Der Papst ist derzeit ein begehrter Mann, vor allem in Deutschland. Kaum eine Talkshow zu Kirchenthemen in Deutschland, in der nicht positiv auf ihn Bezug genommen wird; man wähnt sich nach den Erfahrungen der Vergangenheit in einer anderen Dimension. Jetzt beeilen sich auch noch zwei deutsche Bischöfe, möglichst vor dem jeweils anderen das Gespräch mit ihm zu finden, wohl um zu vermeiden, dass der andere dem Papst etwas steckt, was er selbst so nicht sieht oder zumindest anders formulieren würde (Liebe Bischöfe, hättet Ihr dem vielbeschäftigten Papst gegenüber wohl bitte die Güte, einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren, damit die Una Sancta aus Deutschland nach außen nicht wirkt wie ein Kindergarten? Danke!)
Das alles mag den Papst kümmern und bekümmern, die Schwerpunkte liegen allerdings woanders, die Wurzeln des Christentums liegen nicht in der Frage der Innenausstattung eines deutschen Bistumszentrums (schon gar nicht in der Frage der Frauenordination oder ähnlichen in Deutschland hoch gehandelten Themen) sie liegen in der Frage, wie Gott eigentlich ist, was wir über ihn wissen können und woran wir das fest machen. Und so hat der Papst am vergangenen Sonntag mal wieder eine Predigt rausgehauen, die es in sich hat. Aus Anlass des marianischen Tags im Jahr des Glaubens, zu dem der Papst die Welt der Obhut des unbefleckten Herzens Mariens anvertraut hat, betrachtete der die Lesungen und das Evangelium des Sonntags unter drei Gesichtspunkten: was sagt die Schrift über Gott aus, wie hat Maria das in ihrem Leben gespiegelt, und was sind die Konsequenzen für uns.
Gott überrascht uns
Beginnend mit der Lesung aus dem zweite Buch der Könige 5, 14-17, in dem der Ägypter Naaman von seinem Aussatz befreit wurde, einfach indem er sich im Jordan wusch, verdeutlicht der Papst, wie überraschend Gott wirkt:
Kann denn, wer so Einfaches verlangt, ein Gott sein? [ ]Wirklich: Gott überrascht uns. Gerade in der Armut, in der Schwachheit, in der Niedrigkeit zeigt er sich und schenkt uns seine Liebe, die uns rettet, uns heilt und uns Kraft verleiht. Er erwartet von uns nur, dass wir seinem Wort folgen und ihm vertrauen.
In ähnlicher Weise überrascht Gott Maria mit der Ankündigung, dass sie Mutter des Messias sein soll:
Es ist das Erstaunen zu sehen, dass Gott, um Mensch zu werden, ausgerechnet sie erwählt hat, ein einfaches Mädchen aus Nazareth, das nicht in den Palästen der Macht und des Reichtums wohnt, das keine außerordentlichen Heldentaten vollbracht hat.
An dieser Stelle stellt Gott Maria, wie Naaman wie auch uns die Frage, ob wir ihm und seinem Ratschluss vertrauen, ob wir ihm glauben, dass er aus etwas Unscheinbarem etwas Großartiges machen kann. Die Antwort Marias ist bekannt und sie eröffnet die ganze Geschichte Jesu:
»Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38). Das ist ihre Antwort. Gott überrascht uns immer, bricht unsere festen Vorstellungen auf, versetzt uns in Krise und sagt uns: Vertrau auf mich, hab keine Angst, lass dich überraschen, gehe aus dir selbst heraus und folge mir!
Und auch wenn wir heute in einer ganz anderen Situation leben als Naaman oder Maria, so stellt Gott uns doch auch immer wieder die Frage, ob wir ihm vertrauen. Und man muss auch sagen, dass er es uns nicht immer leicht macht oder vielleicht doch: alles, was wir tun müssen, ist uns von ihm überraschen zu lassen, für die Wendungen, die er unserem Leben gibt, offen zu sein:
Lasse ich mich von Gott überraschen wie Maria, oder verschließe ich mich in meinen Sicherheiten, in materiellen Sicherheiten, in geistigen Sicherheiten, in ideologischen Sicherheiten, in Sicherheiten meiner Pläne? Lasse ich Gott wirklich in mein Leben eintreten? Wie antworte ich ihm?
Diese Frage, die der Papst den Besuchern der Messe stellt, ist letztlich die Frage, die Gott uns immer wieder, eigentlich in jeder Situation unseres Lebens stellt. Bin ich offen für sein Wirken, vertraue ich mich ihm an, auch in Situationen, in denen ich nicht mit ihm rechne, es aufgegeben habe, mit ihm zu rechnen, wenn er auf eine Art wirkt, die nicht meinen eigenen Vorstellungen entspricht?
Gott fordert Treue von uns
Damit zusammen hängt, dass man diese Offenheit auch immer wieder unter Beweis stellen muss. Im Zweiten Timotheusbrief 2, 8-13 beschreibt der Apostel Paulus diese Treue, die Gott von uns fordert und sie uns auch gewährt. Wie der Papst sagt:
Denken wir daran, wie oft wir uns für etwas begeistert haben, für eine Initiative, für einen Einsatz, aber dann, angesichts der ersten Probleme, haben wir das Handtuch geworfen.
