Man kann sich herrlich über Papst Franziskus aufregen. Ob seine Art damit so angemessen ist, darf man fragen, sollte dabei aber auch in den Spiegel schauen.
Der Papst hat es geschafft: Seine Weihnachtsansprache an die römische Kurie ist Aufmacherthema von Tagesthemen und Heute Journal. Weiter nach oben rutschen kann man in der Agenda nicht. Der Grund für diesen neuerlichen Hype ist allerdings nicht die Abkehr von irgendeiner vom Mainstream als überkommen angenommener Glaubenslehre sondern eine Standpauke, als die sich die Ansprache herausstellte.
Die Ansprache ist bei kath.net wiedergeben, nicht im vollständigen Wortlaut aber doch umfassender als es die Medien sonst so tun. Dadurch relativiert sich auch die eine oder andere prägnante Wortwahl, aber man kann es drehen und wenden wie man will: Es bleibt eine Standpauke, und zwar eine, die sich gewaschen hat. Medial werden mangelnde Demut, Machtversessenheit oder „geistliches Alzheimer“ natürlich auf die konservativen Bischöfe gemünzt. Denen habe der Papst mal wieder die Leviten gelesen. Man kann aus den Worten aber durchaus auch eine Kritik an der Gefallsucht und an der Verweltlichung lesen was dann wohl eher eine Kritik an progressiven Bischöfen entspräche.
Und natürlich wird in den einschlägigen Foren darüber diskutiert, ob ein solches Abwatschen des eigenen Stabes, öffentlich und auch noch zu dem Anlass, angemessen sei. Da gibt es heute zig bis hunderte Experten, die es besser gemacht hätten als Papst Franziskus und die nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass Papst Benedikt sich nie so geäußert hätte. Letzteres glaube ich in der Tat auch, wenn ich auch den Schritt nicht gehe, den manche hier als Kontrast zwischen den beiden Päpsten aufbauen, Franziskus wäre der „Haudrauf“ während Benedikt der milde Diplomat gewesen sei. Hart in der Sache sind beide, in der Wortwahl sicher unterschiedlich.
Man kann sich also trefflich darüber streiten, ob diese Ansprache so geschickt oder doch eher kontraproduktiv war, ob sie strategisch und taktisch klug war oder eher ein unüberlegter Ausbruch mit unabsehbaren Konsequenzen, ob sie sprachlich angemessen oder eher beleidigend, im Kern treffend oder zu pauschalierend war. Wie gesagt: Zig bis hunderte Experten, und ich habe eine Meinung dazu, die muss ich aber nicht auch noch in die Welt pusten.
Interessanter scheint mir aber ein Aspekt, der völlig untergegangen ist, und den Armin Schwibach auf kath.net dankenswerterweise wiedergegeben hat. Er zitiert den Papst mit folgender Einführung:
Diese „Krankheiten“ und „Versuchungen“ betreffen für Franziskus nicht nur die Römische Kurie, sondern „sind natürlich eine Gefahr für jeden Christen und für jede Kurie, Kongregation, Pfarrei, kirchliche Bewegung“. Es wäre schön, an die Römische Kurie als „ein kleines Modell der Kirche“ zu denken, das heißt: wie an einen Leib, der ernsthaft und Tag für Tag danach trachte, lebendiger, gesunder, harmonischer und geeinter mit sich und mit Christus zu werden. Der „Katalog der Krankheiten“ solle dabei helfen, sich auf die Beichte vorzubereiten.
Das hört man natürlich ungern. Schließlich hat jeder, der sich für „Kirchens“ interessiert bei den aufgelisteten „15 Krankheiten und Versuchungen“ ein Bild vor Augen, wer gemeint sein könnte. Im Zweifel und pauschal gesagt: Die Anderen! Nehmen wir den Papst aber ernst, dann stellt er mit dem Katalog einen Beichtspiegel für das geistliche Leben für jeden von uns vor. Und so wie ich jeden Beichtspiegel missbrauchen kann, um den Splitter im Auge des anderen zu finden, so besteht seine eigentliche Anwendung im Auffinden des Balkens im eigenen Auge in der Beichtvorbereitung.
Da darf ich mich also fragen, inwieweit die Punkte mich selbst treffen, inwieweit ich
- mich selbst für unsterblich und unverzichtbar halte
- durch „Marta-istische“ Aktivitäten die Betrachtung vernachlässige
- mental und spirituell versteinert bin
- exzessiv plane statt zu handeln
- mich schlecht mit anderen koordiniere
- von geistlichem Alzheimer getroffen bin, und in Abhängigkeit von meinen eigenen Vorstellung lebe
- mich von Rivalität und Eitelkeiten beeinflussen lasse
- ein geistliches schizophrenes Doppelleben führe
- Geschwätz und Tratsch auslebe
- meine Oberen (wer immer das sein mag) vergöttliche
- gleichgültig anderen gegenüber bin
- ein „Gesicht wie bei einer Beerdigung“ mache
- Materielle Güter anhäufe
- mich in geschlossene Kreise und Grüppchen einigele
- den weltlichen Profit und die Macht anbete
(das alles nur als Kurzform der weiter erläuterten Liste)
Und wie bei den meisten Beichtspiegeln: Nach einem kurzen Blick darauf, dass „Andere“ viel schlimmer sind, stelle ich meine eigene Mängelliste fest. Und die kann ich nicht auf den Papst schieben, der mir die unangenehme Frage gestellt hat, nicht auf Gott, der mich bei der Beantwortung der Frage ansieht und auch nicht auf den Priester, der mir die Absolution erteilen soll. Ich muss meine geistlichen Krankheiten von Gott kurieren lassen, dazu gehört die eingehende Diagnose, also die Gewissenserforschung, die Reue und Buße und eben die Beichte mit der Vergebung Gottes.
Nirgendwo habe übrigens ich gelesen, dass der Papst diese Liste, diesen Beichtspiegel nicht auch auf sich selbst anwendet. Er zeigt Versuchungen, Gefahren und Missstände auf und jeder, ob Kurienmitarbeiter oder einfacher „Apostel“, und auch der Papst, sollte sich aufgefordert sehen, in den Spiegel zu schauen und zu betrachten, was auf ihn zutrifft. Und mal ganz ehrlich: Gibt es da keinen Punkt, bei dem ich besser werden könnte? Na also!
IMST
Das Pontifikat Franz I. gerät immer mehr zu einer Katastrophe geistlicher Mittelmäßigkeit. Die ewiggleichen, Ewiggestrigen spielen ihr Revolutionskasperle. Was sie wollen und fordern, ist mit der Lehre unserer Kirche schlicht und einfach nicht vereinbar. Sie belügen sich selbst und andere, wenn sie anderes behaupten. Hier und da werden kluge und fromme Köpfe beseitigt versetzt und … ach, ist egal!
Papsttreuer
Bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht vorher zum Antworten gekommen bin. Wie Sie sich denken können, teile ich den Pessimismus nicht. Klar ist, und wer wollte das bestreiten, dass das Pontifikat von Franziskus anders ist, als das von Benedikt XVI., ich kann aber – allen Unkenrufen aus der „konservativen Szene“, zu der ich mich eigentlich zugehörig fühle, zum Trotz – keine Abkehr von der katholischen Lehre entdecken, auch und besonders nicht in der Familien“politik“. Vielleicht werde ich in der Synode 2015 eines Besseren belehrt, ich werde aber weiterhin nicht so tun, als wüsste ich besser, wohin der Papst tendiert als es seine Worte erkennen lassen.
Ihnen noch eine gesegnete Weihnachtszeit!