber darauf, dass wir den Ablauf vorher schon geprobt hatten, und später darauf, dass man eben als fast erwachsen das kindliche Anschauen verlieren würde und das Ganze sachlich, vernünftig und nüchtern betrachtet. Als ich 14 war, bekamen wir einen Kaplan, der für uns Ministranten zuständig war, und da ich langsam zu den Älteren gehörte und in die Planung von Aktionen eingebunden wurde, hatte ich immer mehr mit ihm zu tun. In diesem Oberministrantenkreis, mit dem Kaplan und einer Religionspädagogigstudentin waren immer wieder Gespräche über Kirche möglich, die ich sehr interessant fand, und mein Bild von Kirche prägten. Sätze wie das kann Jesus nicht gewollt haben oder wer das Kirchenrecht liest wird wahnsinnig waren selbstverständlich. Ich kannte niemanden, der wirklich katholisch war, der die Kirche und ihre Empfehlungen, geschweige denn den Papst ernst nahm. Auch in der Schule (katholische Privatschule!) wurde mir nichts anderes beigebracht. Ich kann mich erinnern, dass ich mit 16 eine ganze Zeit lang sehr intensiv nach Gott gefragt habe, die Frage wer ist Gott/wie ist Gott? quälte mich regelrecht. Ich traute mich jedoch nicht jemanden anzusprechen; einfach so über seinen Glauben zu reden, das kannte ich nicht, mir fiel auch niemand ein, mit dem ich darüber hätte sprechen können und auf die Idee, Gott in der Messe zu suchen, kam ich nicht (mir heute unverständlich). Ich fand mich damit ab, dass Gott wohl etwas Unbestimmbares sei: ich beschrieb ihn mit dem Bild des Nebels: überall da und doch unfassbar eine persönliche Beziehung hatte ich nicht zu ihm es genüge wohl, so dachte ich, als Christ, ein guter Mensch zu sein, worum ich mich auch bemühte. Einmal fragte ich bei meinem Religionslehrer nach: wie das genau gemeint sei mit der Eucharistie doch wohl nur symbolisch? Er antwortete, dass laut katholischer Kirche in der Hostie tatsächlich Leib und Blut Christi gegenwärtig wären, ging aber nie wieder darauf ein, und da ich die katholische Kirche sowieso als verrückt erachtete, beschäftigte mich auch nicht näher damit. In der 12. Klasse wurden wir dann im Religionsunterricht antikirchlich geschult: wir suchten 10 Gründe, aus der Kirche auszutreten (wir fanden 17); sprachen über Feuerbach, Hegel und Sartre und behandelten Sekten.
In unsere Gemeinde bekamen wir einen neuen Pastoralpraktikanten (im folgenden Praktikant) er war anders: das Ziborium mit den konsekrierten Hostien trug er hoch erhoben vor sich her behandelte es ehrfürchtig, vor dem Essen bekreuzigte er sich mit einem Wort: er war erzkonservativ (der erste Katholik den ich kennenlernte!) und trotzdem machte er jeden Spass mit den Ministranten mit (mit dem Bobbycar durch den DriveIn). Auch nach dem Praktikum blieb der Kontakt erhalten, wir trafen uns regelmäßig zum Kaffeetrinken und es entwickelte sich eine Freundschaft. Immer wieder war auch Kirche ein Thema, und der Praktikant brachte immer wieder vorsichtig andere Denkansätze und Einwände ein.