So ein Verhalten zeigt Gott mit uns nicht, und wir sollten es auch Gott gegenüber nicht zeigen. Dazu gehört natürlich Vertrauen in ihn, darin, dass er bei uns ist auch wenn die Dinge sich nicht so entwickeln, wie wir das selbst geplant haben Gott hat den besseren Plan, es kommt nur darauf an, ihm auch zu folgen und ihm treu zu bleiben. Interessanterweise (im Hinblick auf meine Einführung) nimmt der Papst als Beispiel genau das, in dem heute vielen die Treue so schwer fällt: die Ehe!
Und das geschieht leider auch in den grundlegenden Entscheidungen, wie der der Ehe. Die Schwierigkeit, beständig zu sein, treu gegenüber den gefassten Beschlüssen, gegenüber den übernommenen Verpflichtungen. Oft ist es leicht, Ja“ zu sagen, doch dann gelingt es einem nicht, dieses Ja“ täglich zu wiederholen. Man schafft es nicht, treu zu sein.
Ein Vorbild in dieser Treue ist wiederum Maria. Sie hat nicht nur bei der Verkündigung Ja gesagt, sie hat dieses Ja auch in ihrem ganzen Leben durchgehalten, bishin zum Weg mit ihrem Sohn an das Kreuz:
Heute sind hier viele Mütter zugegen. Bedenkt einmal, bis zu welchem Punkt Marias Treue gegenüber Gott reichte: ihren einzigen Sohn am Kreuz zu sehen. Die treue Frau, sie steht, innerlich zunichte gemacht, aber treu und stark.
Und wir? Wie sieht es mit unserer Treue aus? Der Papst verwendet an dieser Stelle den von ihm schon öfter benutzen Begriff des Gelegenheitschristen. Es ist an uns, Gott treu zu bleiben, der uns immer treu bleibt. Das heißt nicht, dass man keine Schwächen zeigen darf, es ist kein Leistungschristentum. Sich in der eigenen Schwäche wiederum an Gott zu wenden, das ist die Treue, die Gott von uns erwartet.
Und das ist der endgültige Weg: immer mit dem Herrn, auch in unseren Schwächen, auch in unseren Sünden. Gehen wir nie auf der Straße der Vorläufigkeit. Das tötet uns. Der Glaube ist endgültige Treue, wie jene Marias.
Gott ist unsere Stärke
Diese Kraft zur Treue und zur Umkehr, sie stammt ebenfalls von Gott. So wie die Aussätzigen im Evangelium (Lukas 17,11-19) benötigen auch wir die Hilfe Gottes, bedürfen der Heilung, die er gewährt. Diese Stärke Gottes, derer wir bedürfen, anzunehmen, das ist Teil unserer Treue.
Nur einer ist zurückgekehrt, um mit lauter Stimme Gott seinen Dank zu bekunden und zu bekennen, dass er unsere Stärke ist. Lob und Dank zu sagen wissen für alles, was der Herr für uns tut.
So ist es auch von Maria bezeugt: sie empfängt Jesus und beginnt, ihrer Base zu dienen. Und in ihrem Lobgesang, dem Magnificat erkennen wir deutlich, dass ihr bewusst ist, dass sie der Stärke Gottes bedarf und es nicht ihre eigene Leistung ist, die sie die Dinge tun lässt, die sie tut:
»Meine Seele preist die Größe des Herrn«, d.h. ein Lob- und Dankgesang an Gott, nicht nur für das, was er in ihr gewirkt hat, sondern für sein Handeln in der gesamten Heilsgeschichte. Alles ist sein Geschenk.
Auch hier bezieht der Papst die Anerkennung der Kraft, der Hilfe anderer, nicht nur auf Gott sondern auch auf das menschliche Umfeld, allen voran die Familie. Dazu gehört, die Unterstützung zu erbitten, um Vergebung zu bitten, wenn man dem anderen geschadet hat, und dann auch zu danken für die Hilfe, für die Heilung, die wir erfahren wie gesagt: das gilt für Gott wie auch für menschliche Beziehungen. Der Papst beschreibt das in wirklich schönen Worten:
Alles ist sein Geschenk. Er ist unsere Stärke! Dank sagen ist so einfach und doch so schwer! Wie oft sagen wir einander Dank in der Familie? Es ist eines der Schlüsselwörter des Zusammenlebens. Bitte“, Entschuldigung“, Danke“: wenn man in einer Familie diese drei Worte sagt, kommt die Familie voran. Bitte“, Entschuldigung“, Danke“. Wie oft sagen wir danke“ in der Familie? Wie oft sagen wir Dank dem, der uns hilft, uns nahe ist, uns im Leben begleitet? Oft nehmen wir alles selbstverständlich! Und das geschieht auch Gott gegenüber. Es ist leicht, zum Herrn zu gehen und ihn um etwas zu bitten. Aber ihm zu danken, das kommt mir nicht in den Sinn.
Was der Papst in den wenigen Ansätzen beschreibt ist die Art der Beziehungspflege zu Gott. Es ist nicht ein einmaliger Akt der Bekehrung, es ist ein Lebensstil, der uns an der Seite Gottes führt. Diesen Stil gilt es zu verinnerlichen: Gottes Geschenke, seine Überraschungen anzunehmen, ihm treu zu sein und uns bewusst zu sein, dass er es ist der wirkt, seine Stärke nicht unsere! Dazu entscheiden wir uns jeden Tag aufs neue, das Ja zu Gott müssen wir immer wieder erneuern, ihm bewusst immer wieder danken, und vor allem immer wieder auf sein Wirken gefasst sein, vor allem dann, wenn wir mit seinem Wirken eigentlich gar nicht zu rechnen wagen. Und als großes Vorbild dient uns dabei, wie könnte es anders sein, die Gottesmutter Maria!