Blog- und Internetprojekte von Diözesen und Bischofskonferenz ziehen oft berechtigte Kritik auf sich. Bei „Valerie und der Priester“ sollte man erst mal abwarten.
Viele katholische Medien haben bereits darüber geschrieben, manche abwartend positiv, nicht wenige auch kritisch – wenn ich es mal etwas pauschalierend sagen darf: Je konservativer desto kritischer. Es geht um das Blogprojekt „Valerie und der Priester“ in dem eine junge Journalistin aus Berlin ein Jahr lang einen in der Nähe von Münster arbeitenden Priester begleitet. Da treffen – kann man sich denken – Welten aufeinander. Valerie ist nicht gläubig, kann mit dem katholischen Glaubensleben nicht viel anfangen, und begleitet doch den ganzen Tag diesen jungen Priester. Dass der sich darauf einlässt – auf die Fragen, auf die kritischen Anmerkungen, auf diese junge Frau im Schlepptau – ist schon besonders. Und das macht das Projekt auch so besonders.
Prätentöse Unkenntnis?
Wieso dann die Kritik? Die Berichte sind aus der Persprektive der Journalistin geschrieben, auch wenn immer wieder O-Töne eingestreut sind, die den Dialogcharakter deutlich machen, der sich entspannt. Und die macht aus ihrer Unkenntnis und ihrem Unverständnis keinen Hehl. Beispiel gefällig:
Der seltsamste Moment im Gottesdienst ist für mich immer noch die Wandlung, wenn aus der Hostie der Leib Christi werde soll.
Der schönste ist der Elfriede-Moment: Wenn die Menschen sich ein Zeichen des Friedens geben, auch mir die Hände schütteln und dabei so schauen, als ob sie es ernst meinen.
Der schlimmste ist, wenn die geweihte Hostie an die Gemeinde verteilt wird. Die geweihte Hostie ist hier entweder „die gewandelte Hostie“, „das Allerheiligste“ oder „der Leib Christi“. Das Verteilen von ihr — also das, was man sich so unter „Abendmahl“ vorstellt — heißt „Eucharistie“. Der Moment, in dem sie dem Gemeindemitglied gegeben wird „Kommunion“. Richtig: Genauso wie die Feier, die Katholiken als Kinder haben.
Ist das nicht reichlich prätentiös – eine zur Schau gestellte Unkenntnis, wie man sie durchaus auch bei überzeugten Atheisten sieht? Fragen, die eigentlich nur verletzen sollen? „Was für Bekloppte, die ein kleines Stück Brot anbeten?“
Eigene Erfahrungen
Man kann das aber auch anders sehen: Als meine heutige Frau und ich vor gut neun Jahren anfingen, uns für den Glauben zu „interessieren“, hätten wir es vermutlich nicht viel anders formuliert. Ich komme aus einem münsterländischen, katholischen Elternhaus, bin sogar auf eine Klosterschule gegangen – und trotzdem (ich weigere mich, zu sagen „deshalb“) ist nicht viel hängen geblieben, so dass für mindestens fünfzehn Jahre Gott in meinem Leben keine Rolle gespielt hat (was Er wohl anders sehen wird). Meine Frau stammt aus Berlin, war evangelisch mit allem, was zur evangelischen Sozialisation dazugehört … und auch für sie hatte der Glaube die Bedeutung verloren; vielleicht weniger als für mich, aber dennoch: Von einem Glaubensleben wird man nicht sprechen können.
Wir konnten also das Vaterunser, das Ave-Maria hatte ich im Rückenmark, wusste auch, wenn ich in der Messe zu stehen oder zu knien habe, wann ich sitzen darf, welche Formeln zu sprechen sind. Das alles war aber nicht mehr als ein nicht ganz verdrängter Reflex meiner Kindheit. Wenn mich meine Frau damals gefragt hat, was das denn heißt „Deinen Tod o Herr verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit. Amen!“ – ich hatte keine Antwort. Geschweige denn, dass ich ihr den Unterschied zwischen evangelischem Abendmahl und katholischer Eucharistie hätte erklären können.
Glaube, Unglaube und Unwissen
Mit diesem rudimentären Wissen gehörten wir aber zu einer immer kleiner werdenden Gruppe von Menschen, die überhaupt mal „mit Kirche“ in Berührung gekommen sind. Ich erinnere mich, dass beim jüngsten Prayerfestival ein amerikanischer Priester von einem Gespräch mit einer jungen Frau in Deutschland berichtete, die den Namen Jesus noch nie gehört hatte, nicht wusste, wer das ist. In unserer katholischen Nische neigen wir zu glauben, dass die Welt aus Gläubigen und Ungläubigen besteht – dass ein wachsender Anteil, wenn nicht gar bereits der Großteil der Menschen einfach unwissend sein könnte, kommt uns kaum noch in den Sinn.
Ich bin heute dankbar, dass ich vor einigen Jahren sehr bewusst – das heißt nicht im Sinne eines Kulturkatholizismus – und zusammen mit meiner Frau das Glaubensleben wieder aufnehmen konnte. Ich bin Gott dankbar, dass er so hartnäckig nach mir gerufen hat und dass er mir die Sinne dafür gegeben hat, irgendwann auch mal hinzuhören. Und heute freue ich mich sowohl an Texten eines Papst Benedikt als auch an den provokanten Aussagen eines Papst Franziskus. Ich bin auch dankbar, dass ich diesen Blog schreiben darf, in gewisser Weise einer „Berufung“ zum Schreiben folgen zu können. Darüber neige aber auch ab und zu dazu, zu vergessen, wie mein Leben noch vor zehn Jahren aussah: Nicht viel anders, als das von Valerie! Und mit einem Priester wie diesem Franziskus von Boeselager und seinem Leben hätte uch auch nicht viel anzufangen gewusst. Ich hoffe, ich wäre ihm aufgeschlossen entgegengetreten, womöglich hätte ich aber auch abschätzig auf ihn herabgeschaut, der regelmäßig zusammen mit alten Frauen vor einer Brotscheibe kniet.