Nach dem Abitur hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich machen sollte studieren- aber was, ich hatte nicht einmal eine Richtung, in die ich gehen wollte: ich hatte mich für Tiermedizin beworben und als ich dafür eine Absage bekam, entschied ich mich zwischen Jura, Physik und Wirtschaftswissenschaften durch auszählen. In dieser Zeit (ich ging weiter Sonntags in die Kirche, weil es mein Ruhepol in der Woche war, aus Gewohnheit eben) betete ich (nur Sonntags ), dass Gott mir meinen Weg zeigen soll; welches Studium ich wählen solle. Ich hatte nicht das Gefühl eine Antwort zu bekommen (warum auch ich glaubte ja nicht an einen personalen Gott ) [während ich diese Zeilen schreibe kann ich nur den Kopf schütteln, über so viel Blindheit, Unvernunft und kann meine eigenen Gedanken und Taten nur bedingt nachvollziehen]. Letztendlich entschied ich mich für Physik, ich genoss es, wie alle nach Luft schnappten und beeindruckt waren, als sie hörten, wofür ich mich entschieden hatte (vielleicht war auch das ein Grund für meine Entscheidung). Ich zog von zu Hause aus, in die Nähe der Uni. Alles veränderte sich: die Schule war mir sehr leicht gefallen, ich war immer im Mittelfeld, Hausaufgaben hatte ich seit der 7. Klasse nicht mehr gemacht, und trotzdem konnte ich vor Unterrichtsbeginn Anderen Dinge erklären, die sie nicht verstanden hatten, was ich auch immer gerne tat. Und plötzlich war ich diejenige, die Hilfe brauchte ich hatte das Gefühl nichts zu verstehen, saß täglich über Übungsblättern bis spät in die Nacht, ohne das Gefühl irgendwas verstanden zu haben. Ich war vollkommen überfordert. Der Praktikant machte mich, als ich ihn nach einer Sonntagsmesse fragte, darauf aufmerksam, dass am Vorabend Nightfever stattfindet. Nach einem durchgepaukten Tag, ging ich also völlig aufgerieben zu Nightfever, die Messe war mir ein Trost. Dass anschließend Aussetzung ist, wusste ich vorher nicht. Mit dem Praktikanten und später anderen Freunden blieb ich also. Als ich in der Anbetung (meine erste!, ich wusste gar nicht, was passiert), vorne vor dem Allerheiligsten saß – – mir war kalt eiskalt innerlich und äußerlich; klar wie nie stand mir vor Augen, dass ich nicht glaubte, dass diese Oblate Jesus war, dass es einen personalen Gott gibt ich hielt noch etwas aus, indem ich mich an die Musik hielt, aber es wurde mir unerträglich. Ohne mich zu Verabschieden verschwand ich aus der Kirche. Ich war so wütend worauf weiß ich nicht. Zuhause verfasste ich einen Text über mein Weltbild: die Evolution und Gott das geht nicht zusammen (pfuscht er da hinein oder was?), Religion ist nur nötig um ein geregeltes Zusammenleben zu schaffen, Gott als höheres Wesen, das das All schuf oder die Voraussetzungen dazu; irgendwann wird die Wissenschaft alles bis ins kleinste erklären können, dann ist Religion obsolet. Einiges konnte ich aber nicht beantworten/verstehen: Warum gab es Menschen die für diesen Glauben ihr Leben gaben? Was passiert mit Verstorbenen/Seelen?
Diesen Text zeigte ich irgendwann auch meiner Mutter, sie nickte und meinte, dass sie das prinzipiell auch so sehe. Das war aber nicht die Reaktion die ich erhofft hatte, denn dieses Bild ließ, wie gesagt Fragen offen, Fragen die ich beantwortet haben wollte. Mit diesem Weltbild ging es mir nicht gut, im Gegenteil, ich verzweifelte daran. Irgendwann erzählte ich dem Praktikanten von meiner Überzeugung und dass ich nicht an Jesus Christus als Sohn Gottes glaubte, fragte ihn auch, ob ich noch zur Kommunion gehen dürfe. Ich weiß noch, dass ich voller Überzeugung sagen konnte Ich WILL ja glauben, aber ich kann es nicht, die obigen Thesen standen wie eine unüberwindbare Mauer vor mir. Nach Nightfever stürzte ich, durch mein Weltbild und mein Studium in eine Krise. Ich war weiter jeden Sonntag in der Messe, sprach aber konsequent keines der Gebete mit, blickte spöttisch auf die Eucharistie (wie kann man sowas glauben). Lange Zeit betete ich überhaupt nich. Aber ich war völlig verzweifelt. Und trotzdem ging ich auch drei Monate später zum nächsten Nightfever: dort sprach Pater Karl Wallner: Zwei Möglichkeiten: wer von Gott berührt worden ist da kann ich nicht weitersprechen, denn es ist unbeschreiblich; wer nicht von Gott berührt worden ist da kann ich auch nicht weitersprechen, denn man kann es nicht erklären ich wollte von Gott berührt werden, ich wollte Ihn kennenlernen. Ich war fasziniert und kaufte mir kurze Zeit später sein Buch Wer glaubt wird selig, das ich verschlang. Darin fand ich eine entscheidende Passage, die mich zum Beten zurückbrachte. Mein einziges Gebet für Wochen war: Gott, wenn es Dich gibt, dann lass mich Dich kennenlernen und dich erfahren!, ständig hatte ich diesen Satz im Kopf.
