Der Gender Pay Gap wird auch nicht dadurch wahrer, dass er immer wieder behauptet wird. Dabei gehen wesentliche Themen zu Lasten der Schlechtbezahlten unter.
Wer immer noch glaubt, dass es einen Gender Pay Gap gibt, dem ist nicht zu helfen oder er argumentiert mit ideologischen Zielen. Jetzt geistern gerade wieder – angesichts des am 20. März bevorstehenden „Tages der Entgeltgleichheit“ – Zahlen durch die Welt, denen man entnehmen können soll, Frauen verdienten ganz pauschal 22 % weniger als Männer. Das habe schließlich das Statistische Bundesamt ermittelt und dann muss es ja wohl stimmen. Und in der Tat: Frauen verdienen durchschnittlich 22 % weniger als Männer – nur die Gründe lässt man dabei tunlichst außen vor, sonst könnte man ja argumentativ ins Straucheln geraten.
Ein Beitrag auf „Science Files“ macht deutlich, welche Faktoren alle aus dieser Zahl nicht herausgerechnet werden, hier nur ein kurzes Zitat:
- Lohn ist eine Funktion von Arbeit: Wer mehr arbeitet, hat mehr Lohn;
- Lohn ist eine Funktion von Qualifikation: Wer qualifizierter ist, erhält mehr Lohn;
- Lohn ist eine Funktion von Nachfrage: Wessen Tätigkeit mehr nachgefragt wird, der erhält mehr Lohn;
- Lohn ist eine Funktion von Sonderzahlungen z.B. wegen gefährlicher Tätigkeit, Schichtarbeit, Überstunden uvm: Wer mehr Anlass zu Sonderzahlungen gibt, der erhält mehr Lohn.
Der Grund, warum all diese Aspekte nicht zumn Tragen kommen, mag darin liegen, dass sie extrem schwer zu quantifizieren sind. Es kann aber auch daran liegen, dass man gar kein politisches Interesse an der Quantifizierung hat, schmilzt doch nach Presseberichten der „Gender Pay Gap“ schon nur bei Berücksichtigung von gleichem Beruf und Qualifikation auf 7 % zusammen. Der Rest ist dann schnell erklärt durch Ausfallzeiten, durchschnittlich höherer Anteil von unterdurchschnittlich nachgefragter und damit bezahlter Teilzeit etc.pp. Will aber natürlich niemand wissen, sonst wäre die schöne Zahl 22 % oder „mehr als ein Fünftel“ ja nicht mehr benutzbar.
Solche Pauschalierungen verdecken aber wesentlich entscheidendere Fragestellungen, die gesellschaftlich von höherer Relevanz sind als ein eingebildeter Geschlechterunterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen. Schließlich gibt es ja Berufe, die überwiegend von Frauen wahrgenommen werden, die wenn nicht eine hohe Qualifikation dann doch eine hohe Einsatzbereitschaft erfordern, die auch allgemein anerkannt sind, nachgefragt und wertgeschätzt werden … und trotzdem schlecht bezahlt sind, auch wenn sie von Männern ausgeführt werden. Wer mal erlebt hat, mit welchem persönlichen Einsatz Pflegekräfte unterwegs sind, zu welchen Zeiten dort unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, wer die Hilfe dieser (überwiegend) Frauen mal in Anspruch nehmen musste und sich anschließend dankbar zeigt, für das eingesetzte Herzblut – der wundert sich, warum solche Jobs eigentlich so schlecht bezahlt sind.
Und schnell sind wir dann dabei, mit dem Finger auf privatisierte Krankenhäuser zu zeigen (als ob es die in Deutschland überhaupt gäbe), auf den bösen Kapitalismus, der nur leider in gerade dieser Branche überhaupt keinen Einfluss ausübt. Es gibt wohl in Deutschland kaum noch eine Branche, die so durchreguliert und so wenig marktwirtschaftlich organisiert ist wie Medizin und Pflege. Und gerade hier stellen wir fest, dass uns das Gehaltsgefüge „unnatürlich“, weil den oben beschriebenen Kriterien diametral entgegengesetzt erscheint. Stark nachgefragte ärztliche Leistungen vor Ort … und niedergelassene Ärzte, die am Monatsende kaum noch wissen, wie sie ihre Angestellten bezahlen können. Hochnotwendige Pflegeleistungen in einer immer älter werdenden Gesellschaft … und (geschlechtsübergreifende) Pflegegehälter, die einem das Wasser in die Augen treiben. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches sondern auch ein moralisches Problem, wenn Menschen in einer so notwendigen Branche von ihrem Gehalt nicht mehr leben können.
Wenn also im Blick auf einen angeblichen Gender Pay Gap nach staatlicher Regulierung gerufen wird, dann macht man lediglich den Bock zum Gärtner. Was allerdings wiederum kein Wunder ist: Schließlich bezahlen wir Ärzte und Pflegekräfte nicht nach ihrer Leistung oder unserer Wertschätzung für ihre Tätigkeit sondern haben aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen einen Anspruch auf ihre Leistung. Wenn wir schon bezahlt haben, muss es ja ein böses kapitalistisches System sein, dass das Geld in die falschen Kanäle fließen lässt. Da ist sogar was dran, allerdings ist es nicht ein kapitalistisches sondern ein etatistisches und sozialistisches System, in dem das Geld versickert.
Auf einen „Tag für gerechtere Bezahlung“ werden wir aber noch eine Weile warten müssen – wer nachfragt, wird sonst womöglich darauf stoßen, dass gerechte Gehälter, auch unabhängig vom Geschlecht, in einem Sozialstatt wie unserem gar nicht vorgesehen sind, der mag auch feststellen, dass ein Markt wesentlich gerechter entlohnt als staatliche Behörden, ein differenzierter Gesundheitsmarkt zum Beispiel wesentlich gerechter entlohnen würde als der monopolistische Nannystaat regulieren kann.