Meckern kann ja jeder diese Weisheit ist nichts eigentümlich Christliches sondern wohl Allgemeingut! Und in der Tat: Gegen irgendwas anzustänkern ist immer einfach, das Haar in der Suppe zu finden, das liegt vielen von uns in den Genen. Umsetzbare Verbesserungsvorschläge zu machen fällt uns da schon deutlich schwerer also belassen wir es ab und an beim Meckern und beerdigen Ideen, die uns einfach nicht in den Kram passen, bevor sie noch recht durchdacht sind.
Umgekehrt: Meckern kann ja jeder ist auch ein Totschlagargument! Der Kritiker einer Idee muss nicht im Unrecht sein, wenn er keinen besseren Vorschlag hat: Die Idee kann grottenverkehrt sein und daran ändert auch die Tatsache nicht, dass man keine bessere hat. Man will doch nicht ernsthaft einen falschen Weg einschlagen, nur weil man den richtigen (noch) nicht kennt?
Und wenn die Formulierung also zwei Seiten hat, so ist es gut, sich selbst bei Kritik auch in Frage zu stellen will ich die Idee einfach nicht oder ist sie einfach nicht gut? Diese Frage stellt sich so zum Beispiel auch bei dem hier schon erörterten Aufruf Ökumene jetzt: Bin ich als Dunkelkatholik so verbrettert, dass ich den Wert der Initiative nicht erkennen kann oder ist sie, wie ich beschrieben haben, am Ende nur alter Wein in neuen Schläuchen und geht an den wesentlichen Themen zur Ökumene vorbei, indem diese Themen schlicht als unwesentlich karikiert werden?
Wie als ob er eine Antwort drauf geben wollte, findet man seit einigen Tagen einen Artikel von Pater Klaus Mertes SJ auf der Seite der Initiative, der den Titel Ökumene der Märtyrer trägt und in dem er an den gemeinsamen Kampf katholischer und evangelischer Geistlicher und Gläubiger im Widerstand des dritten Reichs erinnert, namentlich vor allem Helmuth James von Moltke und dem Jesuiten Alfred Delp, die durch ihren gemeinsamen Kampf gegen die Feinde der Menschheit (und so muss man die Nazis der damaligen Zeit sicher sehen) zusammengeschweißt wurden, und wie Briefe und Erinnerungen bezeugen sich dabei auch an die Konfession des anderen angenähert haben. So wird von Moltke wie folgt zitiert:
Letzten Ende entspricht diese Zuspitzung auf das kirchliche Gebiet dem inneren Sachverhalt und zeigt, dass Freisler eben doch ein guter politischer Richter ist. Das hat den ungeheuren Vorteil, dass wir nun für etwas umgebracht werden, was wir a. gemacht haben, und was b. sich lohnt Wir sind nach dieser Verhandlung aus jeder praktischen Handlung raus, wir werden gehenkt, weil wir zusammen gedacht haben Dass ich als Martyrer für den Heiligen Ignatius von Loyola sterbe und darauf kommt es letztlich hinaus, denn alles andere war daneben nebensächlich -, ist wahrlich ein Witz, und ich zittere schon vor dem väterlichen Zorn von Papi, der doch so antikatholisch war. Das andere wird er billigen, aber das? Auch Mami wird wohl nicht ganz einverstanden sein Das Dramatische an der Verhandlung war letzten Ende Folgendes: In der Verhandlung erwiesen sich alle konkreten Vorwürfe als unhaltbar, und sie wurden auch fallen gelassen. Nichts davon blieb. Sondern das, wovor das dritte Reich solche Angst hatte ist letzten Ende nur folgendes: ein Privatmann, nämlich dein Wirt [Ehemann], von dem feststeht, dass er mit zwei Geistlichen beider Konfessionen, mit einem Jesuitenprovinzial und mit einigen Bischöfen, ohne die Absicht, irgendetwas Konkretes zu tun, und das ist festgestellt, Dinge besprochen hat, `die zur ausschließlichen Zuständigkeit des Führers gehören´.
Das auch sonst ergreifende Zeugnis, dass die Christen hier abgegeben haben, ist ein wunderbares Beispiel dafür, wo sich Christen quasi-ökumenisch gemeinsam einbringen können und müssen: wenn Gottes Schöpfung, in sich gut und nur mit einer gefallenen Natur geschlagen, systematisch geschädigt wird, dann ist es für uns Christen, die an Gott und an Jesus Christus und sein Evangelium glauben, Zeit aufzustehen, Zeugnis zu geben (Martyrium) und die Welt auf den rechten Weg zurückzuführen. Wir alle wissen, dass es in beiden wesentlichen Konfessionen nicht nur Lichtgestalten gegeben hat sonder auch Mitläufer und Mittäter aber gerade weil es diese gibt, sind wirkliche Christen umso mehr aufgefordert zu widersprechen.
