Quo vadis, Bistum Essen?

Lesezeit 4 Minuten

Wenn sich in der Beurteilung eines Papiers aus dem Bistum Essen alle einig sind, auch unter uns im „Heerlager“ der Konservativen, ist Vorsicht geboten!

In katholischen Kreisen ging die Meldung herum wie ein Lauffeuer. So berichtet unter anderem – aber nicht nur – kath.net (sonst bekanntermaßen von mir sehr geschätzt):

Bistum Essen möchte Segensfeier für Homo-Paare

Das Bistum Essen möchte eine Segnungsfeier für homosexuelle Paare. Diese bizarre Forderung an den Vatikan hat das Bistum am vergangenen Wochenende veröffentlicht. Ein solcher Schritt erscheine laut eine Presseaussendung des Bistums als „folgerichtig und glaubwürdig“ angesichts der immer wieder aufgestellten kirchlichen Forderung nach einer „Nichtdiskriminierung“ homosexueller Menschen. Auch bei anderen Moralfragen ist das Bistum offensichtlich nicht mehr an der Lehre der Kirche interessiert. Mit Blick auf das Thema Empfängnisverhütung möchte man eine Öffnung der kirchlichen Aussagen für „andere moraltheologische Positionen“. […]

Misstrauisch werde ich bei solchen Berichten immer dann, wenn die Quelle nicht verlinkt ist. Das machen Mainstreammedien gerne mit Zitaten konservativer Kirchenvertreter, die sie aus dem Zusammenhang reißen um sie zu desavouieren. Darum fuchst es mich, wenn auch aus dem „Heerlager“ der Konservativen ähnliche journalistische Kniffe angewandt werden, um einen Skandal heraufzubeschwören, den es so nicht gibt – zumindest noch nicht! Denn liest man die Mitteilung auf der Seite des Bistums Essen (der Link existiert leider zwischenzeitlich nicht mehr), sieht die Sache schon ein wenig anders aus. Das kolportierte Dokument ist eine Zusammenfassung der Antworten auf eine Umfrage des Vatikans in Vorbereitung auf die Familiensynode im Herbst. Eingegangen sind darin „im Internet beantworteten 14 Fragebögen sowie Stellungnahmen des Diözesanrates der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen, des Vorstandes des Katholikenrates Mülheim und der Antworten aus dem Priesterrat und dem Ordensrat im Bistum Essen“.

Dass das eine beschämend geringe Datengrundlage dafür ist, ein Stimmungsbild des Bistums wiederzugeben, ist sicher nicht zu bestreiten. Umgekehrt wird aber aus dem Umstand auch kein Geheimnis gemacht, er findet sich direkt auf dem Titelblatt der Zusammenfassung dokumentiert. Kein Hehl gemacht wird auch aus der Tatsache, dass es sich bei dem Dokument um eine „Zusammenfassung der Antworten“ handelt. Da stellt sich zwar einerseits die Frage, ob sich aufgrund der geringen Teilnehmerzahl eine Zusammenfassung erstellen lässt, es wird aber auch deutlich, dass es sich bei dem Papier mitnichten um ein Positionspapier des Bistums oder gar des Bischofs handelt. Es ist was es ist: Eine Zusammenstellung – möglicherweise gewichtet und bewertet – vorliegender, weniger Antworten auf den vatikanischen Fragebogen.

Drei kritische Themenbereiche seien auch herausgepickt, anhand derer man die Positionen noch einmal deutlich machen kann. So wird auf der Webseite des Bistums zum Thema Wiederverheiratete Geschiedene berichtet:

Es gehe nicht darum, die kirchliche Lehre zu relativieren, heißt es. Aber die Kirche „muss wieder eine barmherzige, zuhörende, zugewandte Kirche werden, die Schwache und Verletzte nicht ausschließt.“ Dies betreffe „auch kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, deren Ehe gescheitert ist“. Konkret fordert das Dokument, die Diskussionen über einen Sakramentenempfang Wiederverheirateter Geschiedener nicht aus der „Perspektive einer kirchenrechtlichen Sanktion“, sondern aus einer „Perspektive des Heilens“ zu führen. Unter anderem sollen „Möglichkeiten der Versöhnung“ geschaffen werden, die auch Wiederverheirateten Geschiedenen den Weg zum Kommunionempfang ebnen.
(Hervorhebungen im Original)

Zum Thema Verhütung heißt es:

Mit Blick auf das Thema Empfängnisverhütung ergab der Vatikan-Fragebogen, dass „die Plausibilität der kirchlichen Lehre fast gar nicht zu vermitteln ist“, heißt es in der Antwort. Hier scheine eine Öffnung der kirchlichen Aussagen „auf andere moraltheologische Positionen dringend erforderlich“.

