Nach dem gestrigen Wutausbruch ist es wohl an der Zeit zum Durchatmen und mal wieder etwas mehr Erbauliches zu schreiben. Und was liegt da näher, als sich dem anzunehmen, was unser Papst in den letzten Tagen umgetrieben hat nein, damit meine ich nicht irgendwelche Skandale, die offenbar zum Leben eines Papstes dazugehören (also nicht die Skandale, sondern dass man ihn damit konfrontiert), nein, was ich meine ist seine seelsorgerische Tätigkeit für uns Gläubige.
Zu den Lesungen und dem Evangelium des vergangenen Sonntags hatte ich ja schon mal was geschrieben was inspiriert war nicht zuletzt durch eine Predigt meines Heimatpastors dem ich an dieser Stelle gerne für seine Betrachtungen und seine Begleitung unserer Familie danke. Aber was hat der Papst eigentlich gesagt zu dem Evangelium, dass ja nicht ganz einfach zu verstehen und zu verinnerlichen ist, zum Beispiel in seiner Ansprache vom vergangenen Sonntag in Castel Gandolfo?
Zum Glück geht der Papst den Text von einer anderen Seite an: Warum verlassen Jesus so viele seiner Jünger und noch wichtiger warum bleiben Petrus und die Apostel bei ihm? Wieso finden die einen seine Worte unerträglich, die anderen inspirieren sie zu einem Glaubensbekenntnis (Du bist der Heilige Gottes!). Und übertragen auf meine Betrachtung vom Sonntag: warum wenden sich die einen von Gott, Bibel und Kirche ab während die anderen den Kampf zusammen mit der Kirche aufnehmen?
Die Erklärung für die erstere Gruppe ist eigentlich verhältnismäßig einfach und wird vom Papst in die Worte gefasst:
Diese Offenbarung [Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist; wer von meinem Fleisch isst und von meinem Blut trinkt, wird in Ewigkeit leben (vgl. Joh 6,51-54)] musste für sie unverständlich bleiben, weil sie sie auf eine rein materielle Weise deuteten, während sie in Wahrheit eine Ankündigung des Ostermysteriums war, mittels dessen Jesus sich selbst ganz für die Rettung der Welt hingeben sollte.
Wenn man so will, dann konnten also viele derjenigen, die ihm bis dahin gefolgt waren, nun geistig und in der Folge auch buchstäblich nicht mehr folgen. Er hatte sie gespeist mit Brot und Fisch, er stillte ihren körperlichen Hunger, aber von was redet der Mann jetzt? Sein Fleisch essen, sein Blut trinken und dadurch in Ewigkeit leben? Selbst nach dem Wunder der Brotvermehrung: das ist dann doch ein Schritt zu weit für viele der Jünger. Und was ist mit uns heute und der Botschaften, die die Kirche für uns hat? Solange die Kirche sich um Arme und Bedürftige materiell kümmert ist ihr Engagement gerne gesehen: Aus Krankenpflege und Caritas, Altenheimen, Krankenhäusern, Kindergärten etc. ist die Kirche heute nicht wegzudenken. Aber wenn sie anfängt, ihrem eigentlichen Auftrag zu folgen, sich um unser Seelenheil zu kümmern, dann wenden sich viele ab. Nicht weil ihnen ihr Seelenheil an sich egal wäre, sondern weil das Rezept, das die Kirche vorschlägt ihnen als ungenießbar, unerträglich erscheint.
Die heutige Version von mein Fleisch essen, mein Blut trinken ist, global gefasst: Gott, Christus, der Kirche und ihren Hirten folgen! Dabei die Worte der Bibel aber auch die Erkenntnisse aus Tradition und Lehramt beachten. Demütig die Worte annehmen, die uns die der Heilige Geist durch seine Kirche durch die Jahrhunderte vorgelegt hat. Und natürlich diese Erkenntnisse auch auf das ganz konkrete Leben anwenden: Auf die Beziehung zu Gott, zum Ehepartner, zur Familie, zu Freunden, zur Gemeinde. Auf meine Lebensgestaltung im Hinblick auf Konsum, Freundschaft und Feindschaft, Beziehungen, ja auch Sexualität (als Thema um dass sich immer wieder Streitpunkte ranken).
Nun halten wir uns heute viel auf unseren Verstand zugute und Erkenntnis scheint fast ein Götze unserer Zeit zu sein: Vernunft statt Glaube, (logische) Erkenntnis statt (naiver) Glaube! Dem setzt Petrus, und er ist damit ein Beispiel für die zweite Gruppe, die zum Glauben kommt, eine ganz andere Logik entgegen, die einem beim schnellen Lesen des Evangeliums entgehen kann und mir bei meinem Text tatsächlich entgangen ist:
Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
(Johannes 6, 68-69)
Man könnte auch noch prägnanter sagen: Wir sind zuerst zum Glauben gekommen und haben danach, haben dadurch erkannt: Du bist der Heilige Gottes!
Der Papst zitiert hier seinen Lieblingsheiligen Augustinus, dessen Gedenktag wir zufällig heute feiern:
Über diesen Textabschnitt besitzen wir einen wunderschönen Kommentar des heiligen Augustinus. Es lautet: Seht ihr, wie Petrus durch Gottes Gnade und die Eingabe des Heiligen Geistes verstanden hat? Warum hat er verstanden? Weil er geglaubt hat. [ ] Er sagt nicht: wir haben erkannt und sind zum Glauben gekommen; erst kam der Glaube, dann die Erkenntnis. Wir mussten glauben, um erkennen zu können; denn hätten wir versucht, erst zu erkennen und dann zu glauben, hätten wir weder Erkenntnis noch Glauben je erlangt. Und was haben wir geglaubt, was erkannt? Dass du Christus bist, Gottes Sohn; dass du das ewige Leben selbst bist und uns mit deinem Fleisch und deinem Blut das schenkst, was du selbst bist (Kommentar zum Johannesevangelium, 27, 9).
