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Gewissen, Gehorsam und Freiheit

3. Juli 2013 by Papsttreuer
Lesezeit 6 Minuten
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Über das Thema des Gewissens habe ich bereits mehrfach geschrieben, in Anlehnung an den Katechismus oder auch in Anlehnung an Texte von Kardinal Ratzinger bzw. Papst Benedikt XVI. Das mehrfache Eingehen auf dieses Thema (ich habe mal nachgeschaut, es gibt in diesem Blog immerhin 17 Beiträge – diesen hier nicht mitgezählt – die ich mit dem Begriff Gewissen „verschlagwortet“ habe) mag deutlich machen, wie wichtig dieses Thema ist, bzw. mir erscheint, und wie viel man auch dazu sagen kann. Der Mensch ist aufgefordert, seinem Gewissen zu folgen, und gleichzeitig (!) aufgefordert, sein Gewissen zu bilden, damit er sich wirklich auf sein Gewissen berufen kann. Das ist – in kurzen Worten – ein wesentlicher Aspekt des Gewissens, der in der Literatur immer betont wird und Eingang in den Katechismus (Nrn. 1691 ff) der katholischen Kirche gefunden hat.

Wenn aber unser Gewissen auch so etwas wie unser innerer Kompass ist, dann stellt sich die Frage, ob wir denn überhaupt frei sind in unseren Entscheidungen? Natürlich, wir können gegen unser Gewissen entscheiden, aber selbst diese Entscheidung ist durch das Gewissen geprägt, setzt voraus, dass wir den Einwand unseres Gewissens gegenüber anderen „Werten“ als nicht so wesentlich sehen. Beeinflusst werden wir durch unser Gewissen also in jedem Fall.

Am vergangenen Sonntag hat Papst Franziskus nun in seiner Ansprache zum Angelus dieses Thema aufgegriffen. Dabei stellt er zunächst auf das Beispiel Jesu ab: er entscheidet sich zu Beginn des Evangeliums (Lukas 9, 51-62), nach Jerusalem zu gehen („Als die Zeit herankam, in der er (in den Himmel) aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen.“) Das ist insofern spannend, wenn wir davon ausgehen, dass die Wortwahl des Evangelisten hier nicht willkürlich gewählt ist, weil die Worte implizieren, Jesus hätte sich auch anders entscheiden können. Und es impliziert, dass diesem Entschluss ein Nachdenken, ein Entscheidungsweg vorausgegangen ist, bei dem Jesus (als Mensch) sich und seinen Auftrag geprüft hat, versucht hat herauszufinden, was in der Situation nun richtig ist – und gottgemäß. Der Papst sagt dazu:

[All das] zeigt uns etwa, wie wichtig auch für Jesus das Gewissen war: im Herzen auf die Stimme des Vaters zu hören und ihr zu folgen. Jesus war in seinem irdischen Leben nicht „ferngesteuert“, um es einmal so zu nennen: Er war das fleischgewordene Wort, der menschgewordene Sohn Gottes, und an einem gewissen Punkt hat er den festen Entschluss gefasst, zum letzten Mal nach Jerusalem hinaufzusteigen; ein Entschluss, den er in seinem Gewissen getroffen hat, aber nicht allein: gemeinsam mit dem Vater, in voller Gemeinschaft mit Ihm!

Wiederum kann man sich fragen, ob denn Jesus in diesem Augenblick frei gewesen ist, genau so, wie wir uns fragen, ob wir in unseren Entschlüssen – für oder gegen ein gottgemäßes Leben, für oder gegen die Liebe, für oder gegen die Sünde – eigentlich frei sind. An dieser Stelle bringt der Papst einen weiteren Aspekt ins Spiel, von dem wir annehmen könnten, dass er unsere Freiheit einschränkt, den des Gehorsams:

Er hat im Gehorsam gegenüber dem Vater entschieden, im genauen, innerlichen Hören auf Seinen Willen. Daher handelte es sich um einen festen Entschluss, denn er war gemeinsam mit dem Vater getroffen worden. Im Vater fand Jesus die Kraft und das Licht für seinen Weg.