Und zum Thema Segnung homosexueller Paare, das besonders viel Aufmerksamkeit auch in Medien der Homosexuellenlobby erregte:

Zudem wird in den Antworten für einen „Ritus der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren“ plädiert. Es habe auch einzelne Voten gegen eine solche Segnung gegeben. Dennoch erscheine ein solcher Schritt folgerichtig und glaubwürdig angesichts der immer wieder aufgestellten kirchlichen Forderung nach einer „Nichtdiskriminierung“ homosexueller Menschen, heißt es in dem Dokument. Eine Segnung homosexueller Paare „würde als ein Zeichen der Gerechtigkeit verstanden und würde nicht die Grundaussage aufweichen, dass die Ehe von Frau und Mann wegen ihrer Ausrichtung auf die Nachkommenschaft eine besondere Bedeutung hat und somit in besonderer Weise zu schützen ist“, wird betont.

Ich gebe zu, das klingt alles wie entnommen aus dem Handbuch des kleinen Kirchenreformers von „Wir sind Kirche“, und blättert man durch das Dokument kann man an der einen oder anderen Stelle schon mal den Konjunktiv vermissen (z.B. beim Thema Homosexellensegnung: „Dieser Schritt erscheint aber folgerichtig und glaubwürdig angesichts der immer wieder aufgestellten kirchlichen Forderung der „Nichtdiskriminierung“ homosexueller Menschen.“) wie er an anderer Stelle angebracht wird („Als pastoral unbedingt erforderlich wird benannt, die diskriminierende Formulierung „Menschen mit homosexuellen Tendenzen“ durch „homosexuell“ zu ersetzen. Homosexualität wird als ein Ausdruck für die Vielfalt Gottes und eine von Gott geschenkte Begabung benannt.“).

Letztlich stellt das Papier aber nur eine Antwort auf die gestellten Fragen des Vatikans dar. Und wer wollte bezweifeln, dass derartige Einstellungen unter „eingetragenen Katholiken“ mehrheitsfähig sind? Wird bei der Kritik am Bistum Essen, mit der unzutreffenden Formulierung, dass es deren Vorschläge wären, der Überbringer der Nachricht geköpft?

Ich weiß in Wahrheit nicht, wie die Gremien des Bistums Essen oder Bischof Franz-Josef Overbeck zu den Antworten stehen. Ich hatte letzteren eigentlich nie als besonderen Revoluzzer auf dem Schirm. Möglicherweise ist das Papier ein kleiner Versuchsballon, im Herbst in Rom für eine Richtungsänderung zu plädieren, vielleicht ist es aber auch nur eine schonungslose Bestandsaufnahme, was in deutschen katholischen Kreisen eigentlich „Common sense“ ist. Geht es um die Neuevangelisierung wird man an den Aussagen, die dort dokumentiert stehen, nicht vorbei kommen. Sie nicht in Richtung Rom zu kommunizieren, so zu tun, als stünden die Katholiken Deutschlands wie ein Mann hinter der Katechismus ist dagegen nicht nur unglaubwürdig sondern führt in der Diskussion im Herbst auch in eine falsche Richtung.

Verbreiten nun auch gut katholische Medien, dass es sich bei den Antworten um eine quasi-offizielle Position des Bistums handelt, verbaut man sich diesen Weg der Diskussion. Lehramtstreue Katholiken müssen viele der in dem Papier genannten Forderungen ablehnen. Das heißt aber nicht, dass wir – und die Bischöfe der Synode – uns nicht mit ihnen auseinandersetzen müssen. Skandalträchtiges Säbelrasseln hat oft seine Berechtigung, hier – so fürchte ich – geht der Schuss nach hinten los und werden notwendige Diskussionen vereitelt.

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