Kann einer, der erst acht Jahre verheiratet ist, einen Tipp für eine erfolgreiche Ehe geben?
100 Gründe, warum Ehen scheitern – irgendwie scheint es ein solches Werk, als Buch oder als Seminar, noch nicht zu geben, aber Gründe, warum eine Ehe scheitern kann, gibt es zuhauf. Und auch wenn man sich auf die Suche begibt, findet man Gründe. Für die Google-Suche „Warum Ehen scheitern“ erhält man nicht weniger als 118.000 Treffer. Dagegen „Warum Ehen gelingen“ – Tusch: 489.000 Ergebnisse! Die Suche nach dem gelingenden Rezept scheint umso wichtiger zu sein. Auch hier hilft eine kleine Google-Analyse: „Jede Ehe scheitert“ weist als Ergebnisse Berichte darüber aus, dass jede zweite oder jede dritte Ehe scheitert (mehr offenbar nicht, für weniger gibt es auch Quellen).
Wenn man gleichzeitig weiß, dass die meisten Menschen sich nichts mehr wünschen als eine stabile Beziehung voll Vertrauen, langfristig und als Basis einer Familie mit Kindern … da müsste doch die „Goldende Regel der Ehe“ reißenden Absatz finden. Tut sie aber in den meisten Fällen nicht. Da wird viel von der Partnerwahl gesprochen, davon, was Gleich sein sollte, davon, wo Differenzen okay sind, wie weit das Kennenlernen gehen sollte. Und es ist ja auch wahr:
Ein gläubiger Ehepartner zusammen mit einem Atheisten – das kann funktionieren, erscheint aber eher schwierig. Einfacher schon ein Bayern- und ein Schalke-Fan? Je nach Ausprägung der Fan-Kultur. Vertrauen ist wichtig, Eifersucht ist Gift. Gemeinsam reden muss man können – manche meinen auch, es sei wichtiger, schweigen zu können. Kommunikation auf „Augenhöhe“ wird jedenfalls hoch gepriesen. Den anderen, seine Vergangenheit, seine Macken und Vorzüge, seinen Hintergrund inklusive Familie, größere und vermeintlich kleinere Verletzungen, kennen – natürlich, das vermeidet Fallstricke.
Und trotzdem beobachte ich immer wieder Menschen, die vermeintlich gut zusammen passen, und trotzdem schlittert die Ehe oder die Beziehung in eine Krise. Kannten die sich nicht ausreichend? Waren die Grundlagen doch zu unterschiedlich? Oder war einer der beiden untreu? Was ich immer wieder höre: Sie war nicht gut für mich! Er hat mich ausgenutzt! Die Beziehung hat mir nichts mehr gebracht. Erschreckend dabei die Mitteilungswut von Menschen, deren Ehe bereits gescheitert ist, an junge Ehepartner: „Sieh zu, dass du nicht untergehst! Wichtig ist, dass dich der andere glücklich macht.“ Sollte man da nicht skeptisch werden, wenn solche Ratschläge von Menschen kommen, die bislang bewiesen haben, dass sie wissen, wie eine Ehe scheitert?
Stattdessen die Stille von Goldenen Hochzeitspaaren: Da schiebt in unserer Gemeinde ein älterer Herr, ich würde meinen sicher über 80, seine mittlerweise gehbehinderte Frau jeden Sonntag in die Kirche. Da sieht man den alten Mann, der seiner Frau Blumen kauft. Da hilft die ältere Dame ihrem etwas tüddeligen Mann bei der Auswahl aus der Speisenkarte. Irgendwas machen die richtig, haben die über Jahrzehnte richtig gemacht – aber was?
Vielleicht liegt des Rätsels Lösung ja genau in dem Beobachteten: Diejenigen, deren Ehe gescheitert sind, achten darauf, nicht zu kurz zu kommen. Die entscheidende Frage ist: Ist sie/er gut für mich? Und was soll das Gute dann sein? Das gute Gefühl, geliebt zu werden? Glücklich sein? Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen? Und wenn das, aus welchem Grund auch immer, nicht mehr geht? Wenn sich meine Wünsche und Vorstellungen ändern – dann wechsele ich den Partner?
Dagegen die „Erfolgreichen“: Sie kümmern sich um den Partner, aufopferungsvoll, auch ohne Aussicht auf Ausgleich. Die entscheidende Frage: Was kann ich tun, was gut für sie/ihn ist?
Das ist ein Paradigmenwechsel weg vom Erfolg hin zum Dienen! Ein unglaublich unbeliebtes Wort. Und doch – sogar biblisch zu begründen (Epheser 5,21-26):
Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus. Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus); denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie im Wasser und durch das Wort rein und heilig zu machen.
