Im letzten Beitrag hatte ich bereits über die Fastenbotschaft des Papstes geschrieben, in der es ganz wesentlich um unsere Verantwortung für das Seelenheil anderer Menschen geht. Es reicht eben nicht, dass wir uns zurücklehnen in trügerischer Sicherheit schon am Ende der Zeiten auf der richtigen Seite zu stehen.
In die gleiche Kerbe schlägt die vierte Adventspredigt von P. Raniero Cantalamessa OFMCap, dem Prediger des Päpstlichen Hauses, die er für den Papst und die römische Kurie gehalten hat (nebenbei: Ob so ein Prediger des Papstes morgens mit einem flauen Gefühl im Magen aufsteht, wenn er sich bewusst macht, dass er an dem Tag für den Papst predigen darf?). Die ganze Predigtreihe, nachzulesen u.a. bei Zenit (einfach auf der oben verlinkten Seite den Suchbegriff cantalamessa eingeben), lohnt sich zu verinnerlichen. Sie beschäftigt sich mit vier Wellen der Evangelisierung, beginnend mit den ersten drei Jahrhunderten des Christentums, getragen von den Bischöfen, gefolgt von der Re-Evangelisierung Europas vom sechsten bis neunten Jahrhundert durch die Mönche, der Evangelisierung Amerikas und insbesondere Lateinamerikas durch die Fratres der dort aktiven Orden (mit einigen Missverständnissen über die Art und Weise und den Hintergrund der Evangelisierung in Lateinamerika im sechzehnten Jahrhundert wird hier fundiert aufgeräumt), und endend mit den Überlegungen zur Einbindung der Laien bei der erneuten Re-Evangelisierung Europas in der heutigen Zeit, namentlich nach dem zweiten Vatikanischen Konzil.
Interessant finde ich in seiner Predigt vor allem das Bild der Fahrspur eines Schiffes für die Verkündigung der Kirche:
Sie beginnt an einer Spitze, der Schiffsspitze, aber sie breitet sich immer weiter aus, bis sie sich am Horizont verliert und die beiden entgegengesetzten Ufer des Meeres berührt. Das ist es, was bei der Verkündigung der Kirche geschehen ist. Sie beginnt an einer Spitze: dem Kerygma Christus ist für unsere Sünden gestorben und ist für unsere Gerechtmachung auferweckt worden (vgl. Röm 4,25; 1 Kor 15,1-3). Und noch prägnanter und knapper: Jesus ist der Herr! (Apg 2,36; Röm 10,9).
Eine erste Ausweitung dieser Spitze erfolgt durch die Entstehung der vier Evangelien, die zur Erklärung dieses ursprünglichen Kerns geschrieben wurden, und durch das übrige Neue Testament. Danach kommt die Tradition der Kirche mit ihrem Lehramt, ihrer Theologie, ihren Institutionen, ihren Gesetzen und ihrer Spiritualität. Das Endresultat ist ein immenses Erbe, das geradezu an die Fahrspur des Schiffes in seiner größten Ausdehnung denken lässt.
Die Frage, die sich Cantalamessa dann stellt ist, an welcher Stelle man heute mit der Evangelisierung einsetzen muss, um erfolgreich zu sein. Kann ich einem Nicht-Glaubenden, ohne jede Erfahrung mit Christus den Katechismus der Katholischen Kirche zur Lektüre empfehlen? Sicher, was dort drin steht ist katholisch und ist als Katholik zu glauben, aber kann jemand aus diesem reichhaltigen Werk meinen Glauben verstehen? Cantalamesse predigt:
Der ungeheure Reichtum der Lehre und der Institutionen kann zum Handicap werden, wenn wir versuchen, uns durch ihn dem Menschen zu präsentieren, der jeden Kontakt zur Kirche verloren hat und nicht mehr weiß, wer Jesus ist.
Und in dieser Einschränkung sieht der dann auch die Lösung: wir müssen von Christus erzählen, davon, dass Gott Mensch geworden ist aus Liebe zu dieser Welt und den Menschen und sich für sie geopfert hat. Das fällt uns, jedenfalls mir, oft gar nicht so leicht wie es sollte. Katholisch sozialisiert, an Theologie interessiert, von Priestern im geistlichen Leben geleitet und begleitet das Wissen um die Glaubensinhalte und auch um die möglichen Verirrungen können einem ganz schön im Weg stehen: Wie kann ich denn jemandem die Liebe Christi für ihn selbst nahebringen, wenn sich gerade liturgische Missbräuche in der Heiligen Messe in mein Bewusstsein drängen. Wie kann ich für Christus begeistern, wenn mich kirchenrechtliche Detailthemen ganz einnehmen? Hier die Ebene der Verkündigung, hier die Ebene all dessen, was uns Gott durch unsere Kirche in den vergangenen Jahrhunderten an geistlichem Reichtum geschenkt hat. Die Weite und Schönheit des katholischen Glaubens ganz zu Beginn zu zeigen und vermitteln zu wollen kann in der Tat abschrecken.
In einer der Sonntagsmessen der vergangenen Wochen predigte unser Pastor über das Symbol des Fisches, des Ichthys, dessen Name als Akronym für ein kleines Glaubenbekenntnis gelesen werden kann: Jesus Christus Gottes Sohn Retter der Welt. Das zu vermitteln in einer Gesellschaft, die Gott und Christus in vielen Teilen nicht mal mehr aus der Schule kennt, ist unsere Herausforderung. All die weiteren Schritte, die Ausbreitung der Fahrspur der kirchlichen Verkündigung, können nur von dort aus ansetzen. Bei dem einen oder anderen bemerkt man dann vielleicht, dass die christlichen Wurzeln doch noch vorhanden und nicht vollends ausgetrocknet sind, und man weiter gehen kann. Aber die kirchliche Lehre, der Katechismus, Konzilstexte, Enzykliken etc. sind für den Nicht-Glaubenden nur theoretische und seinem Erfahrungsschatz widersprechende Botschaften, die er nur glauben kann auf der Basis einer eigenen Christus-Kenntnis.
Unsere Botschaft muss also Christus selbst sein! Cantalamesse zitiert hierzu ein Spiritual, dass sich gut eignet, wenn man vor dieser Herausforderung erschrickt:
If you cannot preach like Peter, if you cannot preach like Paul, go home and tell your neighbour that Jesus died for all!
(Wenn du nicht wie Petrus predigen kannst; wenn du nicht wie Paulus predigen kannst, dann geh zu dir nach Hause und sage den Deinen: Jesus ist für uns gestorben!)
Im bevorstehenden Jahr des Glaubens könne wir also auch zwei Aufträge sehen: Christus der Welt zu verkünden und als Voraussetzung dafür Christus selbst besser kennenzulernen im Gebet, den Sakramenten, der Meditation der Evangelien, in unserem alltäglichen Leben. Nur so stellen wir sicher, unser Leben dem von Christus immer mehr anzunähern und nur so werden wir glaubwürdige Zeugen für einen Glauben und eine Verkündigung, die in ihrer Schönheit tatsächlich bis an die entgegengesetzten Ufer des Meeres reicht!
Inspiriert hat mich zu diesem Beitrag ein Vortrag von Pater Klaus Einsle LC zur Spiritualität der Legionäre und des Regnum Christi. Die Liebe zu Christus und Gott, die Liebe zu Maria, die Liebe zum Papst und zur Kirche und die Liebe zu den Menschen ist DAS Charisma dieser Kongregation und Bewegung es zu erfüllen ist tägliche Herausforderung und eine gar nicht so leichte Aufgabe für jedes Mitglied, eigentlich aber für jeden Katholiken.