Die Meldungen über die Insolvenz des Weltbild-Verlags prasselten am Freitag ein. Über die kircheninternen Belange hinsichtlich dieses im Wesentlich im Eigentum katholischer Bistümer stehende Unternehmen hatte ich mich schon mehrfach geäußert man wird sich also nicht wundern, wenn ich kein besonderer Freund dieses esoterischen Gemischtwarenladens bin. Andererseits bedeutet diese Insolvenz die Gefährdung von rund 6.000 Arbeitsplätzen nicht gerade ein Pappenstiel!
Aus katholischer Sicht stand Weltbild schon seit Jahren in der Kritik: zu wenig katholisches Profil, zu viel Esoterik und Erotik im Angebot, von den Tinnef-Angeboten, die einem als Kunden per Katalog oder Mail ins Haus flatterten wollen wir erst gar nicht reden. Zum Schluss brillierte das Marketing mit dem Angebot elektronischer Weihnachtskarten ohne christliches Profil, dafür mit Rentieren. In den vergangenen Jahren entzündete sich die Kritik beispielsweise am Vertrieb der Soft-SM-Bücher der Reihe Shades of Grey. Das sind keine Bücher die den Untergang des Abendlandes einleiten, aber auch keine, die man in einem Versand in katholischer Eigentümerschaft erwarten würde.
Argumentiert wurde seitens des Verlags, dass man diese und ähnliche Bücher nicht einfach technisch aus dem Verkauf heraussteuern könne, was einem andererseits aber bei anderen Veröffentlichungen, beispielsweise Aufklärungsbüchern die künstliche Verhütung propagierten, gelang. Während letztere Literatur allerdings verkaufstechnisch ohnehin unter ferner liefen rangierten, lagen die Shades of Grey-Bücher wochenlang in den Hitparaden weit oben. Ein Schelm, wer dabei denkt, dass man Bücher mit höherem Verkaufspotenzial rücksichtsvoller angegangen ist als Ladenhüter?
Ein weiteres kolportiertes Argument war, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung, immerhin ist Weltbild der zweitgrößte Anbieter in Deutschland dieser Art, nicht mit einem rein katholischen oder christlichen Programm zu betreiben wäre. Mir erscheint das offensichtlich richtig wäre Weltbild ein rein christlicher Verlag, sprächen wir jetzt nicht über 6.000 sondern vielleicht über 60 Mitarbeiter. Andererseits liegt das Gegenargument, was ein Unternehmen dieser Größenordnung, dessen Programm man nicht mehr christlich gestalten kann, in einem katholischen Beteiligungsportfolio zu suchen hat, auf der Hand. War ursprünglich vielleicht mal daran gedacht gewesen, mit dem Verlag einen Vertriebskanal für christliche (oder zumindest nicht dem christlichen Glauben widersprechender) Literatur aufzubauen, hat man sich bei den Expansionsplänen wohl von dieser Idee verabschiedet.
Umgekehrt war das Argument insofern gut, als dass man es bei Aufkommen der massiven Kritik bereits mit einem Großunternehmen zu tun hatte, dass nicht ohne weiteres zurück auf katholisches Maß geschnitten werden konnte. Die entsprechenden Forderungen von katholischer Seite konnte man daher mit Verweis auf die Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze dadurch gefährdet wären, abschmettern. Halbherzige Veräußerungsversuche (zugegeben bei einem derartigen Unternehmen wohl auch nicht eben leicht) oder die Bestrebungen, den Verlag in eine Stiftung zu überführen, verliefen im Sande bis heute.
Jetzt steht man also nicht nur vor einem moralischen Scherbenhaufen sondern vor einem wirtschaftlichen, und, was aus katholischer Sicht vielleicht noch schwerer wiegt, auch vor enormen sozialen Herausforderungen hinsichtlich der Mitarbeiterschaft. Schließlich kann man als katholischer Träger nicht einfach agieren, wie jeder andere Eigentümer und die Mitarbeiter einfach sich selbst überlassen. Dass die betreffenden Bistümer kein Geld mehr in die ungewisse Zukunft von Weltbild stecken wollten, Geld das zumindest indirekt aus Kirchensteuern refinanziert ist, ist nachvollziehbar und auch im Blick auf die anderen Kritikpunkte an dem Engagement nachvollziehbar. Die Problematik bleibt aber, dass man es hier mit einer zumindest moralischen Verantwortung zu tun hat, der man sich als kirchliche Eigentümer nicht ohne weiteres entziehen kann.
