Bei Facebook Freunde und Feinde zu unterscheiden, ist gar nicht so einfach. Aber eins ist sicher: Wer entfreundet will kein Freund sein!
Freunde zu haben wird einem heute wirklich leicht gemacht: Man melde sich auf Facebook an, gebe sich ein einigermaßen passables Profil und kontaktiere den einen oder anderen Promi, Journalisten oder auch tatsächlichen Freund. Parallel kann man sich auch einfach in Facebookgruppen anmelden und dann dort nach und nach Mitgliedern Freundschaftsanfragen stellen. Die meisten werden positiv reagieren, die wenigsten lehnen Freundschaftsanfragen ab, insbesondere dann nicht, wenn man nicht auf seiner eigenen Seite zu abwegige Statements abgeben hat. Erhalte ich zum Beispiel Freundschaftsanfragen von Leuten, die ich nicht kenne, schaue ich mir deren Kontakte an, frage (bei erheblichen Zweifeln) bei mir bekannten Kontakten nach, und bestätige die Anfrage ansonsten und schaue dann noch mal über die Postings des neuen Freundes.
Dieses Vorgehen hat einige Auswirkungen auf mein eigenes Postingverhalten: Wenn ich einen Großteil derjenigen, die meine Beiträge ungebremst lesen können, gar nicht persönlich kenne, dann halte ich mich mit allzu Privatem eher zurück. Für mich ist Facebook auch ein Medium der Kommunikation dieses Blogs, daher halte ich es wie oben beschrieben; andere sind hinsichtlich der Zusage von Freundschaftsanfragen deutlich restriktiver, dafür dann weniger besorgt, was sie im Einzelnen posten die wirklichen Freunde werden es schon einzuschätzen wissen.
Was ich damit sagen will: Nicht jeder, der auf Facebook als mein Freund dokumentiert ist, ist auch ein wirklicher Freund, viele sind einfach nur interessiert an dem, was ich so schreibe und umgekehrt bin ich auch bei vielen nur an dem interessiert, was sie schreiben, unabhängig davon, ob ich ihnen im Einzelnen zustimme oder mich gar als einen wirklichen Freund begreife. Das wiederum ähnelt dem realen Leben: Ich habe Freunde, die in mancher Hinsicht die gleiche, in anderer Hinsicht eine von meiner abweichende Meinung haben. Wir sind dann Freunde, was aber nicht bedeutet, dass ich hinter allem stehe, was der so von sich gibt.
Umso mehr gilt das für Facebookfreundschaften, die oft nicht mehr als Online-Kontakte sind. Publiziert ein solcher Kontakt etwas mir eigenartig Erscheinendes ist das noch kein Grund, die Freundschaft zu lösen (was noch schneller geht als das Eingehen einer Freundschaft); das wäre erst ein späterer Schritt, wenn es mir selbst zu blöd wird, das zu lesen, was derjenige so schreibt. Das hat aus meinem Umfeld bislang nur wenige getroffen und ich nehme an, viele halten es ebenso, denn trotz manchmal strunzkatholischer und manchmal politisch polarisierender Beiträge haben mich bislang nur wenige Facebooker entfreundet.
Keine Rolle spielt dabei für mich, ob meine anderen Freunde, das, was dieser Freund postet, negativ bewerten. Ein Freund eines Freundes muss kein Freund sein sowenig wie der Feind eines Feindes ein Freund sein muss (ich wundere mich immer wieder, wer meiner Freunde mit Menschen befreundet ist, die ich am liebsten von hinten sehe und umgekehrt wird es vermutlich auch so aussehen).
So wie oben beschrieben halte ich es, und ich nehme an, nicht wenige werden es genau so tun. Ob aber eine solche Facebook-Freundschafts-Politik noch lange haltbar sein wird, darf man sich angesichts der Diskussionen der vergangenen Wochen durchaus fragen. Dabei ging es nicht um Freundschaften, aber um Likes also das Gefällt-mir-Klicken auf Beiträgen und Seiten. Bei letzteren ist es nicht selten so, dass man ein Like zum Beispiel bei Facebookseiten von Zeitungen und Magazinen setzt, um über Aktualisierungen auf dem Laufenden gehalten zu werden. Da liked dann der eine oder andere zum Beispiel den Spiegel oder die Bild, ohne damit zum Ausdruck bringen zu wollen, dass er die Zeitung wirklich mag, schon gar nicht, dass er alles gut findet, was sie so schreiben.
