Die gestrige Lesung aus dem Alten Testament (1. Samuel 3,3b-10.19) gehört für mich zu den schönsten Stellen der an Schönheit nicht gerade armen Heiligen Schrift. Und natürlich werden die Predigten sich ganz allgemein um das Thema der Anrufung Gottes gedreht haben das könnte man jedenfalls erwarten. Die mehrfache Anrufung Samuels durch Gott, der zunächst missversteht und erst durch die Anleitung Elis erfährt, dass Gott ihn ruft und seine dann zeitlose Antwort Rede, Herr; denn dein Diener hört. ist eine Kurzform für jede Art der Berufung zu Gott. Noch während der wunderbaren Predigt unseres Pastors zum Thema Berufung (nein, ich war nicht abgelenkt sondern fasziniert) habe ich mir also vorgenommen, einen Beitrag dazu zu schreiben. Nun hat auch der Papst etwas in seinem Angelus am Sonntag dazu gesagt und so sehe ich mich vor der Herausforderung, nicht einfach das zu wiederholen, was heiligere Menschen als ich dazu geschrieben haben. So werde ich also mal versuchen, meine eigenen Gedanken zum Thema Berufung zu verfassen.
Der erste Gedanke dazu ist der, dass Gott uns ruft also den ersten Schritt tut und wir als Menschen auf diesen Ruf antworten. Das ist insofern wichtig, als dass man niemals ganz von alleine zu Gott gelangt sondern nur dadurch, dass Gott einen in seine Nähe ruft. Und er ruft jeden, jeden auf unterschiedliche Art und natürlich auch mit unterschiedlichem Auftrag. Wie schön, wenn man diesen Ruf auch vernimmt und ihm zu folgen bereit ist aber den Ruf zu vernehme ist schon nicht so einfach. Wie erkenne ich, ob der Ruf mit der Stimme Gottes erfolgt? Auch Samuel glaubte zunächst, Eli würde ihn rufen, bis der ihn auf die richtige Fährte setzte. Der Papst hat in seiner Ansprache zum Angelus genau darauf hingewiesen: das Hören auf Gott setzt manchmal die Unterstützung durch eine geistliche Führung voraus. Nicht anders ist dies auch im gestrigen Evangeliumstext (Johannes 1,35-42), in dem Johannes der Täufer seine Jünger auf Jesus als das Lamm Gottes aufmerksam macht.
Dass Gott uns ruft, ist schon mal eine gute Nachricht, zu wissen, wozu er uns ruft ist aber auch eine Herausforderung. Man kommt schnell an den Punkt, dass man zum Glauben bekehrt jede mögliche Aktivität wahrnimmt die nach Glauben und Kirche riecht. Das ist an sich nicht schlecht, getrieben vor allem aus dem Willen, etwas für Gott zu tun aber was will Gott denn von mir? Um in dem Lesungstext zu bleiben: es reicht nicht, Gott zum Reden aufzufordern, man muss ihm auch zuhören Dein Diener hört! An Aktivitäten mangelt es in der Kirche nie, und ob man in einem Liturgiekreis teilnimmt, als Lektor tätig wird, im Festausschuss aktiv wird, sich an der Erstellung des Pfarrbriefes beteiligt alles können gute Aktivitäten sein, sind es aber nur bedingt, wenn Gott eigentlich etwas ganz anderes von uns will! Um es ins Extrem zu ziehen: wenn Gott von mir möchte, dass ich meinen Sohn in christlichem Glauben erziehen, vielleicht weil er ihn zu einem besonderen Apostel machen möchte, ihn vielleicht zum Priestertum berufen will, dann wäre es eher kontraproduktiv, wenn ich meine Glaubensaktivitäten darin sehen würde, Frau und Kind hinter mir zu lassen um in Indien missionarisch tätig zu werden. Und auch hier ist die geistliche Führung ein probates Mittel: warum sollte ich mich auf mein eigenes, vielleicht (noch) nicht besonders ausgebildetes Gehör verlassen, wenn ich mich auch austauschen kann mit Verständigen, die mir beim Verstehen helfen? Vielleicht ist das, wozu uns Gott ruft nur eine Kleinigkeit mit großer Wirkung. Mir würde der Gedanke gefallen, dass der einzige Grund, warum ich diesen Blog schreibe der ist, dass sich einer der Leser durch die Lektüre zu einem vertieften Glaubensleben entscheidet, zu einem großen Heiligen wird und die Neuevangelisierung der westlichen Welt entscheidend vorantreibt. Kleine Ursache, große Wirkung und wer wollte behaupten, dass diese meine Berufung dann unwichtig wäre?