Das stellt unsere Vorstellungen von Erkenntnis und Glauben in gewisser Weise auf den Kopf: ich habe erkannt, wie grundsätzlich die Stromversorgung im Haus funktioniert, ich habe immer wieder beobachtet, was passiert, wenn ich einen Lichtschalter betätige, also glaube ich, dass, wenn ich den Schalter betätige, das Licht an- oder ausgeht! Das ist unsere tägliche Erfahrung und es erscheint uns in vielen Fällen unmöglich, diesen Gedanken umzudrehen. Erst zu glauben, dann zu erkennen, und das auch ohne Test, ohne weltliche Gewissheit zu erlangen, das ist die Herausforderung, die Gott uns stellt.
In vielen Fällen lassen wir heute nicht gelten, was wir nicht testen, unter Laborbedingungen beweisen können. Nur: Gott entzieht sich diesem Labor. Er verlangt von uns Glauben! Und er gibt uns jede Menge Hilfen an die Hand, aber er ist derjenige, der sich wie Ratzinger in der Einführung ins Christentum beschreibt ganz außerhalb unserer Erfahrungswelt bewegt, der sich mit unseren weltlichen Augen, mit den Mitteln eines Labors nicht erkennen lässt. Wer also auf einen wissenschaftlichen Gottesbeweis wartet, der wird nicht nur den nicht bekommen, er wird auch Gott (auf diese Weise) nicht erkennen können, geschweige denn zum Glauben an ihn kommen. Wer sich aber umgekehrt auf das Wagnis des Glaubens einlässt, der wird auch zur Erkenntnis darüber kommen, wer Gott ist, wie Gott ist.
Vielleicht kann man das auch mit einer menschlichen Beziehung vergleichen, mit einer Ehe: wenn ich auf den wissenschaftlich nachvollziehbaren Beweis warte, dass meine Frau mich liebt (und meine Beziehung zu ihr von diesem Beweis abhängig machen will), werde ich diesen Beweis nicht nur nie finden, sondern ich werde sie auch nicht in ihrem Wesen erkennen und lieben können. Wenn ich sie aber liebe und an ihre Liebe glaube, auf ihre Liebe vertraue, dann entdecke ich tausende Dinge an ihr, die mir beweisen, dass sie mich liebt.
So wie uns instinktiv klar sein dürfte (jedenfalls dann, wenn wir psychisch ganz gesund sind), dass sich die Liebe unseres Ehegatten nicht bewiesen werden kann und auch nicht bewiesen werden muss, so wird uns durch den Glauben an Gott klar, dass Gottes Anwesenheit in unserem Leben keines Beweises bedarf, sondern sich uns selbst im Glauben beweist okay, der letzte Satz ist ein bisschen kryptisch, aber vielleicht zusammen mit dem Vorgesagten verständlich. So ist es dann aber auch kein Wunder, wenn wir beim Glauben von einem Geschenk Gottes sprechen, dass er jedem macht, und zu dessen Erfüllung wir Ja sagen müssen. Dieses Ja ist allerdings nur vermeintlich einfach, verlangt es doch eben genau eine Zustimmung ohne (weltliches) Wissen, der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser, das sich für alle, die ihn wagen als angenehmes Bad entpuppt (naja, meine Bilder waren auch schon besser). Gott bietet uns an, an ihn zu glauben (ohne den Zweifel ganz auszuräumen) und als Ergebnis erkennen wir ihn in unserem Leben immer mehr. Das ist das, was Petrus erkannt hat, nicht weniger verspricht Gott uns, als das wir ihn selbst erkennen, indem wir an ihn glauben, und in diesem Glauben und Erkennen ihn immer mehr zu lieben lernen!
So relativiert sich auch der Seitenhieb sei erlaubt der Einwand einiger Atheisten, Religion sei etwas für Menschen, die für die Wissenschaft zu dumm sind. Andersherum wird ein Schuh draus: Wer sich gegen den Glauben wehrt, den Glauben nicht zulässt, wer sich des Glaubens nicht zu bedienen lernt, dem bleiben wesentliche Erkenntnisse versagt wie dumm kann man sein, diesen Zustand der Negation eines Erkenntnismittels als intelligent zu betrachten?
Beten wir also für uns, beten wir für jeden Menschen, vor allem auch für die, die sich dagegen wehren, dass wir und sie Gottes Geschenk des Glaubens annehmen können und so zu echter Gotteserkenntnis gelangen, zur Erkenntnis, wie sehr Gott uns liebt und damit Gott auch zu lieben lernen!
Zu guter letzt noch quasi als Zusammenfassung dieses Beitrags der Satz, der Anselm von Canetbury:
Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam.
Denn ich suche nicht zu {erkennen, begreifen, verstehen}, damit ich glauben, sondern ich glaube, damit ich {erkennen, begreifen, verstehen} kann.
[intelligere wird unterschiedlich übersetzt]
(Quelle: wikipedia)
Oder kurz und bekannter: Credo ut intelligam!