Mein drittes Nightfever war besonders: stundenlang kniete und saß ich in der Anbetung es tat einfach gut ich war am richtigen Platz.
Immer öfter ging ich auch unter der Woche in Andachten und Messen (von denen ich über Facebook durch die Posts eines Priesters wusste). Alle Blockaden und Hindernisse waren weg, ich musste nur noch vorwärts gehen ich lernte andere katholische Jugendliche kennen und kaufte mir den YOUCAT, der mir nun endlich eine andere Darstellung der Kirche lieferte. Die Grundlage, der Glauben, auf dem das Glaubenswissen aufbauen konnte war aber plötzlich einfach da, ohne dass ich irgendwas dazu getan hätte! Kurzfristig bekam ich noch die Möglichkeit mit dem BDKJ auf den Weltjugendtag nach Madrid zu fahren (mein Physikstudium hatte ich abgeschrieben) und begann mich zu wundern: mit einigen Aussagen der Bischöfe in den ersten zwei Katechesen war ich ganz und gar nicht einverstanden: seit wann bin ich konservativer als Bischöfe???. Erst von der dritten Katechese, von Bischof Zdarsa war ich begeistert. Der WJT war ein riesiges Gnadenerlebnis für mich, ganz entscheidend, für meine Bekehrung, auch wenn mir einige traurige Erlebnisse mir mit aller Deutlichkeit meine Veränderung aufzeigten. Daheim erklärte mir der Praktikant zuerst einmal, dass das, was ich denke, nicht konservativ, sondern katholisch ist!
Katholisch sein das war neu für mich, und auch nicht einfach. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, vor allem mit den Reaktionen meiner Freunde, die mich ja anders kannten, jetzt Witze machten und über das herzogen was mir plötzlich so wichtig war. Darunter litt ich, auch wurde ich von unserem Pfarrer angegangen und ohne Rücksicht ausgefragt. Das hätte ich wohl ohne meinen neuen Bekanntenkreis nicht ausgehalten, denn im Glauben (und die damit verbundenen Überzeugungen) war doch alles noch so neu für mich unsichere erste Schritte
Wenn ich zurückschaue, glaube ich, dass das Physikstudium die Antwort Gottes auf meine Bitte war, mir meinen Weg zu zeigen, ohne diese Krise wäre ich wohl lange nicht aus meinen Denkmustern herausgekommen : Wie oft sind es erst die Ruinen, die den Blick freigeben auf den Himmel. Viktor Emil Frankl.
Diesen Weg gehe ich bis heute: ich stoße auf viel Unverständnis im Verwandten- und Freundeskreis und bei meinen Eltern, oft weiß ich nicht wie ich damit umgehen soll – wenn man sich selbst noch so unsicher ist, dann fehlt Gelassenheit aber Vertrauen ist ein Geschenk und kann wachsen.
Dann ging ich ein halbes Jahr ins Ausland, und arbeitete mit Straßenkindern Bibelworte zur Armut haben mich immer angesprochen und weil ich Zeit brauchte zu entscheiden, wie ich weitermachen wollte. Was ich dort erlebte lässt mich bis heute nicht in Ruhe; ich hab dort Glauben und vor allem Liebe noch einmal von einer ganz anderen und besonderen Seite kennenlernen dürfen.
Seit Oktober studiere ich nun Theologie.Ich bin Gott unendlich dankbar für das Geschenk des Glaubens, für all die Menschen, die Er mir zur rechten Zeit geschickt hat, die mich begleiteten in Gespräch und Gebet.
Ich hoffe, dass auch ich ein ansprechendes Zeugnis und ein Werkzeug des Herrn sein kann und darf, wie es andere für mich waren.