Hat der Papst mal wieder „die Priester dazwischen gehabt“, wie manche meinen? Oder kann man seine Predigt in Santa Marta auch anders verstehen?
Waren das noch tolle Zeiten, in denen man von päpstlichen Messen frühestens nach Wochen gehört hat; eigentlich gar nicht, maximal waren offizielle Lehrschreiben bekannt. In der Fläche der Gemeinden war der Papst unbekannt, niemand wusste, wie er tickte, man ließ ihn – wie den lieben Gott – einen guten Mann sein. Lange ist das vorbei und so wird heute jedes Wort des Papstes kolportiert und interpretiert, immer mit der (irrigen) Annahme, die Kirche würde behaupten, der Papst könne in nichts, was er sagt, falsch liegen. Und wenn der Papst morgens – ganz Priester eine tägliche Messe feiernd – im Gästehaus Santa Marta predigt, dann geht das genau so um die Welt wie die Inhalte einer Enzyklika oder eines synodalen Schreibens, als ob das die gleiche Bedeutung hätte.
In jedem Wort des Papstes meint man aber, seinen Charakter entdecken zu können, herauslesen zu könne, in welche Richtung er die Kirche führen wird. Und da Papst Franziskus, zum Leidwesen seiner Berater, eher mehr als weniger sagt, gibt es da eine Menge zu analysieren. Gestern hat er so wieder zugeschlagen, und zum Tagesevangelium unter anderem folgendes gepredigt (Zitate hier wie im Folgenden von Radio Vatikan):
Wenn du nicht verzeihen kannst, dann bist du kein Christ. Vielleicht bist du ein guter Mann oder eine gute Frau, aber du machst nicht das, was der Herr getan hat. Und noch mehr: wenn du nicht verzeihst, dann kannst du auch nicht den Frieden des Herrn erhalten, also die Vergebung Gottes. Jeden Tag beten wir das Vater Unser und da heißt es: ,und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben… ´. Das ist ein Muss. Wir müssen Gott davon überzeugen, dass wir gut sind im Vergeben: dann gibt es auch das Umgekehrte. Vergebt einander! So wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr.
Bis dahin klingt das ganz wohlig, niemand nimmt Anstoß daran. Jeder meint für sich das Passende da heraus zu picken, und wer noch nicht ganz abgestumpft ist, mag an sich selbst die unangenehme Eigenschaft feststellen, bei solchen Worten die Beispiele doch lieber bei den anderen zu suchen, die nicht verzeihen, nicht barmherzig sind, jedenfalls nicht so, wie wir uns das vorstellen. Mir geht das jedenfalls so und es bestätigt nur, was der Papst gesagt hat: Selbst wenn mir jemand nicht vergibt, dann bin ich doch gefordert, ihm genau das zu vergeben. Mist, aus der Nummer komme ich nicht heraus, wenn ich die Worte des Evangeliums „Seid barmherzig, wie es euer Vater ist!“ ernst nehme.
Aber dann kommt’s erst:
Und da ist der Priester gefragt: wenn du als Priester dich nicht dazu berufen fühlst, barmherzig zu sein, dann sag deinem Bischof, er soll dir eine Arbeit in der Verwaltung geben, aber bitte geh nicht in den Beichtstuhl! Ein unbarmherziger Priester kann so viel Böses im Beichtstuhl anrichten! Er verprügelt die Leute. „Naja, Pater, ich bin schon barmherzig, aber ich bin auch ein wenig nervös, das stimmt…“ „Dann geh halt, bevor du dich in den Beichtstuhl setzt, zum Arzt und lass dir eine Pille für die Nerven verschreiben! Aber sei barmherzig!“ Und das gilt für uns alle. Sagt nicht: „Ach, der hat dieses und jenes angestellt, aber ich, was habe ich denn schon getan?“ Wer kann das sagen, dass der andere ein größerer Sünder ist als ich? Niemand von uns kann das sagen! Nur der Herr weiß.
Da tauchen sie dann auf, diejenigen, die am liebsten mit dem Finger auf andere zeigen: „Seht Ihr, Ihr Priester, räumt erst mal bei Euch selbst auf!“ Das aber ist genau nicht gemeint: Niemand kann sich wegen eines unbarmherzigen Priesters mit seiner eigenen Unbarmherzigkeit herausreden. Ich selbst habe in meinem Leben noch keinen wirklich unbarmherzigen Priester kennengelernt, ich kenne aber auch ganz überwiegend junge Priester, da mögen aus alten Tagen noch ganz andere Kaliber schlummern. Nur: Wenn ich auf so einen treffe, dann kann es sein, wie der Papst sagt, dass er mehr schadet als nutzt, das ändert aber nichts an meiner notwendigen Barmherzigkeit ihm gegenüber.