Das ist erstens großartig, weil es fast plastisch die wundervolle Beziehung zwischen Jesus als Mensch und Gott beschreibt, schon darauf hinweisend, dass es eine besondere Beziehung geben muss, die wir als Heiligen Geist bezeichnen. Zweitens zeigt es aber auch, dass wir unsere Entscheidungen auf Gott gründen müssen, wenn es wirklich „feste“ Entscheidungen sein sollen. Und drittens greift es den nächsten Worten vor, denn auch den Gehorsam kann ich verweigern, sodass er meine Freiheit nicht einschränkt. Wir entscheiden uns frei, den Willen Gottes zu tun – und das ist es, worauf Jesus wert legt: er möchte uns nicht als Sklaven, die seinen Willen tun müssen und im Grunde nicht frei sind, sondern er möchte unseren freien Entschluss, Gott zu folgen. Im Gespräch mit Gott erfahren wir, was Gott von uns möchte (manchmal besser manchmal weniger verständlich für unsere Ohren), und im Dialog mit ihm entspinnt sich dann die Freiheit, mich für den richtigen Weg zu entscheiden. Der Papst beschreibt das so:

Und Jesus war frei, in jenem Entschluss war er frei. Jesus will, dass wir Christen frei sind wie er, mit jener Freiheit, die aus dem Dialog mit dem Vater, aus dem Dialog mit Gott kommt. Jesus will weder egoistische Christen, die dem eigenen Ich folgen und nicht mit Gott sprechen, noch schwache Christen, die keinen Willen haben, „ferngesteuerte“ Christen, unfähig zur Kreativität, die immer versuchen, dem Willen eines anderen zu folgen und nicht frei sind. Jesus will uns frei, und wo erlebt man diese Freiheit? Im Dialog mit Gott im eigenen Gewissen. Wenn ein Christ nicht mit Gott zu sprechen vermag, wenn er Gott in seinem Gewissen nicht zuzuhören vermag, dann ist er nicht frei, nicht wirklich frei.

Und wiederum: das ist unglaublich spannend! Wieso glaubt der Papst, dass wir nicht frei sind, wenn wir nicht mit Gott zu sprechen vermögen? Ich versuche mal eine Antwort: weil nur Gott ganz sicher unsere Freiheit will und uns von allen anderen Beeinflussungen, Süchten, Begierden, Einflussnahmen von anderen, die vermeintlich unser Bestes wollen, letztlich von den Beeinflussungen des Widersachers, löst. Er entbindet uns von den weltlichen Zwängen, ohne sie durch (nennen wir es mal so) göttliche Zwänge zu ersetzen. Im Dialog mit ihm erkennen wir, dass wir frei sind, und erst in diesem Erkennen sind wir dann auch wirklich frei. Gott zwingt mich zu nichts, im Gegenteil, er setzt mich in eine fast beängstigende Freiheit, weil ich mich eben für oder gegen ihn entscheiden kann.

An dieser Stelle bekommt das Bild des Gewissens als „inneren Kompass“ auch wieder seine richtige Bedeutung: ein Kompass zwingt mich nicht, nach Norden, Süden, Osten oder Westen zu gehen, wenn ich aber weiß, dass ich nach Norden will, dann tue ich gut daran, dem gut geeichten Kompass zu folgen – eben dem gut gebildeten, im Dialog mit Gott gestärkten, Gewissen zu folgen.

Auch dies beschreibt der Papst in eindringlichen Worten:

Aus diesem Grund müssen wir lernen, mehr auf unser Gewissen zu hören. Doch Achtung! Das bedeutet nicht, dem eigenen Ich zu folgen, das zu tun, was mich interessiert, was mir zu meinem Vorteil gereicht, was mir gefällt… Das ist es nicht! Das Gewissen ist der innere Raum des Hörens auf die Wahrheit und das Gute, des Hörens auf Gott; es ist der innere Ort meiner Beziehung zu Ihm, der zu meinem Herzen spricht und mir hilft zu unterscheiden, zu verstehen, welchem Weg ich folgen muss, und wenn einmal der Entschluss gefasst ist, voranzugehen und treu zu bleiben.

