Nein, für die betreffende Familie stand nie in Frage, ihre Tochter taufen zu lassen. Sie sind katholisch, sind gerne katholisch, sie stehen hinter Kirche und Papst, hinter dem Katechismus auch wenn der manches mal Herausforderungen bereit hält, die man nur ungern annimmt aber ein bisschen katholisch geht eben nicht. Und bislang haben sie auch noch nichts gefunden, was sie tatsächlich ablehnen an katholischer Lehre. Und natürlich: Die Taufgnade für die Tochter, das ist etwas, das sie der Kleinen auf keinen Fall vorenthalten wollen!
Und obwohl diese Familie auch andere Priester persönlich kennt, obwohl sie eine Vorliebe für eine wirklich gute Liturgie hat (es sind keine Traditionalisten, die nachkonziliare Liturgie lässt für sie genügend Raum für eine würdige Feier) entscheidet sie sich bewusst für die eigene Gemeinde: die Tochter soll hier aufwachsen, geht hier bereits seit ihrer Geburt zur Messe (naja, sie wird im Kinderwagen geschoben und verschläft noch das meiste), wird hier eines Tages zur Erstkommunion geführt und zur Firmung dann wird sie auch hier getauft. Die Eltern sind Mitglied einer katholischen Laienbewegung, und gerade deshalb ist ihnen die Verbindung zur Heimatgemeinde wichtig. Beides, Gemeinde und Bewegung, sind spirituelle Standbeine, die für sie notwendig sind. Und so fügen sie sich in den Rahmen der Gemeinde, der eng gesteckt ist durch die zeitliche Verfügbarkeit der Seelsorger. Man hat ihnen angeboten, das Kind in der Osternacht taufen zu lassen natürlich wäre das viel feierlicher gewesen aber nach Widerstand aus den Reihen der Verwandtschaft, die man nicht durch ein Beharren auf eine Taufe zu nachtschlafender Zeit verschrecken mochte, wird ein Termin aus einer Liste ausgewählt, ein Samstagnachmittag, außerhalb der normalen Messzeiten, separiert vor der eigentlichen Gemeinde.
Da stört man niemanden mit der Taufe ? Was für ein Argument, die Taufe als erster Höhepunkt des Lebens eines gerade geborenen Kindes, eines neuen Gotteskindes, könnte stören. In schwachen Augenblicken denkt einer von ihnen Wer sich von einer Taufe gestört fühlt, gehört exkommuniziert! aber er beruhigt sich auch wieder. Was die beiden angeht: sie würden ihre Tochter auch außerhalb der Stadtmauern in einer Fabrikhalle taufen lassen, wenn es notwendig wäre. Und so hoffen beide, mit einem schlechten Gefühl im Hinterkopf, dass diese Tauffeier trotzdem schön wird, auch ein Zeichen dafür wird was die beiden Eltern an der Kirche begeistert. Was, wenn nicht die Taufe, sollte ein besseres Symbol für den Glauben sein, für die kirchliche Gemeinschaft, die auf Kinder setzt, die freudig neue Mitglieder aufnimmt. Nein, ihnen ist bewusst, dass es darum nicht in erster Linie geht, aber es ist doch auch ein wesentlicher Baustein ihres katholischen Lebens: das Apostolat. Es wird für den einen oder anderen Gast, Eltern, Verwandte, Paten, Freunde, so hoffen sie, einfacher sein, einer Taufe zu folgen, die nicht in den Rahmen einer ganzen Messe, mit Eucharistie und natürlich umfangreicherem zeitlichen Rahmen, eingebettet ist. Gut, die Priester der Gemeinde sind überlastet, darum überlassen sie die Taufen den Diakonen. Ausnahmen gibt es nicht, weil sonst möglicherweise alle zum Priester wollten und diese Termine überlaufen wären, es gäbe so was wie Taufen erster und zweiter Klasse. Eigentlich ein gutes Argument, dieses Sakrament in erster Linie von Priestern spenden zu lassen, aber praktische Gründe wie so oft geht eben nicht alles. Aber das ausgerechnet DAS nicht geht ?