Das ganze hat aber im Rahmen der Ökumene (und deshalb habe ich den Begriff quasi-ökumenisch benutzt) zu keinem Fortschritt geführt: es ist eine Binsenweisheit, die auch in dem Aufruf Ökumene jetzt formuliert wird, dass wir Christen viel gemeinsam haben. Und dieses Gemeinsame zu nutzen, zum Beispiel den Wert eines Menschen vor Gott zu schätzen und uns so gegen menschenverachtende Politik und menschenverachtendes Verhalten zu stellen, das ist eigentlich nicht mehr als das, was man von Koalitionen erwarten kann, die in die gleiche Richtung arbeiten (auf diese Art könnte man die Zusammenarbeit von Hitler und Stalin auch als Sozialismus-Ökumene beschreiben: viel Gleiches aber natürlich auch viele Unterschiede).
Damit will ich das Zeugnis der benannten Märtyrer nicht gering schätzen, im Gegenteil: es war sicher damals noch deutlich schwerer als heute, sich mit konfessionsverschiedenen Gleichgesinnten zusammen zu tun, wie auch der Textausschnitt und die erwartete Reaktion der Eltern beschreibt. Nur: Ökumene wie diese, hat es zu jeder Zeit gegeben, und sie gibt es heute umso mehr! Es ist wie ich schon im anderen Artikel geschrieben habe ja nicht so, dass man die Konfessionen samt ihrer Führungsmannschaft erst daran erinnern müsste, dass sie in Fragen bspw. der Caritas zusammenarbeiten können und müssen: sie tun es seit langem!
Kritisch wird es aber in zwei Fällen: wenn man sich nicht mehr einig ist, was denn gut und richtig ist, und wenn man versucht, mit den Gemeinsamkeiten die Differenzen zuzuschütten. Letzteres habe ich in meinem oben verlinkten Beitrag beschrieben: Eucharistie, Sakramentenverständnis etc. mögen für evangelische und einen Gutteil katholischer Christen eine reine Äußerlichkeit sein, wer sich aber mit dem Glauben an diese Lehren auseinandersetzt, der kann nicht umhin zu erkennen, dass diese Unterschiede einer Einheit der Kirche immer im Weg stehen werden. Der erste Punkt, Unterschiede in der Einschätzung, wofür man denn einzutreten hat, ist aber mindestens genau so gefährlich für eine echte Ökumene: Wenn sich die Kirchen heute nicht darüber einig sind, wie bspw. Empfängnisverhütung und künstliche Befruchtung, wie Gentechnik und Sterbehilfe/Euthanasie zu bewerten sind, dann stellt sich die Frage, ob man hier zu einem gemeinsamen Zeugnis kommen kann. Eine Ökumene zwischen einem katholischen Widerstandskämpfer und einem evangelischen Mittäter (und umgekehrt) hat es auch im dritten Reich nicht gegeben und so wird man den Umstand, wenn eine evangelische Bischöfin die Pille in einer katholischen Kirche als Geschenk Gottes betitelt, kaum als Meilenstein der Ökumene betrachten können (ich höre schon den Einwand, dass man das doch nicht vergleichen könne … und widerspreche: doch, man kann!)
Wie eingangs schon gesagt: das soll nicht bedeuten, dass man die gemeinsamen Aktivitäten auf allen Hierarchieebenen der katholischen und evangelischen Kirche kleinreden sollte: das Zeichen, dass hier auch in der Welt gegeben werden kann, kann man vermutlich gar nicht überschätzen so wie man das Zeichen der ökumenischen Märtyerer zu allen Zeiten nicht überschätzen kann! Insofern ist der Bericht von Klaus Mertes wichtig und richtig (und stimmt mich nebenbei milder, was die ganze Aktion angeht) aber um dieser Zeichen willen die wesentlichen Inhalte aufzugeben verwässert nicht nur die Ökumene, verwässert nicht nur den Glauben (was schon schlimm genug wäre) es verwässert auch die Zeichen, die dann nur noch beliebig wirken und die Tendenz haben werden, sich der Welt anzugleichen. Gott bewahre uns vor einer Einheitskirche die nicht gleichzeitig Stachel im Fleisch der Welt ist!
Bettina Klix
Danke für diesen wunderbaren Beitrag!
Wer dazu weiter lesen und sich inspirieren lassen möchte: Mir hat das Buch „Die Predigten von Plötzensee. Zur Herausforderung des modernen Märtyrers“, Lukas Verlag, die Augen geöffnet. Einer der beiden Herausgeber Gerhard Ringshausen zitiert in seinem Aufsatz zum Thema „ökumenische Verpflichtung“ das Vermächtnis Delps an den Protestanten Gerstenmaier (der der Dritte im Bunde mit Moltke war)“Sorge dafür, dass unsere Kirchen in ihrer Uneinigkeit unserem gemeinsamen Herrn nicht mehr Schande machen. Wir haben es so lange getan. Es soll und muss ein Ende haben.“