Das neue Licht am Himmel der FDP ist für alle Kenner der Materie zur Zeit Christian Lindner. Nicht dass er sich besonders hervorgetan hätte bei der Rettung seiner Partei, nicht dass man von ihm einen entrüsteten Aufschrei gehört hätte, als man nach der Bundestagswahl von 2009 die liberalen Wähler mit Feuer und Mistgabeln vom Hof vertrieben hatte aber immerhin hat er als Fraktionschef der FDP in Nordrheinwestfalen noch eine halbwegs funktionierende Parteistruktur hinter sich da sollten Liberale, die zurück an die Fleischtöpfe statt in die außerparlamentarische Opposition wollen, nicht allzu kleinlich sein.
Ein Paradebeispiel dafür, wie liberale Politik heute aussehen könnte, liefert Lindner nun in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. In einem Gespräch mit der Zeitung, so wird er jedenfalls interpretiert, da bin lieber vorsichtig, fordert Lindner eine Reform des Verhältnisses von Staat und Kirche. Und führt auch gleich zwei Beispiele an, mit denen man als Zeitgeistsurfer heute recht schnell vorankommt: die teilweise Finanzierung der Kirchen über den Staat und das kirchliche Arbeitsrecht.
Nun basieren Staatsleistungen auf Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche, teilweise 200 Jahre alt, die man nicht einfach von Seiten des Staates aufkündigen kann. Ich gebe aber gerne zu, dass mich diese Verstrickungen auch nervös machen. Der Kirche hat es noch zu keiner Zeit gut getan, zu sehr mit dem Staat verbandelt zu sein, Cäsar und Gott haben beide ihre Rechte, aber wenn sich Cäsar gegen Gott stellt, dann sollten wir wissen, auf welcher Seite wir stehen und dabei keinen Blick auf das staatliche Geldsäckel verschwenden. Wenn also gefordert wird, dass die Regelung der Beamtenbesoldung von Bischöfen zu überprüfen sei, dann kann ich dem was abgewinnen. Ich würde sogar noch weiter gehen und jede finanzielle Verflechtung des Staates und der Kirche zur Disposition stellen, inklusive des unseligen Kirchensteuersystems. Der Staat hat in kirchlichen Angelegenheiten erst mal nichts zu suchen, und es müssten schon ganz heilige Bischöfe sein, die den Blick aufs Portemonnaie ganz ausschließen, wenn es um Gewissensentscheide Kirche vs. Staat geht. Diesen Konflikt kann man einfach vermeiden, indem man solche Verflechtungen auflöst. In Wall Street ruft der Vater des jungen Börsenmaklers Bud Fox, Carl Fox, brillant gespielt von Martin Sheen, Ich gehe nicht mit einer Hure schlafen, also wache ich auch nicht neben einer auf! ich will den Staat nicht verunglimpfen, aber ich hoffe, es wird klar was ich meine?
Die Liebe zur Säkularität Lindners geht allerdings nicht so weit, in einem Nebensatz nicht doch privatwirtschaftliche Freiheiten zur Disposition zu stellen, denn offenbar geht es ihm weniger um die Trennung von Staat und Kirche sondern um die Gängelung letzterer. Wer von einer liberalen, freiheitlichen Partei bzw. seinem hochgehandelten Nachwuchspersonal ein Plaidoyer für Vertragsfreiheit erwartet hätte, wird massiv enttäuscht. Denn Lindner stellt fest, dass die Beamtenbezüge von Bischöfen genauso wenig in die Zeit [passten] wie das kirchliche Arbeitsrecht, das das Privatleben der Beschäftigten zensiert. Oha! Jetzt aber Obacht, liebe Liberallalas Vertragsrecht also demnächst nach Political Correctness? Der Staat soll im Umkehrschluss also (jetzt auch ausgedehnt auf kirchliche Unternehmen) Verträge zwischen Unternehmen und Angestellten zensieren dürfen?
Richtig ist, dass die Kirchen bei Arbeitsverträgen heute eine Sonderstellung haben, und insofern Beschäftigungsverhältnisse ablehnen oder auflösen können, wenn der Lebensentwurf der Angestellten nicht dem Zeugnischarakter der kirchlichen Institution entspricht. Man kann sich darüber streiten, ob derartige Regelungen auch für eine Sekretärin oder eine Reinigungskraft gelten müssen, es bleibt aber eine privatrechtliche Vertragsregelung, die den Staat nichts angehen. Lindner hat aber wenn man seine Aussage mal ganz wertfrei betrachtet Recht: das kirchliche Arbeitsrecht will nicht so recht in unsere Zeit des allseligmachenden regulierenden Staates passen. Das tut aber eine echte liberale Partei auch nicht! Vielleicht sollte Lindner sich mal die Frage stellen, auf welche Positionen er sich mit einer geforderten staatlichen Einmischung in privatrechtliche Vereinbarungen und sei es bei der Kirche begibt … und ob es von solchen neosozialistischen Volksbeglückern in unserem Parlament tatsächlich noch mehr braucht? Vor dem Hintergrund der Mainstreamanbiederung mögen seine Äußerungen sinnvoll sein, dieser Einblick in Überzeugungen des neuen Vorzeigeliberalen mach einen aber bange um die Zukunft einer (notwendigen) liberalen Partei.