Zu den Bußwerken, die sich Katholiken in der Fastenzeit als Vorsatz nehmen (eigentlich nicht nur dann, aber dann in besonderer Weise) gehört neben dem eigentlichen Fasten und dem Gebet auch das Almosen geben. Es sind diese drei die Aspekte, die Jesus in der Bergpredigt vorstellt und auch einen Rahmen benennt, in dem man diese Werke tut. So heißt es zum Fasten:
Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten. Wenn du Almosen gibst, laß es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut. Dein Almosen soll verborgen bleiben, und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
(Matthäus 6, 1-4)
Was aber können Almosen sein? Was sind überhaupt Almosen? Das wird zumindest habe ich dazu nichts gefunden in der Heiligen Schrift nicht weiter definiert, also wohl bekannt vorausgesetzt. Ich finde aber, es wäre schon sinnvoll, eine Definition zu finden, auch um zu sehen: gebe ich eigentlich Almosen oder ist das, was ich da tue etwas anderes? Sucht man im Internet findet man bei Wikipedia folgende Definition:
Ein Almosen (von griech.: ἐλεημοσύνη (eleēmosýnē) Mitleid, Mildtätigkeit) ist
– eine materielle Gabe
– an einen bedürftigen Empfänger
– ohne Erwartung einer materiellen Gegenleistung dieses Empfängers.
Es unterscheidet sich von einer Spende durch den Beweggrund des Mitleids mit dem Empfänger. Je nach Kultur oder Religion kann sich mit einem Almosen die Erwartung eines spirituellen Vorteils, im Christentum besonders die Erwartung der Sündenvergebung, verbinden.
(Hervorhebungen und Umbrüche durch mich)
Im Duden steht in diesem Zusammenhang etwas kürzer als Definition:
(gehoben) einem Bedürftigen gewährte kleinere Gabe
(Interessanterweise geben sowohl der Duden als auch andere Übersetzungen darüber hinaus auch Hinweise auf eine abwertende Bedeutung des Begriffs Almosen, zum Beispiel der Duden: (abwertend) geringes, dürftiges Entgelt, das in keinem Verhältnis zu jemandes angemessener Forderung steht)
Nun sind das moderne Definitionen, die nicht zwingend dem entsprechen müssen, was im Kontext der Bibel gemeint ist, oder was aus spiritueller, katholischer Sicht unter Almosen zu verstehen sein sollte. So kann man sich über die Frage, ob das Almosen materieller Art sein muss, sicher streiten. Ausgehend von einem materiellen Bedürfnis (zum Beispiel nach Essen im Falle des Hungers) ist eine materielle Gabe (Nahrung oder Geld zum Beschaffen von Nahrung) sicher geeigneter als eine spirituelle Gabe (Trost oder Gebet) in Fällen spiritueller Bedürftigkeit kann das aber ganz anders aussehen. Kernpunkt bleibt aber wohl die Bedürftigkeit des Empfängers, die (materielle oder eben immaterielle) Gabe des Almosenspenders (die Unterscheidung aus Wikipedia zwischen Almosen und Spende erscheint mir eher akademisch) und die fehlende Erwartung einer Gegenleistung des Empfängers.