Wer jetzt als Mann seine Frau anstupst und sagt „Siehste!“, der hat nichts davon verstanden, was Paulus hier meint, und was die Jünger von Jesus gelernt haben (Markus 10,42-45):
Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Das bezieht sich zwar nicht direkt auf die Ehe und Familie, doch aber auf das Verhältnis von Jesus zu seinen Jüngern und der Kirche, wie es im Text von Paulus wiedergegeben ist.
Dem anderen, vor allem dem Ehepartner zu dienen – so geht das, das ist wirkliche Liebe. Sich selbst dienen zu lassen, zu schauen wo ich bleibe, „netto“ mit einem Plus aus der Beziehung hervorgehen zu wollen – das ist der Garant für eine scheiternde Beziehung.
Aber immer den anderen im Blick haben, nur sein Wohl, auch sein Seelenheil anzustreben – geht das denn? Ich kann nur für mich sprechen: Nein, mir gelingt das jedenfalls nicht. Es hat aber auch niemand gesagt, dass es immer einfach wäre, eine Ehe zu führen. Aber immer dann, wenn es scheint, dass Streitigkeiten eskalieren, immer wenn es scheint, dass eine Diskussion fruchtlos verläuft, immer dann, wenn wir in eine Sackgasse geraten, bemerke ich spätestens hinterher, dass ich wieder zu sehr „bei mir“ war, meinen Erfolg gesucht habe, meine Vorstellung durchsetzen wollte.
Aber läuft man da nicht Gefahr, ausgenutzt zu werden? Gegenfrage: Warum haben Sie geheiratet oder wollen heiraten? Reicht das Vertrauen nicht mal so weit, dass Sie Angst davor haben, ihren Partner wirklich zu lieben? Liebe macht verletzlich, Liebe ist kein gegenseitiges Geschäft, Liebe lebt von der „Vorleistung“ ohne Garantie der Gegenleistung – eigentlich nicht mal dem Wunsch danach. Sollte man in einer Beziehung merken, dass man tatsächlich ausgenutzt wird, der andere einen eben nicht liebt, dann sind Konsequenzen notwendig. Das muss nicht direkt eine Trennung sein, vielleicht beruht das Gefühl, ausgenutzt zu werden auch nur auf einem Missverständnis. Aber in einer Ehe sind wir hoffentlich schon einen Schritt weiter: Das Vertrauen ist da und auch begründet – was sollte uns da noch in der Freigiebigkeit begrenzen?
Natürlich werde ich immer auch darauf hinweisen, dass es Gott selbst ist, der eine Ehe gelingen lässt, dessen Unterstützung wir brauchen. Es gibt offenbar Paare, die lange Jahre sehr glücklich miteinander leben, ohne das Gott in ihrem Leben eine Rolle spielt. Wie das geht? Ich habe keine Ahnung! Aber vielleicht ist es diese Zentrierung auf den anderen, die auch dort gelebt wird, unabhängig vom Glauben?
Wie dem auch sei: Wenn mich jemand fragen sollte, was – unabhängig vom Glauben – DER Erfolgsfaktor einer guten Ehe ist, dann wäre ich sehr sicher mit einem Motto: Du statt ich!
Peter Schaefer
So erkläre mir nun lieber Felix, was denn nun genau „das Gute“ sei und wer es bestimme?
Du schreibst in deiner Beobachtung:
„Dagegen die „Erfolgreichen“: Sie kümmern sich um den Partner, aufopferungsvoll, auch ohne Aussicht auf Ausgleich. Die entscheidende Frage: Was kann ich tun, was gut für sie/ihn ist?“
Woher weiß er denn nun, was gut für sie/ihn ist?
Pirkl
Wohlan denn, lieber Peter, da du im Stile der Dialoge des Plato über den größten der antiken Philosophen , den weisen Sokrates, schreibst, antworte ich dir also:
Er weiß was für den Partner gut ist, weil dieser glücklich ist. Glück aber ist die Übereinstimmung der Seele mit dem Göttlichen.
Peter Schaefer
Kurz und knapp formuliert, scheint mir der Gedanke zwar verlockend, aber leider nicht meine Frage befriedigend.
Glück ist nichts, was wir schaffen können. Glück ist etwas, was uns zufällt.
Glücklich sein, ist eine Frage der persönlichen Einstellung und nicht eine Frage dessen, was ich von anderen geschenkt bekommen kann – zumindest ist dann nicht von tiefer Erfüllung, sondern eher ein auf tönernen Füßen wankender Koloss.
Also nochmal die Frage: Was ist „das Gute“ für den anderen?
Papsttreuer
Danke für die Nachfrage – möglicherweise muss ich dazu auch mal was schreiben. Allerdings erscheint es mir auch als sehr philosophisches Thema. Darum erst mal: Mein Ansatz war nicht der zu definieren, was für den anderen gut ist, sondern überhaupt den Fokus von sich auf den Anderen zu wechseln. Das wäre mal der erste Schritt: Nicht der andere muss mich glücklich machen, ich muss ihn glücklich machen. Klingt einfach, begegnet mir aber massenweise genau anders.
