Vor ein paar Tagen hatte ich einen Beitrag zum Lebensrecht formuliert, in dem es unter anderem darum ging, dass wir als Lebensschützer auch eine Verantwortung dafür tragen, ob unsere Botschaft ankommt. Plastischer gesagt: Frauen, die abtreiben wollen, mit dem Argument Abtreibung ist Mord und Bildern von zerstückelten Embryonen zu kommen erscheint mir maximal kontraproduktiv, weil es die Dialogbereitschaft gegen null tendieren lässt, was wiederum zu einer Verhärtung der Fronten führt. Wer weiß, und da fordere ich nicht nur andere sondern auch mich selbst zur Reflexion auf, wie viele Kinder nicht gerettet sondern abgetrieben wurden, weil wir als Lebensschützer nicht die richtige Ansprache gefunden haben?
Man kann zwar immer noch sagen, dass es ja nicht wir waren, die das Kind getötet haben, aber wenn ich am Ende meines Lebens gefragt werde, ob ich wirklich alles getan habe, um diese Kinder zu retten ich bin nicht sicher, ob ich dann nicht kleinlaut werden muss, trotz aller Blogbeiträge, Gespräche oder Teilnahmen am Marsch für das Leben. Auf den konkreten Fall bezogen hat mich dabei der Ansatz des Projekts 1000plus überzeugt, den Kristijan Aufiero im Interview mit mir auf dem Papsttreuen Podspot wiedergegeben hat. Kurz gesagt: Mit einer Frau, die eine Abtreibung plant, kann man nicht über das Lebensrecht oder über Abtreibung als Mord diskutieren, sie steckt vermutlich in einer persönlichen, vielleicht finanziellen, vielleicht aber auch ganz anders gelagerten Zwangslage, in der ihr Hilfe angeboten werden muss. SO rettet man Leben, nicht indem man diesen Frauen auch noch Vorwürfe wegen ihrer Überlegungen zur Abtreibung macht.
Etwas anders sieht es aus, wenn man sich vom konkreten Fall löst und auf die Lobbygruppen schaut, die sich für ein Recht auf Abtreibung stark machen. Hier geht es eben gerade nicht um den Einzelfall sondern um politische Einflussnahme. Welchen Hintergrund die handelnden Personen in solchen Gruppen, wie sie sich jetzt zur Gegendemonstration gegen den Marsch für das Leben rüsten, haben, vermag wohl niemand im Detail zu sagen es scheint aber, so jedenfalls die entsprechenden Reaktionen, durchaus eine persönliche Betroffenheit vorzuherrschen. Man mag das ablesen aus einer Antwort der Landesvorsitzenden der Linkspartei in Thüringen auf eine Einladung des Vorsitzenden des Bundesverbandes Lebensrecht, Martin Lohmann, zum Marsch für das Leben. Kath.net gibt die Mail wie folgt wieder:
Ihren antifeministischen, antiemanzipatorischen und konservativen Dreck können Sie gerne behalten! Wir verbitten uns für die Zukunft weitere Mails Ihres Verbandes und hoffen inständig, dass Ihnen das Bündnis gegen den Marsch für das Leben am 20.September ordentlich in die Suppe spuckt.
Martin Lohmann nimmt im kath.net-Interview dazu Stellung und ich muss zugeben, es schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Einerseits sehe ich das Bemühen des Bundesverbandes Lebensrecht, den Marsch für das Leben in Berlin zu etablieren und darum alle politischen Vertreter guten Willens dazu einzuladen. Andererseits ist eine negative Reaktion der Linken keine wirkliche Überraschung wenn auch der Tonfall bestenfalls als unangemessen zu bezeichnen ist.
Ob aber ein solcher Kommentar Lohmanns in dieser Situation der Eskalation hilfreich ist?
Da lugt Böses aus solchen Worten einer Politikerin heraus. Hass ist eine Verbrüderung mit dem Bösen, gleichsam die Gefangennahme durch das Böse. Und Hass ist immer böse. Es sei denn, man hasst die Sünde, also das Böse. Ich habe keine Ahnung, was solche Leute wie diese Abgeordnete treibt, so weit nach unten zu rutschen. [ ]
Die Worte, die man uns da gegen jede Regel des Anstands und weit unter Niveau entgegenschleudert, zeugen leider von der Gefangenschaft in Intoleranz und hasserfüllter Verachtung. Und das ist alles andere als gesund.
Martin Lohman sagt es selbst: Niemand weiß, was die Abgeordnete (oder ihr Sekretariat) zu einem solchen Schreiben veranlasst hat, zu dem es durchaus Alternativen gegeben hätte, und sei es das Zelebrieren des Shredderns der Einladung. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Womöglich gibt es einen zumindest psychologisch nachvollziehbaren Grund für diesen Ausbruch, der dann wiederum eine andere Reaktion erfordert hätte, als die theologische Assoziation mit dem personifizierten Bösen und dem Hass und die Pathologisierung der Position. Es mag richtig sein, was Lohmann hier sagt aber ist es hilfreich für die ungeborenen Kinder?
Und durch die Veröffentlichung des Mailverkehrs verlässt das ganze auch den Rahmen des quasi-privaten Gesprächs, in dem es hätte bleiben können. Die Ablehnung der Positionen der Lebensrechtsbewegung mit dem Argument, dies sei böse zu beantworten ist davon bin ich überzeugt in der Sache richtig, verhärtet aber nun nicht nur das Herz der betreffenden Politikerin sondern auch das der anderen Pro-Choice-Lobbyisten und womöglich derjenigen Menschen, die sich noch kein Bild gemacht haben. Anders gefragt: Gewinnt man durch die Aussage Da lugt Böses aus solchen Worten heraus Menschen für die Sache des Lebens?
Ich bin wirklich immer wieder beeindruckt und auch dankbar dafür, wie Martin Lohmann in den Medien katholische Positionen vertritt, ob gelegen oder ungelegen. Er hält damit auch den offiziellen Vertretern der Kirche einen Spiegel vor, die sich bei Talkshowanfragen zu diesen und anderen Themen entweder höflich zurückhalten oder sich gänzlich kontraproduktiv auch noch liberal geben. Außerdem muss ich zugeben, dass mich Antworten wie die der Linken-Politikerin wütend und ratlos hinterlassen angesichts der offensichtlichen Ablehnung jeder Argumentation und des sich darin in der Tat wiederspiegelnden Hasses, der auch den Teilnehmern des Marsches für das Leben am kommenden Samstag wieder entgegen schlagen wird.
Trotzdem: Recht haben und das Richtige sagen sind zwei verschiedene Paar Schuhe! Die mit der Reaktion weiter angefachte Diskussion über den offensichtlichen Ausraster einer Linken-Politikerin, dessen Hintergrund wir alle nicht kennen, rettet so meine Überzeugung kein ungeborenes Leben sondern gefährdet es durch eine zusätzliche Eskalation. Es ist vielleicht unfair aber dennoch nicht zu ändern: Wo die Feinde des Lebensschutzes wild um sich schlagen, sind wir als Lebensschützer zur auch mehrfachen Reflexion der Wirkungen unserer Aussagen moralisch verpflichtet und dazu, auch mal nur die Faust in der Tasche zu ballen.
Hinweis: Am kommenden Samstag findet der Marsch für das Leben statt. Der ist abgesehen von der Anfangskundgebung konzipiert als Schweigemarsch. Mir scheint das genau die richtige Art zu sein, eine Antwort auf die tobende Gegnerschaft des Lebens zu geben.