Alexander Görlach hat im Online-Magazin einen beachtenswerten Beitrag zur Debatte um die Neuregelung der Kirchenaustritte in Verbindung mit der Fragen nach der Kirchensteuer geschrieben. Für beachtenswert halte ich den Artikel schon deshalb, weil er in gewisser Weise meiner Denkrichtung folgt, die beiden Themen Kirchenaustritt und Erhebung von Kirchensteuer soweit als möglich zu trennen. Auch er vermengt die Themen soweit, wie dies eben auch notwendig ist: Das was die Kirche in der Welt leistet finanziert sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Wenn nicht aus Erträgen aus dem Verkauf von Klosterlikören, wie sollte die Kirche die karitativen Leistungen und Einrichtungen finanzieren, wenn nicht über die Beiträge der Mitglieder?
Dadurch wird auch klar, weshalb sich das Dekret der DBK hinsichtlich der Neuregelung zum Kirchenaustritt unter anderem auch auf die Unterstützungsverpflichtung ihrer Mitglieder bezieht (Wer vor der zuständigen zivilen Behörde aus welchen Gründen auch immer seinen Kirchenaustritt erklärt, verstößt damit [ ] gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 §1 CIC i.V.m. c. 1263 CIC).). Wer unserer Mutter Kirche im Rahmen seiner Möglichkeiten keine Mittel zur Verfügung stellen will, wird letztlich an der Einschränkung ihrer Leistungen schuldig.
Görlach schreibt also:
Ist jemand in voller Gemeinschaft mit dem Tischeumschmeißer (Anm.: gemeint ist Jesus Christus, geht aus dem Zusammenhang weniger provokativ hervor, als es aus dem Zusammenhang gerissen wirkt), der der heiligen Mutter Kirche den Zehnten verweigert? Nein, sagen die deutschen Bischöfe. Und recht haben sie.
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Klar ist: Wer seine Religion nicht dabei materiell unterstützt, dass sie ihren Selbstvollzügen nachgehen kann, der kann natürlich nicht an diesen Vollzügen partizipieren. Es ist dann auch nicht herzlos, wenn die Kirche die aus ihr Ausgetretenen nicht nach ihrem Ritus beerdigt, sondern konsequent. So weit, so allgemein gültig nicht nur für die christlichen Kirchen, unabhängig davon, wer wo wie die Abgabe einzieht: Religionsgemeinschaften müssen von ihren Mitgliedern Beiträge erheben, die den Bestand der Gemeinschaft über den Tag hinaus gewährleisten.
So kann man, so muss man das wohl sehen, auch wenn die Frage des erklärten Austritts hier nicht weiter thematisiert wird. Wer heute aus der Kirche austritt, sich von ihr lossagt, tut eben noch mehr als die Zahlung des Beitrags zu verweigern.
Problematisch wird es aber genau an dieser Stelle: Letztlich kann ich in Deutschland nur gleichzeitig aus der Kirche austreten und die Zahlung meines Beitrags, in Form der Kirchensteuer verweigern wenn nur eines ginge, müsste man sich über die Vermengung gar keine Gedanken machen.
Ebenso treffend schreibt Görlach hierzu:
Nun zum Besonderen: Die Kirchen in Deutschland erheben auf der Einkommens- und Lohnsteuer einen monatlichen von diesen Steuern abhängigen Fixbetrag von ihren eingetragenen Mitgliedern. Geht es noch? Dieses Format ist ebenso altbacken wie unverschämt: Wer ist denn irgendwo Mitglied, lebenslänglich und lässt sich von dem Verein, der Institution, der Partei ein Leben lang ins Portemonnaie schauen und was rausziehen? Die Kirchen müssen selbstverständlich um ihre Einnahmen werben, sie müssen den Kirchenmitgliedern verständlich machen, was sie mit dem Geld machen.
Genau da liegt der Hase im Pfeffer und genau daraus resultiert der Furor, der auch und besonders in kirchen- und papsttreuen Kreisen über die Neureglung (die im Wesentlichen nur eine Bestätigung der alten Regelung ist) herrscht. Dort macht man sich Gedanken, was mit dem Beitrag, den man an die Kirche leistet, eigentlich finanziert wird. Sicher kann man nicht jede einzelne Ausgabe durch die Mitglieder der Kirche quasi genehmigen lassen, was aber fehlt in progressiven wie in konservativen Kreisen, jeweils mit unterschiedlichem Schwerpunkt ist das generelle Vertrauen, dass mit dem Geld Gutes getan wird. So einfach wäre es ja: Tut Gutes mit dem Geld und niemand wird sich beschweren (es sei denn, er käme zu einer anderweitigen Auffassung davon, was Gut ist, der sich dann aber auch aus diesem Grund von der Kirche lossagen müsste).
