Ein Glück, mein Weltbild ist wieder in Ordnung! Ein bisschen bange hatte ich in der Diskussion um Beschneidungen auf die libertäre Front geschaut und befürchtet, mir würden Argumente um die Ohren fliegen, die ich bislang intellektuell noch nicht gesehen und entsprechend nicht berücksichtigt hätte. Der Leser dieses Blogs (und der empfohlenen Literatur auf der linken Seite der Beiträge) hat nämlich vielleicht neben dem religiösen auch schon mein politisches Steckenpferd entdeckt: den Libertarismus (wer jetzt glaubt, ich sei FDP-Wähler empfehle ich die Literatur von Roland Baader, leicht zu lesen und umwerfend in seiner Radikalität, durchaus kirchenkritisch, aber nie billig antikirchlich sondern in einer besonderen Weise konservativ-katholisch).
Aus dieser libertären Ecke habe ich schon so manches mal Argumente gehört, die mir bislang nicht eingängig waren und denen ich mich geschlagen geben musste; diese bezogen sich aber im Wesentlichen auf wirtschaftspolitische Fragen oder auf ordnungspolitische Fragen in gleichem Umfeld. Im offenen (nicht libertären) Debattenmagazin European laufen denn auch Diskussionen um das Thema Beschneidung, und außer dass ich dort vom sich selbst als Enfant Terrible inszenierenden Alexander Wallasch auf einen Kommentar von mir zum Beitrag von Alexander Görlach als lichtbedürftiger Katakombist (geschenkt!) bezeichnet wurde, zeichnen sich die Debatten dort durch eine vergleichsweise unaufgeregte Art aus aber auch durch das Fehlen neuer Argumente.
Also schielte ich mit einem Auge auf die eigentümlich frei und musste heute bangen Herzens den Artikel von André Lichtschlag anklicken mit dem Titel Beschneidung: Alles so schön bunt hier. Und ich muss sagen: ich bin beruhigt ich kann weiter erhobenen Hauptes als Libertärer, als Konservativer und in erster Linie als Katholik gleichzeitig durch die Welt gehen!
Treffend und völlig unideologisch weist Herr Lichtschlag nämlich auf das Offensichtlichste hin: bei der Debatte geht es um Kinder, und zwar um Kleinkinder, Babys:
Tatsächlich geht es bei der Beschneidung noch um etwas anderes, nämlich um Kinder. Und bei diesen endet jede Ideologie. So auch die libertäre: Kinder sind nämlich gerade keine zur Selbstverantwortung fähigen Wesen. Kleinkinder schon gar nicht. Und Babys? Der Windelschiss hat da noch jeden libertären Klassiker ad absurdum geführt, gerade auch die auffällig vielen kinderlosen Autoren und Autorinnen unter ihnen. Kinder gehören sich nicht selbst. Sie kommen als völlig wehrlose und vollends hilfsbedürftige Wesen zur Welt und können erstmal nur eins: Jedem altklugen Ideologen auf der neuen grellen Welt den Stinkefinger zeigen!
Dieses offensichtliche Faktum führt zu einem gradlinigen Schluss: Kinder gehören nicht sich selbst, sie gehören aber auch nicht dem Staat, sie gehören schon eher den Eltern, als die für sie und ihr Wohlergehen verantwortlich sind, aber auch denen nicht vollumfänglich. Was nun?