An dieser Stelle wird deutlich, was ich in anderen Beiträgen hinsichtlich meiner Einschätzung zur Marktwirtschaft geschrieben habe: Ich glaube, dass staatliche Eingriffe in den Markt immer (!) suboptimal sind, propagiere aber umgekehrt keine un- oder amoralische Handlungsweise. Selbst in Situationen, in denen einen der Staat zu nichts zwingen kann oder nicht zwingen können sollte, steht man als Christ in einer höheren Verantwortung vor Gott, das Richtig zu tun, gerade dann, wenn die Konsequenzen des Handelns einen nicht alleine sondern auch andere treffen. Es ist daher richtig aber wohlfeil heute darauf hinzuweisen, man habe ja schon immer gewusst habe, dass aus der Weltbildbeteiligung wirtschaftlich nichts werden könne und dieses Engagement auch moralisch fragwürdig und zum Scheitern verurteilt war.
Guter Rat ist jetzt, im wahrsten Sinne, teuer. Die Eigentümer haben nach einer Pressemitteilung des AR-Vorsitzenden des Verlags zugestimmt, die für die Abfederung sozialer Härten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlichen finanziellen Mittel im Rahmen ihrer ursprünglich für eine Restrukturierung eingeplanten auf[zu]bringen. Dem Schreiben nach handelt es sich dabei um einen Betrag von 65 Mio , die in die Hand genommen werden sollen. Und ob das ausreichen wird, daran darf man wohl ein Fragezeichen machen. Es wird in Zukunft daher nicht an Kritik mangeln, dass es sich dabei doch um Kirchensteuergeld handelt, dass ohne Aussicht auf irgendeine Art (weltlicher) Verzinsung ausgegeben wird keine Investition in Evangelisierung oder Apostolate sondern reine Schadensbegrenzung. Und dennoch: Was hilfts?! Für Kirchens ist es keine Alternative, den eigenen finanziellen Schaden auf ein gesetzliches Minimum zu reduzieren, damit würde der letzte Anschein, dass es sich bei Weltbild um ein christliches Projekt handelte, zunichte gemacht, von persönlicher Verantwortung und nennen wir es unter uns ruhig so Schuld gar nicht zu reden.
Diejenigen, die das Weltbild-Engagement schon lange mit Argwohn betrachten, werden sehr genau hinschauen, ob und wie die Verantwortlichen, insbesondere die Bischöfe, jetzt auch Verantwortung übernehmen. Das ist auch in Ordnung so, will man nicht den Eindruck erwecken, unternehmerische Entscheidungen würden im kirchlichen Umfeld keine Verantwortung nach sich ziehen. Das beinhaltet auch, genau zu schauen, ob denn bei einem der Verantwortungsträger noch etwas von der sowohl von Papst Benedikt XVI. als auch von Papst Franziskus geforderten Entweltlichung hängen geblieben ist – hoffentlich lernt man wenn schon nicht aus den Worten des Papstes doch wenigstens aus Erfahrung!
Hinsichtlich der betroffenen Mitarbeiter sollten wir aber jetzt nicht zu sehr aufs eigene Portemonnaie schauen sondern eine Verantwortung annehmen, die sich nicht ursächlich aus eigenen Entscheidungen sondern aus unserer Mitgliedschaft zur katholischen Kirche, nicht als Institution sondern als mystischem Leib Christi ergibt. Wer jetzt wegen der anstehenden Folgekosten aus dem Weltbild-Desaster aus der Kirche austritt um Kirchensteuern zu sparen, verabschiedet sich in der Tat aus dieser Gemeinschaft.