Fragt also jemand bei mir nach einer Freundschaft nach, dann kann ich von dessen Like zum Spiegel kaum auf seine politische Gesinnung schließen. Der Spiegel ist eines der meinungsbildenden Magazine in Deutschland, als politisch interessierter Mensch wäre es sträflich, sich dort nicht ab und zu umzusehen um sich auf dem Laufenden zu halten. Gut, dass es die Online-Medien gibt, dann muss ich mein Interesse der Redaktion nicht noch durch das Bezahlen eines Kaufpreises vergolden. Etwas anders sieht es da schon bei politischen Parteien aus: Man müsste es mal nachprüfen, aber ich kann mir nicht recht vorstellen, dass ein Parteimitglied der Linken die Facebookseite der CDU liked, und sei es nur aus Interesse an deren Veröffentlichungen. Möglicherweise tut man sowas eher mit einem Inkognito-Profil, was aber bei einem Privatmenschen schon ein Maß an Engagement voraussetzt, dass sicher nicht in der Breite angetroffen wird. Trotzdem: Nicht jeder, der die Seite der Linken oder der AfD liked ist ein echter Sympathisant, Wähler oder gar Mitglied. Vielleicht besteht im Durchschnitt ein wohlwollendes Interesse, auf mehr wird man aber kaum schließen können.
Und jetzt fordern einen manche Medien auf, den eigenen Freundeskreis nach Anhängern der Aktion Pegida zu durchstöbern. Dabei baut man darauf, dass diejenigen, die die diversen Pegida-Seiten geliked haben, auch Anhänger seien. Wie oben beschrieben ist das aber ein Trugschluss. Unter den Pegida-Likern wird es Teilnehmer an den Demonstrationen geben, es werden sich Islamkritiker genau so wiederfinden wie Islamhasser, es werden die Verteidiger des deutschen Asylrechts wie deren Kritiker von links wie von rechts dort zu finden sein. Kurz: Findet man einen Freund, der Pegida geliked hat, weiß man noch nicht, was der genau von der Aktion hält.
Und dann hat man die wesentliche Frage noch gar nicht gestellt: Warum sollte ich jemanden entfreunden, der sich als Anhänger von Pegida entpuppt? In den Medien wird in Teilen so getan, als habe man es mit einem Haufen Rechtsextremer zu tun, sich Woche für Woche in Dresden aufmarschieren. Dabei sind die Demonstrationen im Gegensatz zu sagen wir mal 1.-Mai-Kundgebungen etwas vom friedlichsten, was deutsche Demonstrationskultur zu bieten hat. Ja, da werden auch Leute mitlaufen, die sich außerhalb des Verfassungsrahmens bewegen und ich selbst habe wenig Neigung, einen wirklichen Rassisten in meinem Freundeskreis sei es im realen Leben oder sei es in Facebook zu dulden. Nur: Es sind dort eben offenbar in der Mehrheit nicht Rassisten und Islamhasser unterwegs, sondern Bürger, die sich in die sie betreffende Politik einmischen, eine echte Zivilgesellschaft, nur anders, als sich dessen linke Protagonisten sich das vorgestellt haben.
Wenn jemand aus meinem Facebook-Freundeskreis mit Überzeugung Deutschland den Deutschen Ausländer raus! von sich gäbe, wäre er schnell entfreundet. Bei einem Pegida-Fan sähe ich diese persönliche Konsequenz in keiner Weise als notwendig an. Damit steht dann aber die Frage im Raum: Was ist man für ein Mensch, wenn man mit Pegida-Fans befreundet ist? Der Logik der Pegida-Entfreunder zur Folge müsste man annehmen, dass es sich auch dabei um Pegida-Anhänger, mithin Rassisten und Islamhasser, kurz Rechtsextremisten handelt. Ein solcher Mechanismus zeichnet sich ab, und den Begriff dafür kennen wir aus den deutschen totalitären Erfahrungen (zur echten Meisterschaft hat es dabei übrigens der DDR-Unrechtsstaat gebracht): Zersetzung!
Nein, ich werde trotz Sympathien für einzelne Forderungen und trotz mehrfacher Einladungen die Pegida-Gruppen nicht liken. Aber ich werden auch niemanden entfreunden, nur weil er Pegida geliked, er sonst eine nicht opportune oder mir nicht genehme politische Richtung gutheißt oder könnte man als Katholik ja auch überlegen Mitglied einer anderen Religion oder Atheist ist. Und ich werde auch weiterhin meine Likes nach meinem persönlichen Gefallen und manchmal auch meinem Interesse verteilen. Wer mich deshalb entfreundet: Gute Reise ins soziale Elfenbeinghetto, wir waren wohl nie wirkliche Freunde!