In der Fastenzeit habe ich mich bewusst mit Themen zurück gehalten, die mich ansonsten dazu gebracht hätten polemisch zu werden. Dazu gehörte sicher die Eröffnung des Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und Theologie durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Die Einrichtung dieses Zentrums hat bereist unter Protestanten für so viel Diskussionen und Widersprüchen geführt, dass man sich als Katholik auch einfach zurück halten kann.
Dennoch stellt sich natürlich die Frage, was es denn eigentlich bedeutet, wenn die evangelische Kirche jedenfalls deren offizieller und in den Medien am weitesten vertretener Teil sich in einer Weise verhält, die einen bibel- und/oder lehramtstreuen Christen nur mit dem Kopf schütteln lässt. Auch da reicht es zunächst, einen Blick auf die Glaubensbrüder unter den Protestanten zu werfen, die sich hier eindeutig geäußert haben. So beschreibt das protestantische Magazin idea:
Theologisch konservative Kreise üben scharfe Kritik an der EKD. Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands sieht in der Einrichtung des Studienzentrums eine bibel- und bekenntniswidrige Abkehr von der guten Schöpfungsordnung Gottes und dem christlichen Menschenbild. Als Folge wende sich die EKD von Ehe und Familie als Leitbild christlicher Lebensform ab, erklärte der Vorsitzende des theologisch konservativen Zusammenschlusses, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg).
Die Ideologie des Genderismus, die irrtümlicherweise mit Gleichberechtigung verwechselt werde, leugne, dass Gott den Menschen bipolar geschaffen habe. Deren Vertreter behaupteten: Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht. Rüß zufolge ist die Genderideologie theologisch gesehen eine Irrlehre. Sie stehe außerdem gegen alle Vernunft und die Naturwissenschaft. Abermals setze die EKD ein Zeichen, das den Graben zur katholischen und orthodoxen Kirche vertiefe und die Ökumene gefährde.
Man erinnert sich, dass es bislang immer die Forderung an die katholische Kirche war, sich anzupassen, wenn sie es mit der Ökumene ernst meine. Und vor diesem Hintergrund fragt man sich, was die Vertreter der EKD treibt, sich von Bibel und gemeinsamer christlicher Wertebasis zu entfernen. Ist es die Einschätzung, dass ein Warten auf die katholische Kirche nicht lohne? Oder ist es der unbedingte Wille, eine neue, von der Heiligen Schrift losgelöste Religion aufzubauen, die in der Welt gefälliger wirkt und vermeintlich eine höhere Anziehungskraft ausübt als das vermeintlich starre Wertekorsett der Bibel?
Egal, wie man das einschätzt: Was sich hier vollzieht ist eine Abkehr von ökumenischen Bestrebungen, die die von Christus selbst geforderte Einheit zumindest anstreben, um gemeinsames Verständnis sich bemühen und ansonsten anerkennen, dass diese Einheit womöglich nicht durch menschliche Kraft alleine zu erreichen sein wird. Die EKD verabschiedet sich mit ihren letzten Aktionen (man erinnere sich an die bibelferne Orientierungshilfe für Familien, die nichts anderes tut, als ein biblisches Familienverständnis im Kern in Frage zu stellen, oder die unselige Eine Tür ist genug-Kampagne, die ebenfalls Geschlechterrollen, Familienbild und Schöpfungsglauben zu verwirren droht) von allen Bestrebungen zur Ökumene und strebt doch gleichzeitig ein gemeinsames Gedenken zur Reformation im Jahr 2017 an.
Zu letzterem ist jetzt eine ökumenische Internetseite an den Start gegangen, die darauf hinwirken will, miteinander im Dialog zu bleiben, sich über Positionen auszutauschen. 2017 gemeinsam unterwegs heißt das Projekt, bei dem man zu einem allerdings maximal unübersichtlich strukturierten 245 (!) Abschnitten umfassenden Dialog-Dokument auch aufgefordert ist, Stellung zu beziehen. In der Projektbeschreibung ist dazu zu lesen:
Das Dokument Lesen und Kommentieren
Im Mittelpunkt der Webseite steht das Dialogdokument Vom Konflikt zur Gemeinschaft, das 2013 von der internationalen lutherisch/römisch-katholischen Dialogkommission veröffentlicht wurde. In dem Dokument werden gemeinsam Themen und Konsequenzen der Reformation erörtert und Perspektiven für die Aneignung der Reformation heute entwickelt.Auf der Webseite können Sie nicht nur den vollständigen Text dieses Dokumentes lesen, sondern Sie sind ausdrücklich eingeladen, in Kommentaren Ihre Perspektive auf den Text einzubringen.