Die Bibel verändert
Ich nehme an, einen ähnlichen Satz wie diesen hier, hätte ich in vergleichbarer Situation auch unterschreiben können:
Wir können momentan überhaupt nicht auf Augenhöhe reden. Er beschäftigt sich seit über zehn Jahren intensiv mit seinem Glauben und der Kirche. Ich seit ein paar Wochen. Das soll sich ändern. Die Bibel kommt auf meine Leseliste.
Und da ist der Mehrwert eines solchen Projektes: Eine junge Frau greift zur Bibel! Natürlich, auch aus Gründen ihrer journalistischen Profession. Aber glauben wir als Christen, oder glauben wir nicht, dass das Wort Gottes ein Leben verändern kann? Man kann also nur hoffen, dass dieses Projekt nicht nur in Kirchenkreisen gelesen wird, sondern auch viele von Valeries dem Glauben fernstehenden Freunden beginnen, einfach aus Interesse, um zu verstehen, in der Bibel zu lesen. Jeder Mensch ist anders, jeder Glaubensweg ist anders, aber die Ausgangslage Valeries unterscheidet sich nicht so sehr von meiner vor zehn Jahren. Das Projekt „Valerie und der Priester“ dauert nur ein Jahr – schauen wir mal, wo Valerie (oder die Leser des Blogprojekts) in zehn Jahren stehen. Der Heilige Geist macht das schon!
akinom
Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach einem „Abwarten“ zu einem anderen Urteil kommen werde als diesem, gebildet nur aufgrund dieses Beitrags! Lebhaft kann ich mich auch in die Gefühle von Felix Honekamp und seiner Frau hineinversetzen aufgrund der geschilderten eigenen Erlebnisse.
„BRAVO!“ sage ich und bitte um intensive Gebetsbegleitung der mutigen Akteure Franiskus von Boeselager und Valerie Schönian. Solche Menschen werden gewöhnlich von „rechts“ wie von „links“ in die Zange genommen: Von „rechts“ weil man sich nicht aus der „rechtgläubigen Kuschelecke“ heraus traut und von „links“, weil man dem Zeitgeist allzu hörig ist.
Gut nachvollziehbar ist für mich, wenn sich die ungläubige Journalistin vom als ehrlich empfunden Friedensgruß in der hl. Messe angesprochen und von ihrer Beobachtung des Kommunionempfangs abgestoßen fühlt….
Ein Negativbeispiel für mediale und kirchliche Richter ist für mich Pastor Gereon Beese aus Rheine, der vom Bistum Münster aufgrund frommer Emails an Jugendliche (Einladungen zu Einkehrtagen) in Therapie geschickt worden ist. Beurteilen kann ich das aufgrund meiner Kenntnis natürlich auch nicht. Aber es stimmt schon nachdenklich, wenn ich in unserer Tageszeitung las, dem Priester seien keine sexuellen Übergriffe nachzuweisen…
Positivbeispiel schlechthin – und daran dachte ich zuerst – ist für mich Peter Seewald. Der atheistische Spiegeljournalist hatte sich im Vatikan um ein Interview mit dem Leiter der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger bemüht mit dem Ziel, dem „Panzerkardinal“ medial die Leviten lesen zu können. Seewald erhielt dafür nicht nur grünes Licht sondern eine persönliche Einladung des „bösen Inquisiteurs“ ihn eine Woche lang auf allen Wegen zu begleiten. So wurde Peter Seewald „mit seinem ganzen Hause“ ein Papsttreuer!
Ich bin felsenfest davon überzeugt: Menschen die ehrlich suchen und beten, ohne zu wissen, dass sie beten, sind dem Reich Gottes besonders nahe. Lieben wir sie und waschen wir ihnen im Herzen die Füße!
Da kommt mir noch ein seltsame Gedanke:
Hat sich vielleicht der Mensch Jesus erst von Maria Magdalena zur Fußwaschung am Gründonnerstag inspirieren lassen?
Konrad Kugler
Neu ist für mich h i e r Peter Seewald und Spiegel.
Ich habe damals die SZ gekauft wegen einer Serie über Fritz Gerlich und einem Schotten. Dabei kam ich an das Magazin der SZ, in dem das Interview stand. Mich ärgerte der Ton, mit dem Seewald damals schrieb und der mir sofort wieder ins Gedächtnis trat, als ich ein Buch eines wichtigen SZ-Autors in die Hände bekam.
Seitdem hat Dr. Fritz Michael Gerlich einenn Platz in meiner Erinnerung, aber auch Peter Seewald. Entwicklung für seinen Weg möchte ich hier nicht gelten lassen. Bekehrung ist das Wort.
Von Vorurteil gefangene, Zeitgeisthörige und von Ideologie bzw. Häresie Befallene sind nicht belehrbar. Nur Bekehrung durch Gottes Gnade ist ihr Heil.