Andere werfen sich schützend vor die Priester: Wie kann der Papst so flapsig über Priester urteilen, als ob sie es in der heutigen Zeit nicht schwer genug hätten. Aber der Papst urteilt ja gar nicht: Er spricht in Santa Marta als Priester zwar auch vor Laien aber eben auch vor vielen Priestern. Und gerade in der Beichte ist der Priester ein Vertreter Christi – ein Priester sollte also an sich selbst einen deutlich höheren Anspruch stellen. Barmherzigkeit und Vergebung ist Teil seiner „job description“, da ist es sicher nicht verkehrt, sich auch mal in Frage zu stellen. Wie gesagt: Nicht nur als Priester aber eben auch!
Wieder andere werfen dem Papst vor, Priester die in der Verwaltung tätig sind zu diskreditieren. Er hat aber nicht gesagt: Priester in der Verwaltung sind nicht barmherzig. Seine Botschaft ist: Wer es als Priester – aus welchen Gründen auch immer, die mögen nachvollziehbar sein, tief in der Seele vergraben sein und selbst der Heilung bedürfen – wer also als solcher Priester sich nicht in der Lage sieht, barmherzig zu sein, der sollte sich in der Tat vom Beichtstuhl fern halten. Das Bild der Verwaltung ist dabei genau das: ein Bild! Ich habe mal von einem Leiter einer Kundenservice-Abteilung gehört: „Wenn das Telefon klingelt und ich bin nicht in der Lage zu lächeln, dann lasse ich lieber jemand anderes ran gehen“. Darum geht es: eine korrekte Selbsteinschätzung, generell und tagesaktuell! Vielleicht bin ich nur heute „schlecht drauf“ und suche als Priester – wenn möglich – einen Ersatz für den Beichstuhl. Vielleicht ist es ein tieferes Problem, das einer langfristigen Lösung bedarf? Vielleicht ist es auch so langwierig, dass sich der Priester lieber aus dem „Feuer“ des täglichen Geschäfts zurück ziehen sollte?
Wir alle sind gefordert, barmherzig zu sein, wie es Gott im Himmel ist, das heißt nicht, alles gutzuheißen, aber es bei Reue zu verzeihen. Das gilt allerdings für einen Priester, der die Beichte hört in noch besonderem Maße. Als Laie machen mir die Worte des Papstes wieder mal deutlich, welchen Schatz wir in guten Priestern haben, und welchen Schwierigkeiten und auch Versuchungen sie ausgesetzt sind.
Wer aus diesen Zeilen also entweder den Priestern oder dem Papst einen Strick zu drehen versucht, der hat – davon bin ich überzeugt – nicht viel von Vergebung und Barmherzigkeit verstanden – vielleicht aus der Tagesform heraus, vielleicht auch tiefergehend? Ich selbst bin durch den Anspruch der Barmherzigkeit immer wieder herausgefordert, und darum, und die besonderen Implikationen für Priester, geht es in dieser großartigen Predigt.
akinom
Ich freue mich immer über den Seel-sorger (ohne Gänsefüßchen) Felix Honekamp. Es gibt ja nicht nur das Weihepriestertum sondern auch das „allgemeine Priestertum aller Getauften“.( Mit dieser Aussage hatte ich einmal einen evangelischen Pastor in Erstaunen versetzt.) Ich möchte die Gelegenheit dieses Kommentars dazu nutzen, um an diese „Berufung für jedermann“ zu erinnern. Ihr treu zu sein, scheint mir heute notwendiger denn je! Einer „lila Stola“, dem Platz an Ambo und Altar bedarf es hierfür nicht. Am sympathischsten ist mir da das Verborgene eines Souffleurkastens.
Ich habe als junger Mann eine Zeitlang
im Service eines Hotels (Bedienung) gearbeitet. Einmal hatte ich eine Riesenwut, aber ich mußte hinaus. Was tun?
Ich zwang mich zu einem freundlichen Gesicht und — die Wut war weg. Viel zu selten habe ich mich daran erinnert.
rebner
pope for administration!