Die katholische konservative Szene ist in heller Aufregung! Da hat sich doch ein deutscher Bischof politisch geäußert! Nagut, nun ist ein Bischof für einen Katholiken nicht irgendein Kommentator, der gläubige Katholik, zu denen ich mich auch zähle, betrachtet den Bischof als einen Nachfolger der Apostel, damit als einen Hirten, dem er im Gehorsam folgen sollte. In Deutschland sind die Äußerungen der Bischöfe in unterschiedlichen Themengebieten leider (oder zum Glück?) so heterogen, dass da für jeden Katholiken, progressiv oder konservativ, papsttreu oder Reformkatholik, was dabei ist. Der in Rede stehende Bischof ist umgekehrt auch nicht einfach ein Weihbischof einer unbedeutenden Diözese: es ist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Erzbischof Dr. Robert Zollitsch!
Konservative Katholiken können seit Jahren schon nicht so recht viel mit ihm anfangen, seine Äußerungen sind oft von einem Dialogwillen (positiv formuliert) geprägt, der an Selbstaufgabe (negativ formuliert) grenzt. Ich gebe zu, ich bin dankbar, in der Erdiözese Köln zu wohnen und in der Kirchenhierarchie meinem Kardinal Meisner und als nächstes dem Papst folgen zu können und mich nicht damit auseinandersetzen muss, ob ich mich gegen meinen eigenen Kirchenhirten stellen müsste.
Erzbischof Zollitsch, ob als Privatmann der zu seinem 75. Geburtstag interviewt wurde, als einzelner Bischof, jedenfalls kaum in seiner Funktion als DBK-Vorsitzender hat sich nun aber politisch geäußert und offenbar in recht klaren Worten gegen die AfD, Alternative für Deutschland, die sich nicht weniger auf die Fahnen geschrieben hat, als die deutsche Parteienlandschaft umzukrempeln, Position bezogen. Berichtet wird im Badischen Tagblatt (wiedergegeben auf kath.net und in der Jungen Freiheit, der Artikel selbst ist nur für e-paper-Abonnenten zugänglich, so weit geht mein Recherchewille nicht), dass er dort in einem Interview gewünscht habe, die AfD möge nicht in den kommenden Bundestag einziehen. Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten, so wird er zitiert. Seiner Ansicht nach, so die Junge Freiheit, handele es sich dabei um ein paar Nostalgiker, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollten. Der Erzbischof sehe keine Alternative zum Euro. Denn der zwingt uns, weiter zusammenzukommen.
Kirchenrechtlich sind politische Äußerungen von Kirchenvertretern umstritten, weshalb ich mich eher auf die Frage konzentrieren möchte, ob es denn ein legitimes Anliegen des Bischofs ist, sich in dieser Weise mitzuteilen. Denn die Frage, ob sich ein Kirchenvertreter politisch äußern muss oder darf, hängt ganz stark damit zusammen, wie die politische Linie der betreffenden Partei mit den Grundüberzeugungen eines Christen kompatibel sind. Ich möchte das nicht mit dem aktuellen Thema vermengt wissen, aber wenn ein Kardinal von Galen sich per Predigt und Klage gegen die Regierung des dritten Reichs gewandt hat, dann ist das natürlich eine politische Stellungnahme gewesen, die heute wohl niemand im Ernst, wo der Kirche im Zweifel und historisch falsch vorgeworfen wird, sich nicht ausreichend gegen das NS-Regime gestellt zu haben, kritisieren wird. Die Frage, ob sich ein Bischof für oder insbesondere gegen eine politische Partei äußern sollte, ist daher in erster Linie mal eine seines eigenen Gewissens. Anders gesagt: wenn Erzbischof Zollitsch der Überzeugung ist, dass sich eine Wahl der AfD gegen den Frieden in Europa auswirken wird, wenn er Ressentiments unter Staaten befürchtet, sollte diese Partei einem Bundestag angehören, wenn er sozialen Frieden und Gerechtigkeit unter den Völkern durch diese Partei gefährdet sieht, dann darf er nicht nur, dann muss er dazu etwas sagen.
