Haben Sie schon von den Brüdern Samwer gehört? Ich hatte den nicht eben unauffälligen Namen in der Tat schon mal gelesen, und wer gestern im Öffentlich-Rechtlichen ZDF die Sendung Frontal 21 Die große Samwer-Show (in der Mediathek zwischenzeitlich offenbar nicht mehr vorhanden) gesehen hat, der kennt sie jetzt auch. Neutral gesagt sind die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer Internet-Investoren. Der Bericht beschreibt eindrucksvoll das, oder besser ein Geschäftskonzept der Brüder: andere Geschäftsideen abzukupfern. Als Beispielhaft gilt das Internetauktionshaus Alando, bei dem man von eBay abgekupfert hat. Nachdem das Portal erfolgreich wurde, hat eBay es gekauft und den Samwer-Brüdern einen satten Millionengewinn beschert.
Im Umfeld Ihres Konzerns Rocket Internet ist am bekanntesten wohl der Online-Händler Zalando, der zwar offenbar noch nicht gewinnbringend arbeitet aber doch ein hohes Umsatzwachstum erreicht. Im Interview mit dem ZDF gibt Oliver Samwer an, dass derartige e-Business-Unternehmen einen Zeitraum von 5 bis 7 Jahren benötigen, bevor sie schwarze Zahlen schreiben. Er macht sich da offenbar keine Sorgen. Derzeit wird für Zalando und für Rocket Internet offenbar, die Samwers geben sich hier wie in anderen Fragen zugeknöpft, der kurzfristige Börsengang geplant. Investoren hat man bereits jede Menge aufgetan und möglicherweise sollen die Papiere auch nur am freien Markt gehandelt werden, bei dem es weniger gesetzliche Regulierungen gibt.
Rocket Internet schafft mit seinen Unternehmen laufend Arbeitsplätze, ganz überwiegend in Deutschland, erhält dafür teilweise auch Subventionen von Landesregierungen, die deren Ansiedelung fördern wollen. Steuerlich sind sie in Deutschland ansässig, nutzen aber die Möglichkeiten der EU und anderer Standorte, um die Steuerlast zu optimieren.
Das wäre mal in Kürze der Inhalt der gestrigen Sendung stellt sich die Frage: Warum schreibe ich das eigentlich? Ich müsste zurück fragen: Warum wird so was gesendet? Weil man eine Erfolgsgeschichte deutscher Unternehmer portraitieren wollte (deren langfristiger Erfolg allerdings noch nicht gesichert ist)? Um junge Menschen in ihrem Unternehmenswillen zu ermutigen? Doch nicht im deutschen ÖR-Fernsehen!
Der Bericht versuchte investigativ zu sein, arbeitete mit Andeutungen ich will es mal plakativ sagen: Die Frontal-21-Autoren versuchen, den Samwers ans Bein zu pinkeln, und das einerseits maximal erfolglos, andererseits haben sie ihr Ziel vielleicht doch erreicht:
Da werden andere Internetpioniere befragt, die die Geschäftspraktik der Samwers, das Kopieren, Vermarkten und gewinnbringende Veräußern fremder Geschäftsideen, als wenig freundlich, nicht innovativ und für sie (also die anderen) geschäftsschädigend beschreiben. Illegal war das alles aber offenbar nicht! Da wird der ursprüngliche Gründer von StudiVZ befragt, der sich von den Samwer-Brüdern und deren Geschäftspartnern über den Tisch gezogen fühlt. Illegales haben sie aber offenbar nicht getan. Da werden Wirtschaftsprofessoren befragt, die die Subventionspolitik der betreffenden Bundesländer für fragwürdig halten (Abstauberei ist ein Begriff der gefallen ist) an der Berechtigung Zalandos/Rocket Internets zum Erhalt solcher Subventionen gibt es aber offenbar keinen Zweifel.
Natürlich Betroffene vor die Kamera zu zerren ist immer ein Argument fehlt auch nicht die Boutiquenbesitzerin, die angesichts der Online-Konkurrenz (wohl vor allem von Zalando) ihren Laden schließen muss, und berichtet, dass Kunden sich bei ihr beraten ließen, Produkte sogar fotografierten, um sie dann bei Zalando zu kaufen. Und wie ein Kontrast dazu wirkt die Liste der Investoren für den Börsengang in der auch spooky der Clan von Silvio Berlusconi auftaucht.
Das ganze wird eingerahmt durch Interviewausschnitte mit Oliver Samwer, der möglicherweise unsympathisch wirkt wie ich meine aber deshalb, weil er die beiden Redakteure Christian Esser und Birte Meier ob ihrer halbgaren Fragen einfach nicht ernst nimmt. Ehrlich gesagt habe ich mich zwischendurch gefragt, warum er die beiden nicht einfach rausgeschmissen hat, stattdessen blieb er bis zum Schluss freundlich, wenn man ihm auch ansehen kann, dass er mit den beiden anschließend sicher kein Bier trinken gegangen ist.
Der geneigte Zuschauer wird also den Eindruck gewonnen haben, es mit einem zwar legalen aber doch irgendwie zwielichtigen Unternehmen zu tun zu haben und das nur, weil es sich um ein erfolgreiches Unternehmen handelt, das sich gegen Wettbewerber durchgesetzt hat, Subventionen in Millionenhöhe erhält, und dabei in Kauf nimmt, dass kleine Konkurrenten pleite gehen. Böse, böse Unternehmen dieses Fazit wird auch von einigen Interviewpartnern des Berichts gezogen: Rocket Internet und die Samwer-Brüder seien böse.
Nun kann ich nichts darüber sagen, was die Samwer-Brüder mit ihrem Geld machen, ob sie Großspender unterstützenswerter Aktionen sind oder sich sonst irgendwo karitativ engagieren der Bericht macht dazu keine Aussagen. Ich weiß nicht, ob sie das Geld als ihren Götzen anbeten oder hinter dem finanziellen Erfolg auch eine ideelle Vision steckt, die man möglicherwiese moralisch bewerten könnte. Insofern verbietet sich mir eine moralische Einschätzung der Personen der Unternehmerbrüder wie sie sich aber auch den Autoren des Berichts verbieten sollte. Ich entnehme dem Bericht, dass ich mit Rocket Internet wenn ich in der gleichen Branche tätig wäre nur mit ganz langen Fingern ins Geschäft kommen wollte und Verträge sehr genau prüfen, mich auf ihr Wort nur bedingt verlassen würde. Gleiches gilt aber auch für die meisten anderen Unternehmer, die ich nicht persönlich kenne und deren innere Einstellung ich darum noch weniger beurteilen kann, als bei Freunden.
Die Samwer-Brüder mögen nicht die nettesten Leute dieses Planeten sein, vielleicht würde ich sie persönlich lieber nicht kennenlernen aber alles, was man ihnen im ZDF-Bericht nachweisen konnte, war, dass sie erfolgreich sind und sich im Rahmen der Gesetze und zuweilen fragwürdiger, aber wer hat das zu verantworten? staatlicher Subventionspolitik bewegen. Das mag reichen, um die Neidgefühle der Zuschauer anzusprechen, was offenbar beabsichtigt war (und moralisch in der Tat verwerflich wäre) aber es reicht nicht, um die Unternehmer moralisch abzuwerten. Und wenn ich in mich hineinhorche: Dass sich ausgerechnet zwei von Zwangsgebühren finanzierte Autoren eines Staatssenders über Subventionen beschweren, lässt meinen Blutdruck wesentlich mehr steigen als die Geschäftspraktiken der Samwer-Brüder.