Dass, wozu wir uns berufen „fühlen“, muss also nicht immer die Berufung sein, die Gott an uns richtet. Nun habe ich auch kein Patentrezept, wie man seine wahre Berufung erkennt und sie von falschen Berufungen unterscheidet. Kein Patentrezept, mal abgesehen von Gebet und Betrachtung, Sakramentenempfang und genau geistlicher Führung!
Mir scheint aber, dass ich für mich und für mein Umfeld ein paar Rahmenbedingungen schaffen kann, die das rechte Hören fördern können. Dazu gehört in erster Linie mal die Offenheit für die möglichen Arten der Berufung. So ist es schwer für Gott, einen jungen Mann heute zum Priester zu berufen, wenn in seinem Elternhaus schon eine einfache Frömmigkeit kritisch gesehen wird. Hier ist wohl leider ein Paradigmenwechsel in der Gesellschaft notwendig: früher war man froh, wenn ein Sohn sich zum Priesteramt berufen fühlte (ja, ich weiß, noch früher wurde der zweite Sohn zum Priester gemacht, und das ist nicht, was ich meine). Heute versuchen die meisten Eltern, ihren Kindern diesen Gedanken auszutreiben und Priester, die sich darum bemühen, Berufungen zu erkennen, z.B. in Katechesen oder unter Messdienern, werden in den Gemeinden kritisch gesehen, wenn nicht gar gemieden. Das heißt nicht, dass gutwillige Eltern ihre Söhne zum Priesteramt und die Töchter zum gottgeweihten Leben drängen sollen, aber die Offenheit dafür, dass Gott sie möglicherweise beruft, ist notwendig damit diese Berufung wachsen kann.
Ähnliches gilt aber auch für meine eigene Berufung: Offenheit für das, was Gott vielleicht von mir will, ein offenes Ohr für die Rufe Gottes entwickeln. Dieser Blog ist sicher eine kleine Berufung, die dadurch entstanden ist, dass ich einer Freundin mal einige Dinge zum Glauben geschrieben habe und die Rückmeldung erhalten habe, ich solle so was doch veröffentlichen. So hat dieser Blog im vergangenen Jahr seinen Ausgangspunkt genommen. Und dieser kleine Schritt bringt mich zu dem Schluss, dass missionarische Tätigkeit, also die Verbreitung des Glaubens, neben meiner Berufung als Ehemann und Vater, eine Berufung ist, die Gott mir vorschlägt. Das ist nicht immer einfach (das Schreiben dieses Blogs ist eine Sache, die Evangelisierung Auge in Auge ganz was anderes) aber Gott hilft mir auch auf diesem Weg und verlangt nichts Unmögliches. Vielleicht ist die Evangelisierung auch Ihre Berufung, vielleicht ist es aber auch ein Apostolat, das sich in karitativer Arbeit äußert? Vielleicht ist es die Begleitung kranker Menschen, zu der Gott Sie führen will vielleicht ist es auch die Missionsarbeit in Indien? Auf meinem Weg zur Erfüllung meiner Berufung suche ich mir Hilfe im Gebet genau so wie durch Priester und den Rat wohlmeinender und verständiger Menschen. Wer will schon am Ende seines Lebens hören: hast Du ordentlich gemacht, aber eigentlich wollte ich ganz was anderes von Dir?
Für uns selber und für andere ein Umfeld zu schaffen, das Berufungen zuträglich ist, ist also eine wesentliche Aufgabe für jeden von uns, der seinen Glauben ernst nimmt und sich nicht nur selbst darin sucht, sich nicht nur selbst verwirklichen will. Vielleicht kann man es so zuspitzen: Eine Berufung, die wir alle gemeinsam haben, ist die, unsere Berufung zu erkennen und anderen dabei zu helfen, ihre Berufung zu erkennen! Und ich glaube fest, das „Berufungsproblem“ unserer Kirche würde gelöst ganz ohne Lockerung von Zugangsregeln zum Priesteramt und Zölibat!