Der Almosengeber gibt also eine Gabe, das Almosen, an einen bedürftigen Empfänger, ohne von ihm eine Gegenleistung zu erwarten, und tut dies als Erweiterung durch die Worte Jesu in der Bergpredigt im Verborgenen! Weltlich gesehen entsteht hier überhaupt keine Gewinnsituation für den Almosengeber ich gebe etwas, ohne Gegenleistung und ohne die Möglichkeit einer anderweitigen Würdigung, weder durch den Empfänger noch durch soziale Anerkennung oder ähnliches durch andere Menschen. Was allerdings in Aussicht steht, und manche Menschen versuchen daraus ein Argument zu drehen, dass kein Almosen selbstlos sei, ist die Würdigung durch Gott selbst: Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Der Prototyp des Almosengebers ist damit in gewisser Hinsicht Gott selbst: er schenkt uns alles, was wir hier auf Erden haben, wir sind nicht in der Lage, ihm seine Gaben zu vergelten (es gehört ihm ja alles schon) vielleicht muss man den Blick etwas ändern, denn was Gott von uns erwarten darf (aber nicht erzwingt) ist die Anbetung, der Dank und Lob für seine Gaben. Kein Wunder, dass heidnische Völker und lange Zeit auch unsere jüdischen Vorgänger auf den Gedanken des Opfers verfallen sind: der Versuch, Gott etwas zukommen zu lassen, wohlwissend, dass ihm schon alles gehört, aber in dem Bewusstsein, Gott für seine Gaben antworten zu wollen. All diese Opfer waren doch sinnlos, waren nicht in der Lage, und sollten es wohl auch nicht sein, einen Gleichstand zwischen Gott und dem Menschen herzustellen.
Vor dem Hintergrund ist auch das Opfer Jesu zu begreifen: die ultimative Gabe an Gott, das eigene Leben, nicht zurückgegeben als Geschenk, als Gabe an Gott sondern als Gabe an die Menschen zur Erlösung, nicht zuletzt auch von dem Gefühl, Gott etwas vergelten zu müssen. Jesu Leiden, Tod und Auferstehung eine Gabe an uns Menschen, die Gabe der Erlösung, ohne die Möglichkeit und ohne die Erwartung, ihm eine Gegenleistung zu geben oder auch nur geben zu können. Gott macht uns dieses Geschenk ohne es ihm vergelten zu können.
Wenn wir also Almosen geben, dann sollte es diesem Anspruch gerecht werden: es ist in gewisser Weise ein Geschenk an Gott, nicht nur an den Empfänger. Die Bedürftigkeit des anderen festzustellen, sich davon berühren zu lassen und in sich das Bedürfnis zu spüren zu helfen und diese Hilfe dann auch zu geben, das ist wenn man so will der Gedankengang Gottes mit uns Menschen: Er sah unser Bedürfnis nach Erlösung, hatte Mitleid mit uns und sandte uns seinen Sohn als Opfergabe, um uns zu helfen. Das steht auch im Kontrast zu Vorstellungen, dass Gott für unsere Sünden das blutige Menschenopfer seines Sohnes als Sühne verlangt habe seine Menschwerdung, sein Leiden und sein Tod wie seine Auferstehung war sein eigenes, freiwilliges Geschenk der Vergebung an uns.
Mit diesem Hintergrund erweitert sich vielleicht auch der Blick auf das Wesen des Almosens, über die reine Geldspende an Hilfswerke in der Welt hinaus, hin auf den Nächsten in unserer Nachbarschaft, der vielleicht materielle, eher aber wohl spirituelle Not leidet; hin auf den Kollegen, der in geistlicher Not ist, vielleicht unbewusst nach Gott sucht. Was wir selbst wenn wir keine materiellen Geschenke machen können als Almosen geben können, ist letztlich unsere Zeit: das Gespräch mit dem Notleidenden Nächsten, auch unser Gebet für den anderen, auch das ist ein Almosen, dass, solange ich dafür keinen weltlichen Dank oder Gegenleistung erwarte, dem Maßstab Gottes gerecht wird. Es kann also niemand sagen, die Forderung nach Almosen könne er nicht erfüllen. Jeder kann nach seinen Möglichkeiten, niemand kann gar nicht!
Der Fastenvorsatz des Almosengebens muss sich und sollte sich nicht darauf beschränken, eine großzügige Geldspende bspw. an Misereor zu geben (wer kann sollte eine solche Spende aber durchaus in Erwägung ziehen). Jeder Bedürftige ist ein möglicher Empfänger, jede Not ein Almosen wert. Und unser Lohn dafür? Auch den beschreibt Jesus selbst, und wir alle hoffen, am Ende der Tage diese Worte Jesu an uns gerichtet zu hören:
Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
(Matthäus 25, 34-40)