Natürlich, an vielen Stellen setzt der Papst den Glauben an Gott voraus, den er in den Gläubigen, die zum Angelus erschienen sind, sicher in gewissem Umfang annimmt. Aber auch derjenige, der zwar nicht an den christlichen Gott glaubt aber gewillt ist, einem nicht näher bestimmten Naturrecht zu folgen, wird in diesen Worte tiefe Einsichten finden. Es geht beim „Hören auf das eigene Gewissen“ eben nicht darum, zu tun und zu lassen, was ich selbst für richtig halte – das wäre im Gegensatz „gewissenlos“ – sondern darum zu erkennen, dass es in Entscheidungssituationen etwas gibt wie eine objektive Wahrheit, eine objektiv richtige Handlung, die zu suchen ich aufgefordert bin. Das bedeutet nicht, dass das Gewissen nicht irren kann, was aber dann letztlich nur daran liegt, nicht richtig hingehört zu haben.

Zuletzt: wie schön, dass Papst Franziskus für diese Treue zu einer Gewissensentscheidung ein Beispiel aus unserer Zeit anführt – niemand geringeren als seinen Vorgänger Papst Benedikt XVI., diesen Meister der Theologie, der einen Großteil seiner Arbeit eben auch auf die Betrachtung des Zusammenhangs von Glauben und Vernunft, von Glauben und Wahrheit, von Glauben und Gewissen, investiert hat, und fundiert auf diesem Erfahrungsschatz in seinem Amtsverzicht einen Akt des Gewissens gesetzt hat:

Wir haben ein wunderbares Beispiel, wie diese Beziehung zu Gott im eigenen Gewissen aussieht, ein wunderbares Beispiel aus jüngster Zeit. Papst Benedikt XVI. hat uns dieses große Beispiel gegeben, als der Herr ihm im Gebet zu verstehen gab, welchen Schritt er tun sollte. Er ist mit großem Urteilsvermögen und mutig seinem Gewissen gefolgt, also dem Willen Gottes, der zu seinem Herzen sprach. Und dieses Beispiel unseres Vaters ist für uns alle ausgesprochen gut, als ein Beispiel, dem es zu folgen gilt.

Wer sich mit dem Lebensweg Kardinal Ratzingers bzw. Papst Benedikts beschäftigt, stellt fest, dass dies nicht nur für seinen Amtsverzicht gilt sondern für seinen ganzen geistlichen Lebensweg, der ihn bin hin zum Papstamt geführt hat, dass er nie erstrebt aber demütig – erkannt als den Willen Gottes – angenommen hat. Seine Entscheidung, auf dieses Amt zu verzichten, davon dürfen wir vor diesem Hintergrund ausgehen, ist dann auch so ein im Dialog mit Gott entstandener Entschluss zu sehen, dem Benedikt XVI. treu gefolgt ist.

Man kann also zusammenfassen: Gott will uns frei, er befreit uns aus unseren weltlichen Zwängen und bittet uns um eine Entscheidung für ihn. Wir können seinen Vorschlägen folgen oder zurück in die „Sklaverei“ der Welt gehen – wer aber heute seine eigene Freiheit reklamiert, der findet sie nur in Gott und ist gut beraten, seinem gut im Dialog mit Gott gebildeten Gewissen treu und entschlossen zu folgen. Großartig ist daher auch der Aufruf des Papstes zum Ende des Angelus, den ich hier unkommentiert einfach stehen lassen werden, schlicht weil diese klaren und direkten Worte für sich stehen und eine Vertiefung vermutlich nur verfälschen könnte:

Die Gottesmutter hörte in großer Einfachheit das Wort Gottes und das, was Jesus widerfuhr, und dachte in ihrem Inneren darüber nach. Sie folge ihrem Sohn mit innerlicher Überzeugung, mit fester Hoffnung. Maria helfe uns, dass wir immer mehr zu Männern und Frauen des Gewissens werden, frei im Gewissen, denn im Gewissen findet der Dialog mit Gott statt; zu Männern und Frauen, die die Stimme Gottes zu hören und ihr entschlossen zu folgen vermögen.

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Posted in: Allgemein Tagged: Angelus, Benedikt XVI, Franziskus, Freiheit, Gehorsam, Gewissen, Papst

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