Auf meinem Schreibtisch steht ein Kalender mit Botschaften von Papst Benedikt XVI., jeden Tag ein anderes Zitat, mal mehr oder weniger bekannt, immer mit einer besonderen Bedeutung, vor allem an Hochfesten, wenn ein Zitat des Papstes aus einer Predigt dieses Tages Eingang in die Liste der Kalendersprüche gefallen hat. Ich gebe zu, ich widme den Texten nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit, aber ab und an fallen sie doch ins Auge so wie der Satz vom vergangenen Samstag, dem Hochfest der Apostel Petrus und Paulus. Das Zitat lautet:
Das Zeugnis der Liebe und Treue der hll. Petrus und Paulus erleuchtet die Hirten der Kirche, um die Menschen zur Wahrheit zu führen und sie dabei zum Glauben an Christus heranzubilden.
Es stammt aus der Ansprache des Papstes zum Angelus am 29.06.2011, in der der Papst auf den Sendungsauftrag der Apostelfürsten wie auch den der heutigen Apostel, namentlich der Bischöfe eingeht. Dem Satz kann man nur in Fülle zustimmen wenn man ihn richtig liest; so möchte ich ihn gerne etwas umformulieren:
Wer die Menschen zur Wahrheit führt und sie dabei zum Glauben an Christus heranbildet, der wird erleuchtet durch das Zeugnis der Liebe und der Treue der hll. Petrus und Paulus und wird so zum Hirten der Kirche.
Oder umgekehrt, negativ formuliert:
Wer die Mensche nicht zur Wahrheit führt oder sie zum Glauben an Christus heranbildet, der wird offenbar nicht durch das Zeugnis der Liebe und Treue der hll. Petrus und Paulus erleuchtet und ist also kein Hirte der Kirche.
So wird deutlich: Hirte der Kirche zu sein ist kein Privileg, es ist ein Auftrag, verbunden mit einem hohen Anspruch an diese Hirten. Nur derjenige ist eben ein Hirte, der die Menschen zur Wahrheit führt und sie zum Glauben an Christus heranbildet; und wesentlich für diese Hirten ist das Zeugnis der Liebe und der Treuer der Apostelfürsten, von denen sie erleuchtet werden. Das Zeugnis der Apostel befähigt also die heutigen Hirten, ihrem Auftrag nachzukommen; und wie sollte es vor dem Hintergrund nicht das probateste Mittel sein, Menschen zur Wahrheit und zum Glauben an Christus heranzubilden, indem man selbst Zeuge der Liebe und der Treue wird. Eigenes Zeugnis, Martyrium im ursprünglichen Sinne, ist neben der Lehre, der Unterweisung in Glaubensinhalten sicher das wesentliche Mittel unserer Hirten, unserer Bischöfe, ihre Hirtenrolle wahrzunehmen. Und wieder umgekehrt: geben Sie kein Zeugnis oder bezeugen nicht die Lehre der Kirche, dann folgen sie nicht dem leuchtenden Beispiel der Apostel, führen die Menschen nicht zur Wahrheit und bilden sie nicht zum Glauben an Christus heran.
In diesem Sinne lade ich alle deutschen Bischöfe ein, in diesem Jahr beim Marsch für das Leben, am Vortag der Bundestagswahl, den 21.09.2013, in Berlin teilzunehmen. Es geht um den Schutz des Lebens, nicht nur des ungeborenen, auch des bereits geborenen, vor allem des schutzlosen oder schutzbedürftigen, wie des Lebens von Alten und Kranken. Es mag Zeugnisse geben, die wichtiger sind und wenn diese Zeugnisse gerade an diesem Tag notwendig sein sollten, sind unsere Hirten sicher entschuldigt. Wer umgekehrt nicht teilnimmt, sollte sich fragen, ob er seine Herde nicht einfach sich selbst überlässt. Es mag auch Gründe für Kritik am Marsch für das Leben geben, die Teilnahme einer Vielzahl gläubiger Katholiken macht die Teilnahme von deren Bischöfen für diese aber eigentlich obligatorisch.
Kurz: es gibt keinen guten Grund für einen deutschen Bischof, am Marsch für das Leben nicht teilzunehmen und die Gläubigen, zumindest ich selbst und ich weiß von vielen, die das auch tun, werden genau beobachten, wer sich der Verantwortung stellt oder lieber den breiten, bequemen Weg der Ausreden benutzt, um sich nicht medialen Vorwürfen ausgesetzt zu sehen. Jeder Einzelne, jeder Gläubige, jeder Priester und jeder Bischof muss sich dieser Verantwortung stellen, letztere aber aufgrund ihrer Vorbild- und Hirtenfunktion in besonderem Maß.