Andererseits, der Vergleich mit von Galen und dem 3. Reich macht das schon deutlich, muss es dabei auch wirklich um Grundsatzpositionen gehen, nicht um eine abweichende politische Einstellung, wie der Euro-Krise beizukommen ist. Ein Bischof, der sich für eine bestimmte Währung ausspricht oder auch für eine bestimmte Staatsform (wie der Erzbischof auf das schmale Brett kommt, die Nationalstaaten seinen schon abgeschafft, steht auf einem noch ganz anderen Blatt), dem Euro das Potenzial zur Verbindung der Völker zuspricht, der sich statt für Dialoge und den Versuch von historischen Entwicklungen für eine europaweite Zwangswährung ausspricht, der tut damit seine eigene politische Einstellung kund (und das nicht unbedingt mit dem berufenen Mund eines Volkswirtschaftlers): Das ist keine moralische Wertung sondern eine wirtschaftspolitische Sichtweise, die lediglich soziale Implikationen hat.
Ich selbst bin kein Fan der AfD, als Libertärer ist die Rückkehr zu einer D-Mark, die am Ende genau so ein fiat-money ist wie der Euro, nur auf begrenzterem Gebiet mit ähnlicherer Wirtschaftskraft und dadurch möglicherweise ein bisschen länger stabil, keine wirkliche Alternative, als die sich die Partei darstellt. Das Risiko in der AfD sehe ich eher darin, dass sie einer bürgerlichen Koalition (derzeit leider anzunehmender best-case) in den Arm fällt und am Ende als worst-case eine rot-(rot-)grüne Regierung dabei herauskommt, die mit Blick auf das Christentum nun in der Tat Positionen bezieht, die sich mit der kirchlichen Lehre nicht vereinbaren lassen. Hätte sich also Bischof Zollitsch in diesem Sinne geäußert, eine gemeinsame Anstrengung zur Einigung unter konservativen und christlich orientierten Kräften angemahnt, wäre die Äußerung wohl unproblematisch. Natürlich gäbe es Proteste aus dem linken politischen Spektrum, doch mit Parteien, die die Homo-Ehe befürworten, die die weitergehende Freigabe von Abtreibungen propagieren und sich für ein Zurückdrängen der Kirche aus dem öffentlichen Leben einsetzen, muss sich die Kirche ja auch nicht gemein machen.
Es bleibt also die Frage, ob die AfD für Erzbischof Zollitsch tatsächlich so eine Gefahr für Frieden und Gerechtigkeit darstellt, dass er sich vor seinem Gewissen genötigt sah, sich entsprechend zu äußern, und warum er sich dann offenbar zu Parteien, deren Politik in weiten Teilen nur als antikirchlich, antikatholisch, bezeichnet werden kann, nicht äußert?
Der Vorsitzende der DBK hat sich politisch geäußert, und als konservativer Katholik kann man betrübt darüber sein, dass er dies ausgerechnet in diesem Fall und mit diesen Worten getan hat. Ob seine Äußerungen der AfD schaden oder durch zusätzliche Publicity eher nutzen, muss sich noch erweisen. Generell zeigt dieses Beispiel aber, wie gut die meisten Kirchenvertreter daran tun, sich in den politischen Diskurs nicht oder nur durch Kommunikation christlicher Leitplanken, die man berücksichtigt sehen möchte, einmischen. Ein Beschäftigen mit der Politik ist auch für jeden Christenmenschen Bürgerpflicht und dieser hat neben den politischen Überzeugungen auch christlich-moralische Werte als Kompass für die Wahlentscheidung zu berücksichtigen, für deren Verbreitung die Kirche, ihre offiziellen Vertreter wie jeder Gläubige, im Rahmen der Evangelisierung zuständig ist. Eine Richtungsentscheidung eines Hirten der Kirche pro oder contra einer bestimmten Partei ist hierbei nur in absoluten Ausnahmefällen vertretbar – man darf wohl bezweifeln, dass diese hier vorliegt.
JuergenPB
Ich denke, es geht weniger darum daß er was gesagt hat, sondern darum, was er gesagt hat.
Joachim Kardinal Meisner hat auch recht deutlich gesagt, welche Politiker für einen Katholiken wählbar sind. Da gab es keine Aufregung in der Blogözese. Vielleicht lag es dran, daß er keine Namen von Parteien und Personen nannte, sondern dem Leser genug Verstand zu traute, daß der wußte, was und wen er meinte.
Papsttreuer
Lieber JürgenPB,
daher ging es mir in meinem Beitrag um die etwas entspanntere Sicht darum, wann ich eine entsprechende Äußerung für angemessen halte. Sie haben natürlich Recht: hätte sich EB Zollitsch explizit gegen die Grünen ausgersprochen, gäbe es wahrscheinlich ein größeres Rauschen im medialen Blätterwald und Applaus aus der in großen Teilen konservativen Blogoezese (hätte es möglicherweise auch von mir gegeben). Falsch – so meine Einschätzung – wäre aber beides.
Herzliche Grüße und Gottes Segen!