Die Frage der Woche Diskutieren
Darüber hinaus finden Sie jede Woche Diskussionsbeiträge von zwei bekannten Personen aus Kirche und Gesellschaft. Diesen Beiträgen liegt jeweils ein bestimmtes Thema des Dokumentes zugrunde, das auf eine heute aktuelle Frage übertragen wird. Als Besucherin oder Besucher der Seite können Sie diese Frage der Woche mitdiskutieren.Die fünf ökumenischen Imperative Konkret werden
Den Schluss des Dokumentes bilden fünf ökumenische Imperative für den gemeinsamen Weg nach 2017. In diesem hervorgehobenen Bereich suchen wir Beispiele gelingender Ökumene. Werden Sie konkret und teilen Sie mit anderen, wo die Gemeinsamkeiten, die die Imperative einfordern, bereits verwirklicht werden. Oder zeigen Sie, wie sie verwirklicht werden könnten, frei nach dem Motto: So soll es gehen. Mit weniger wollen wir uns nicht zufrieden geben.Das Ergebnis
Ihre Meinung zählt: Erstmals haben alle die Möglichkeit, über das Internet an der Rezeption eines ökumenischen Dialogdokumentes mitzuwirken. Das Ergebnis, eine kommentierte Version mit einer Fülle von Ansichten und Anregungen, wird am Ende dem Lutherischen Weltbund in Genf und dem Päpstlichen Einheitsrat in Rom übergeben. Wenn Sie also kommentieren, diskutieren und konkret werden, gestalten Sie den gemeinsamen Weg nach 2017 mit.
Bei aller Kritik an dem Beschuss der Ökumene durch die EKD: So ein Projekt erscheint mir ein guter Ansatz zu sein, dessen Wert sich in der Beteiligung der Gläubigen, auch in dem, wie man mit nicht verhandelbaren Glaubenswahrheiten umzugehen gedenkt, erweisen wird. Ich muss zugeben, dass meine Skepsis durchaus noch ein Übergewicht vor Optimismus hat, wenn ich als ersten ökumenischen Imperativ lese:
Katholiken und Lutheraner sollen immer von der Perspektive der Einheit und nicht von der Perspektive der Spaltung ausgehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben, auch wenn es viel leichter ist, die Unterschiede zu sehen und zu erfahren.
Ergänzend dazu heißt es in der Einleitung zu den Imperativen:
Katholiken und Lutheraner nehmen wahr, dass sie und die Gemeinschaften, in denen sie ihren Glauben leben, zu dem einen Leib Christi gehören. Es wächst das Bewusstsein, dass der Streit des 16. Jahrhunderts zu Ende ist. Die Gründe dafür, den Glauben der Anderen gegenseitig zu verurteilen, sind hinfällig geworden.
Die Feinde der geeinten Kirche sitzen, so meine ich, auf beiden Seiten es sind diejenigen, die Gemeinsamkeiten nicht sehen wollen und lediglich das Trennende fokussieren, es sind aber auch diejenigen, die das Trennende überhaupt nicht in den Fokus nehmen wollen und es einfach als irrelevant bewerten. Ökumene kann nur fruchtbar sein, wenn man beides Einendes und Trennendes in den Blick nimmt und letzteres auch auszuhalten in der Lage ist.
Ich bin als Katholik nicht davon zu überzeugen, dass es gut wäre, die Reformation zu feiern. Des 500. Jahrestags aber zu gedenken, zu bedenken, was sich in der Zwischenzeit alles entwickelt hat, und zu betrachten, wie Jesus auf die bestehende Situation schauen mag das erscheint mir vor dem Hintergrund des Auftrags Jesu zur Einheit in der Tat geboten. Der Aktion 2017 gemeinsam unterwegs kann man daher nur Erfolg wünschen … und ich werde sie weiter beobachten und begleiten!
Anonymous
Lieber Pabsttreuer, Frage an Radio Eriwan: wann entfernt man sich mehr von der Lehre. Wenn man Bestehendes hinterfragt? Oder wenn nicht? Antwort: wir würden Deine Frage an Gott weiterleiten zur Beantwortung, aber sie ist gerade nicht greifbar.
Ich bin nun wirklich kein Freund der Genderübertreibung, freue mich jetzt aber darüber, dass es ein Forum gibt, in dem ich diese Meinung auch kund tun kann. Jesus selbst hat uns aufgefordert Regeln aus ihrer Zeit heraus zu interpretieren und nicht zu verabsolutieren. Uralte Dogmata waren bestimmt nicht in seinem Sinne. Eine Ergebnis-offene Diskussion darüber, wo Gendermainstreaming christliches Leben zerstört und wo ein Hinweisen auf Diskriminierung Menschen ermöglicht befreiter als Christen zu leben, dafür bestimmt!