Die Vorbereitungen liefen auch nicht ganz störungsfrei: die Gemeinde verlangte, man muss sagen den Regeln des Bistums folgend, Bestätigungen von den Paten über ihre eigene Firmung und Kirchenmitgliedschaft da zwei Paten nicht in Deutschland gefirmt wurden bzw. nicht in Deutschland leben, gar keine so leichte Angelegenheit. Eigentlich braucht man ja gar keine Paten, eine Taufe geht auch ohne, umso unverständlicher die Bürokratie, mit der man konfrontiert wird. Die beiden Eltern wie gesagt hätten ihre Tochter sowieso taufen lassen, waren aber zu bestimmten Zeiten, als man dieses oder jenes Formular nun auch noch statt als Mail im Original vorlegen sollte, drauf und dran, einfach in die Nachbargemeinde zu gehen, die das nicht so eng sieht. Und sie fragen sich: welches Bild erhalten Eltern, die der Kirche ferner stehen und ihr Kind trotzdem taufen lassen wollen. Werden die nicht bestätigt in ihrer Kirchenkritik wenn die erste Antwort auf die Frage nach einer Taufe die nach einem Formular ist? Und sollte man tatsächlich einem Kind die Taufe verweigern, nur weil die Paten, von den Eltern soviel Vertrauen sollte man ihnen schon entgegen bringen mit Sorgfalt ausgesucht, sich nicht in der Lage sehen, eine geforderte Bescheinigung vorzulegen? Seis drum, Formulare wurden beigebracht und die Taufe kann beginnen.
Die Kirche ihrer Heimatgemeinde ist nicht besonders schön, ein typischer Kircheneubau, zuviel Beton, zuwenig Kirchencharakter. Wie einer der Gäste meinte: Ich habe den Eingang erst nicht gefunden, und das was der Eingang ist, sieht verriegelt und verrammelt aus. Und bei Betreten der Kirche wird schnell klar: man hätte die Kinder und sich selbst wärmer anziehen sollen! Eine Messe gibt es hier nur am Sonntagmorgen, da wird am Samstag offensichtlich noch nicht geheizt. Muss man wohl sparen. Die Kirche ist kurz und prägnant gesagt saukalt. Zwei Taufen finden hier heute gleichzeitig statt, der Diakon kommt kurz vor der Taufe in den Kirchenraum um nachzusehen, ob alle anwesend sind. Der Diakon, dem die Eltern ganz bewusst keinen Vorwurf machen wollen, ist er doch weit jenseits des Rentenalters, spult routiniert sein Programm ab. Wie soll ihr Kind heißen?, Was wünschen Sie von der Kirche?, Widersagen Sie glauben Sie ? Taufe, Chrisam, Effata, ein paar Lieder, schnell schnell, das Taufkleid ein altes Familienstück, extra für diesen Tag aufgearbeitet müsse man auch nicht zwingend überziehen, eine gute halbe Stunde für zwei Taufen fertig! Alle wieder raus und ins Auto oder Restaurant Hauptsache aufwärmen!
Die beiden hätten ihre Tochter in jedem Fall, auch unter widrigeren Umständen taufen lassen, und sie werden, sollten sie noch ein Kind bekommen, es auch wieder in der Gemeinde taufen lassen, notfalls die Zähne zusammenbeißen ob des bürokratisierten und unpersönlichen Verfahrens. Aber: wenn die Kirche in wenigen Momenten des Lebens ihrer „passiven Taufscheinmitglieder“ in denen diese noch erreichbar sind, in denen man sie vielleicht für den Glauben, die Taufe, die Kirche begeistern könnte, ein Bild abgibt, dessen Aussage nur mit einem beherzten Haut ab! beschrieben werden kann, ist jede Apostolatsbemühung der Eltern umsonst. Die kirchenfernen Gäste der Taufe, die sich aufgrund des Zeugnisses der Eltern vielleicht interessiert haben (die sind doch in Ordnung, dann muss an dieser Kirche doch auch was dran sein) wissen nun wieder, warum sie seit Jahr und Tag Kirchen meiden.
Die Mutter und der Vater berichten übereinstimmend: als die Tochter mit Wasser übergossen wurde, lächelte sie, sie lächelt sowieso oft und viel, aber hier irgendwie anders. Jemand der nicht glaubt, wird dem nicht viel Bedeutung beimessen, aber die beiden sind der Überzeugung: hier ist Gnade geflossen, und trotz Kälte und Hektik die Kleine hat das bemerkt! Sie spürt ihre jetzt noch größere Nähe zu Gott, und kann nicht mehr aufhören zu lächeln! Die Kleine ist getauft, das ist das wichtigste an diesem Tag … und dennoch bleibt eine gewisse nennen wir es Ratlosigkeit bei den Eltern über diesen Tag.
TheAdmiral
Tipfehlermeldung: Chrisam und nicht Grisam. :-)
Ansonsten eine traurigmachende Greschichte.