Was nun das „Gute“ ist? Als Katholik würde ich sagen: Dem anderen helfen, das ewige Leben in Christus zu erreichen. Das mag zu abstrakt sein, es sollte sich aber alles daran messen lassen. Operativ kann das zum Beispiel auch bedeuten, den anderen zu entlasten, auch wenn man das nicht müssten, Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich seine sind. Oder mal die Frage zu klären, was dem anderen eigentlich wichtig ist. Hat eine Weile gedauert, bis mir klar war, dass meine Frau lieber mit einem nicht top-gepflegten Garten leben kann, als wenn ich das halbe Wochenende kopfüber in den Beeten versinke. Ich hatte das auch „für sie“ getan, es war aber nicht gut, weil es von unserer sowieso knapp bemessenen Zeit abging.
Kann es auch sein, dem anderen etwas zuzumuten? Sicher, ob das Gute immer zum sofortigen Glück führt – vermutlich nicht: Wenn meine Frau mich morgens ein bisschen triezt, ob es nicht besser wäre, ein anständiges Morgengebet zu machen statt mich noch mal im Bett umzudrehen, macht mich das nicht unmittelbar glücklich, ist aber gut.
Ich hoffe, das liefert zumindest Ansätze, was ich meine?
Gottes Segen!
Pirkl
Felix, Du Glücklicher!
Danke.
Besserals Du meine Worte, konnte auch Plato die Worte des Sokrates nicht erklären.
Peter Schaefer
Lieber Felix,
es ist ein philosophisches Thema und vielleicht eine eher sophistische Diskussion, aber aus meiner Erfahrung heraus, sehe ich so etwas wie ein großes Geheimnis darin, warum einige – wenige – Ehen so harmonisch ablaufen und andere durchhalten und viele leider scheitern.
So habe ich mit großem Interesse deinen Beitrag gelesen und freue mich über deine offene Antwort auf meine Frage.
Sie verdeutlicht mir doch, den Fokus nicht von Gott zu lassen und von der Einheit der Zweiheit und dort „das Gute“ zu suchen. Im anderen Fall, denke ich, laufen wir Gefahr, daß wir die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse letztendlich nur gegen die Bedürfnisse des anderen tauschen und damit wieder auf Dauer einen Konflikt bekommen, obwohl doch jeder alles für den anderen tut.
Letztendlich egründen werden wir das Geheimnis wohl nie, denn die Antworten der erfolgreichen, harmonischen alten Paare sind doch sehr unterschiedlich.
Was mir immer auffiel, war das diese Paare sich gegenseitig lassen konnten und es zwei eigenständige Personen waren, die aber in Krisenzeit so nahe zusammenrücken konnten, daß kein Blatt Papier mehr dazwischen paßte und da standen sie dann auch in den Stürmen des Lebens gemeinsam wie eine Wand.
mit gesegneten Grüßen an Dich und deine Lieben und den user Pirkl
Peter
Roland
Das Zauberwort für eine stabile, glückliche und lange Ehe ist die Demut. Ohne die echte und immerwährende geübte Demut ist eine Ehe zum Scheitern verurteilt. Sie ist fast oder genauso wichtig wie die Liebe. Durch ständiges üben (Verzicht) wird man (Mann) immer erfolgreicher. Nur so (und vermutlich auch mit Gottes Gnade) durfteich jetzt meine Silberhochzeit feiern. Aber bis zu dieser Einsicht war es ein langer Weg. Den Mund einfach mal zu halten auch wenn man recht hat ist anfangs sehr schwer. Zahlt sich aber immer aus!
Pirkl
Wow. Roland, Sie befinden sich auf dem Weg der Heiligkeit. Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit den spirituellen Schriften der Heiligen. Sie sagen alle dasselbe wie Sie. Das wichtigste ist die Demut (sie versteckt sich in der Bergpredigt hinter der ersten Seligpreisung „Selig die geistlich arm sind“ und andere mehr oder weniger geschickte oder ungeschickte Übersetzungen ). Die wichtigste Demutsübung ist laut allen ( Große und kleine Theresia, Franz v. Sales, Caterina v. Siena, Johannes v. Kreuz, Ignatius v. Loyola usw. usw ) zu schweigen, auch wenn man recht hat. Ohne sich deshalb einzureden, dass Falsches richtig sei. Ein Grund, warum alle sagen, dies sei so wichtig im Erlernen der Liebe zu Gott und den Menschen, ist wohl, dass man auch Gott selbst dabei nachahmt.
Aber auch deshalb weil man dann mit der Erkenntnis der Wahrheit mit Gott allein bleibt, man verzichtet auf den Drang, das als richtig Erkannte mit anderen Menschen zu teilen. Gott allein beginnt zu genügen.
Und das findet Gott äußerst interessant. „Wer meine Gebote hält, der ist es der mich liebt, und ich werde kommen und mich ihm offenbaren…“