Eine kleine Betrachtung mit aktuellem Bezug: Gestern ging durch die Presse, dass Bayern-München-Manager Uli Hoeneß zugegeben hat, statt nur wie bisher angegeben 3,5 insgesamt 18,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Da fällt es schwer, noch großes Verständnis aufzubringen. Ich hatte an anderer Stelle schon mal geschrieben, dass Hoeneß damit immer noch zu den größten privaten Steuerzahlern Deutschlands zählt. In einer Zeitung war zu lesen, dass er 50 Millionen Euro Steuern gezahlt hat, auch, dass er aus privaten Mitteln 5 Millionen Euro gespendet hat, was flugs zu einer Beute von noch 13,5 Millionen Euro saldiert wird.
Dass ich nichts von einem Steuersystem halte, in dem eine Privatperson 63,5 Millionen Euro Steuern zahlen muss, nicht unerheblich aus Erträgen aus bereits versteuertem Einkommen, hatte ich schon geschrieben, andererseits ist das Steuersystem so wie es ist, und so ist nachvollziehbar, dass sich der kleine Steuerzahler fragt, wieso er eigentlich Steuern zahlt, und die Großen Mittel und Wege finden, sich dem zu entziehen. Ein gewisser Volkszorn ist also nachvollziehbar, was sich aber in Teilen Bahn bricht ist eine Wut, die möglicherweise auch auf die Managementposition bei dem nicht immer allerbeliebtesten aller Fußballvereine Deutschlands zurückzuführen ist.
Wenn man aber wie ich gestern hört, der solle jetzt aber für den Rest seines Lebens in den Knast, ist das schon ein Urteil, dass man im Verhältnis zu Verbrechen sehen muss, bei denen Menschen an Leib und Leben zu Schaden kommen. Bei allem Verständnis, dafür gibt es Gesetze, und die sind jetzt anzuwenden, ohne dem Volkszorn Rechnung zu tragen. Nachdenklich machte mich aber, dass Bekannte von mir meinten, so einer könne doch nicht in den Himmel kommen! Gut, die das sagten, haben das sicher nicht theologisch durchdrungen formuliert, dennoch meine ich, wenn man den Begriff des Himmels in diesem Zusammenhang in den Mund nimmt, ist Vorsicht angesagt. Und die auf diesen Satz folgende Replik Wenn der da ist, dann will ich da nicht hin verschärft das ganze noch.
Erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben so heißt es im heutigen Tagesevangelium (Matthäus 6,7-15) in der Matthäusversion des Vater-unser. Das ist eine Bitte, aber auch ein Gebetsvorschlag von Jesus, der deutlich macht, wie Gott in diesen Dingen denkt. Wir treten anderen Menschen gegenüber in Vorlage: Wir sind aufgerufen zu vergeben, damit auch uns vergeben wird.
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Das hat, um im obigen Hoeneß-Beispiel zu bleiben, nichts mit juristischer Aufarbeitung zu tun, aber doch mit dem, wie wir in unserem Herzen mit jemandem umgehen, der schuldig geworden ist. Das sollte, jedenfalls für einen Christen, schon noch einen Unterschied machen. Und dieser Unterschied ist es, der uns in den Himmel bringt oder uns von ihm fern hält: Wenn ich nicht in der Lage bin, einem Menschen zu vergeben, dann wird auch Gott mir nicht vergeben! Das ist eine klare Ansage, an der es nichts zu deuteln gibt! Man kann auch schärfer formulieren: Wer nicht vergibt, der kommt nicht in den Himmel!
Das erinnert an Die große Scheidung von C.S. Lewis, in der Menschen eine kleine Erkundungsreise in den Himmel machen und teilweise dort nicht bleiben wollen, weil dort jemand ist, dem sie nicht vergeben wollen. Lieber nicht in den Himmel als mit jemandem dort zu sein, dem ich nicht vergeben kann, obwohl ihm Gott vergeben hat? Vorsicht vor unseren Urteilen, Gott könnte sie ernst nehmen!
Noch mal, die zitierten Wutausbrüche waren sicher nicht theologisch sauber gemeint, aber wer sich ernsthaft damit auseinandersetzt, wie er in den Himmel kommen kann, der darf sich nicht scheuen, sich auch die Menschen vor Augen zu halten, die er dort am wenigsten zu sehen wünscht und ihnen zu vergeben und für sie zu beten, dass sie in den Himmel kommen! Denn die Alternative wünsche ich hoffentlich nicht mal meinem ärgsten Feind, und schon gar nicht einem mir völlig unbekannten Steuerhinterzieher!
Wolfgang Greiner
Grandioser, feinsinniger und katholischer Beitrag (einer von vielen hier), vielen Dank,
freu mich stets auch über den Newsletter!
Segensgrüße
Wolfgang