Einleitend muss ich erst mal feststellen, dass ich weit davon entfernt bin, die Vorgänge in der Ukraine wirklich beurteilen zu können. Wenn ich versuche, all das zu lesen, was darüber in den vergangenen Wochen und Monaten berichtet wird, käme ich vermutlich immer noch nicht zu einem vernünftigen Schluss, sind die Aussagen doch widersprüchlich, unklar, und vor allem ist der Wahrheitsgehalt all dessen von mir noch weniger einzuschätzen, als das bei hiesigen Themen der Fall ist.
Aus dem gleichen Grund kann ich auch nicht sagen, ob alles, was nun folgen wird, tatsächlich historisch und/oder strategisch so korrekt ist. Kosntruktiver Widerspruch oder Korrekturen sind also ausdrücklich erwünscht! Trotzdem hat sich mir in den vergangenen Tagen die Frage gestellt, was denn der Unterschied zwischen zwei Positionen sind, die man so vermutlich gar nicht in einer Partei sehen würde: Auf der einen Seite die USA und Russland auf der anderen Seite Deutschland (lassen wir mal für einen Moment beiseite, dass wir natürlich zur EU gehören, so ist doch EU-Politik (noch) nicht immer gleichbedeutend mit Bundespolitik)? Man könnte meine, die Positionen der beiden erstgenannten hätten doch gar nicht so viel miteinander zu tun, als dass man sie als Kontrapunkt zur letztgenannten stellen könnte
Und doch: Russland verteidigt (aus eigener Sicht, über Legitimität rede ich hier nicht) eigene Sicherheits- und wirtschaftliche Interessen. Alleine historisch bedingt will Putin in der Ukraine natürlich keinen Nato-Außenposten oder auch nur einen vermeintlichen Nato-Verbündeten quasi in seinem Hinterhof haben. Und auch die wirtschaftlichen Verflechtungen sind wohl dergestalt, dass eine enge Bindung der Ukraine an die EU nicht im Interesse Russlands liegt. Ich gebe zu, alles etwas oberflächlich, aber vermutlich doch nicht falsch.
Umgekehrt die USA: Deren Sicherheitsinteressen liegen durchaus auch da, in den aus der zersplittertern Sowjetunion den Fuß in der Tür zu halten. Niemandem, vermutlich am allerwenigsten den USA, ist daran gelegen, dass in diesen Staaten ein Machtvakuum entsteht. Die Beibehaltung des früheren Status Quo wäre so vermutlich im Interesse der USA gewesen, eine Zergliederung, ein andauernder Bürgerkrieg dagegen nicht. Und einen kleinen Posten direkt an Russland zu haben ist sicher auch taktisch kein Nachteil.
Und jetzt: Auftritt bundesdeutscher Politiker Welche Interessen verfolgen Sie im Bereich der Ukraine-Situation? Territoriale Ansprüche? Gott bewahre! Eigene wirtschaftliche Interessen? Igitt! Vertretung deutscher Interessen im Ausland? Das ist doch seit 1945 ziemlich out, wird immer outer. Selbst wenn wir sie haben (und ich bin sicher, dass wir sie haben) wir äußern sie nicht! Es ist eben nicht mehr opportun, eigene, nationale Interessen zu vertreten, wie das die USA und Russland tun.
Und so pochen wir Deutschen auf das Völkerrecht, ohne recht zu verstehen, wieso das verbieten sollte, das sich ein Land abspaltet; wir mögen Putins Eingreifen und die Präsenz russischen Militärs auf der Krim und in der Ostukraine nicht, auf die Seite Obamas mögen wir uns aber auch nicht schlagen, der Demokrat hin, Hautfarbe her der Präsident der USA ist, denen wir seit Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit steigender Ablehnung entgegengetreten sind. Und unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen lassen wir in denen der EU diffundieren.
Und jetzt, wo sich vier deutsche OSZE-Beobachter zusammen mit weiteren drei Kollegen in der Gewalt von offenbar prorussischen Separatisten befinden da haben wir nicht mehr in der Hand als Ermahnungen und leere Drohungen in Richtung der Separatisten und in Richtung Putin, von dem man annimmt, dass er seine Finger im Spiel hat.
Wäre es nicht mal an der Zeit, auch zu formulieren, was wir selbst eigentlich wollen? Oder sind wir da moralisch weiter als die anderen Staaten dieser Welt, die das mit größter Selbstverständlichkeit tun? Besteht unsere Politik nur (was für sich genommen nicht schlecht ist) aus moralischen Bewertungen? Unsere Politiker sind dazu gewählt, die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten wäre es da nicht an der Zeit, dass sie zumindest mal formulieren, was sie meinen, dass unsere Interesse in der Ukraine sind? Ob und wie man die dann verfolgt, bei dieser Frage kann dann wieder der moralische Gradmesser herhalten der ist alleine zur Beurteilung des Weltgeschehens aber wohl zu eng gefasst.
Ich warte noch auf die Bundeskanzlerin, die vor der Presse betont, operatives (neben noch zu benennenden strategischen) Ziel deutscher Außen- und Militär-(!)-Politik in der Ukraine sei es, die deutschen Beobachter wieder zurück zu holen und zu befreien. Selbst dazu kann man sich aber nicht durchringen kein Wunder, wenn sie und wir sogar von einem selbsternannten Provinzbürgermeister in der Ukraine nicht ernst genommen werden.
LePenseur
Daß Deutschland in der Sache der „OSZE-Beobachter“ ausgesprochen leise tritt (um nicht zu sagen: trippelt), könnte seinen Grund hierin haben. Nur mal so eine Vermutung …
Wolf
@Le Penseur hat Recht das ist ein Teil der Wahrheit, der andere ist bei S.Brzesinki, der grauen Eminenz hinter Obama, nachzulesen. Es geht um die Herrschaft über Europa, die Neuauflage des „Big Game „. Warum wir keine Interessen zu haben scheinen hat der Finanzminister vor längerer Zeit erklärt. “ Wir waren seit 1945 zu keinem Zeitpunkt souverän ! Punkt.