Und auch wenn es nur um Nuancen geht, gar nicht ums Grundsätzliche: Wer entscheidet denn am Ende und im Zweifel: Die Eltern? Das Kind? Oder das Jugendamt? Wer an eine allgemeingültige und mögliche, menschliche Gerechtigkeit gegenüber allen hier und jetzt lebenden Kindern glaubt, der hat vermutlich selbst zwei Osterhasen verschluckt. Oder er will Gott spielen
Genau darum gehts, oder droht es bei der Debatte um eine rechtliche Regelung zur Beschneidung zu gehen. Wie ich glaube ich schon mal irgendwo hier im Blog geschrieben habe: ich hasse Gesetze, und Gesetze, die sich in das normale Zusammenleben zwischen Menschen einmischen wollen, hasse ich besonders. Und noch mehr hasse ich Gesetze, die versuchen, Jahrtausende alte Traditionen einzuhegen, die bislang ohne Flurschaden ausgeübt wurden (es sei denn, man nehme an, dass sich seit dreitausend Jahren jüdische Männer mit den psychosozialen Folgen der Beschneidung mehr schlecht als recht herumschlagen glaubt das wirklich einer?). Und wenn also nun versucht wird, diese unregelbaren Sachverhalte in Gesetzen einzuhegen? Dann kann man Lichtschlag sehr leicht in seiner Argumentation folgen (wie es viele Gläubige zu dem Thema auch schon geschrieben haben):
Viele Beschneidungsgegner sind schon vom Mond aus gesehen als Religionshasser erkennbar. Für sie ist die Beschneidungsfrage nur eine Etappe. Mittelfristig können wir dann den Zölibat nicht mehr durchgehen lassen, langfristig verstoßen religiöse Erziehung in der Familie und die Kindtaufe gegen das Grundgesetz. Alles nur eine Frage der Zeit in einem Land von Leuten, die Beschneidung von gerade geborenen Jungen verbieten wollen, mit millionenfachem Mord an gerade noch nicht Geborenen aber keine Probleme haben.
Und Lichtschlag wäre nicht Lichtschlag und wäre nicht ein Libertärer, würde ihm nicht auffallen, dass er sich mit der Argumentation haarscharf an der Grenze zum Ideologischen befände:
Am Ende ist alles relativ. Was die Ideologen nur noch mehr ärgert. Es bleibt die Erkenntnis: Auch quer verlaufende Fronten können einiges gerade rücken. Andererseits habe ich [ ] auch honorige Libertäre und Konservative kennengelernt, die wie so oft eine andere Meinung haben. Und manches Argument auf ihrer Seite. So einfach ist das eben alles nicht mit den politischen Grabenkämpfen. Wenn es um Kinder geht, schon gar nicht. Und das nicht nur für den Fall der Vorhaut, der auch nur ein Vorspiel ist.
Ein Glück, kein Resumé mit leichter Lösung, der man misstrauen müsste, keine Einschränkung der Religionsfreiheit, aber auch keine einfache Freigabe aller religiösen oder pseudoreligiösen Riten, bei denen Kinder wirklich Schaden nehmen. Unsere Justizministerin, die ich sonst wenig lobe, hat schon Recht, so schnell wird ein Gesetzgebungsverfahren nicht gehen. Gerade weil es sich um ein Thema handelt, dass sich notwendigerweise binärer Entscheidungsfindungen (richtig/erlaubt/straffrei gegen falsch/verboten/strafwürdig) eines Gesetzes entzieht. Umso wichtiger, an dieser Stelle die Ideologien auf die Seite zu legen, Fanatismus von allen Seiten aus der Diskussion auszuschließen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die den Kindern, um die es geht, gerecht wird! So hoffe ich immer noch, im von mir ausgelobten Gewinnspiel die Wette, ob die Diskussion zur Schlammschlacht verkommt zu verlieren!
Danke an Herrn Lichtschlag für seinen Beitrag – auch dafür, dass ich weiter libertär und katholisch bleiben kann :D
Anonymous
Ein Gesetz wäre nur eine Verzögerungstaktik
Für solche Zeitgenossen.Vielleicht erst eine Ausnnahmegenhmigung????
Aber nur für maximal zwei Kinder?????
Entschuldigug für meine Zynik.
Libertaerer
Leider hat die Argumentation von EF dieses Mal überhaupt nichts mit Libertarismus zu tun.
Kindern (nachhaltig!) Schaden zuzufügen passt nicht zur Rolle von Eltern bzw. Vormündern.