Kardinal Woelki hat es in seiner heutigen Predigt bei der Herbstvollversammlung der DBK auf den Punkt gebracht, was die Aufgabe der Apostel damals, die Aufgabe der Bischöfe und auch unsere Aufgabe als Christen und Kirche heute ist und zur Aktivität aufgefordert:
Zwölf unterschiedliche Charaktere und zunächst nur diese Zwölf sendet der Herr in die Welt. Ihr Auftrag, ihre Mission lautet: Dämonen austreiben, Kranke heilen, das Reich Gottes verkünden.
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Wir haben einen Auftrag, eine Aufgabe. Wir alle haben eine solche, eine Lebens-Aufgabe: Gottes Reich zu verkündigen. Und zwar in Wort und Tat!
Zur Erfüllung dieser Aufgaben gehört auch eine entsprechende Infrastruktur und Organisationsstruktur die Kosten verursacht, und so ist es klar, dass nicht jeder Euro Kirchensteuer direkt einem (geistlich oder physisch) Bedürftigen zugute kommen kann. Wer aber heute versucht, einem aufgeschlossenen Kirchenkritiker klar zu machen, was gut daran ist, wenn die Katholische Kirche einen Verlag führt, der sich noch dazu dadurch auszeichnet, kein besonders katholisches Programm zu haben (ja, auch wenn es der eine oder andere nicht mehr hören kann, Weltbild bleibt ein Skandal in der Kirche), was gut daran ist, Einrichtungen wie ZdK, BDKJ, kfd etc. zu finanzieren, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kirchenlehre zu unterlaufen, was gut daran ist, wenn über diese Strukturen Geld verschleudert wird, der steht auf verlorenem Posten. Daran ist nichts gut, und ganz offenbar, das Schweigen der Verantwortlichen spricht Bände, ist das auch den Bischöfen klar.
Eine Kirche hat keinen fast marktführenden Verlag und Online-Handel zu führen und hat auch keine antikirchlichen Gremien zu alimentieren jedenfalls nicht mit dem Geld der Gläubigen, die zu Recht erwarten, dass mit diesem Geld Gutes getan wird. So wird der eine oder andere (weniger die kirchentreuen Christen) eben auf die Idee kommen, sein Geld sei bei Greenpeace besser aufgehoben.
Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, das Vertrauen, dass die Kirchenoberen mit dem Geld schon das richtige tun werden, ist dahin. Es wäre vor dem Hintergrund letztlich eine gute Entscheidung, von der Kirchensteuer abzurücken und darauf zu vertrauen, dass die Gelder als Spenden geleistet werden, die heute automatisch fließen. Dieser Automatismus ist es ja, der dazu verführt, die Mittel in Dingen zu versenken, die mit dem eigentlichen Auftrag der Kirche nichts mehr zu tun haben. Hierbei ließen sich bestimmt auch Übergangslösungen denken, wie sukzessive Senkungen der Kirchensteuersätze und Offenlegung der finanziellen Auswirkungen (wenn sich mir der Vorschlag von Herrn Görlach mit Tickets unterschiedlicher Größenordnung nicht ganz erschließen mag).
So wie richtigerweise seitens der DBK festgestellt wird, dass ein zivilrechtlich erklärter Kirchenaustritt als förmliche Distanzierung von der Kirche eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft darstellt so bleibt auch richtig, dass man mit der damit verknüpften Kirchensteuer ein Zwangszahlungsinstrument (jedenfalls wenn man sich der katholischen Kirche insgesamt und aus dem Glauben heraus verpflichtet fühlt) in Händen hält, dass sich heute auch nicht mehr aus der geschichtlichen Säkularisierung verargumentieren lässt. Dass man aus diesem ZdK/BDKJ/kfd-Zwangsfinanzierungssystem nur ausscheiden kann, wenn man einen Bruch mit der Kirche dokumentiert und damit wissentlich in einen Gewissenskonflikt gestürzt wird, das ist das eigentliche Ärgernis am Kirchensteuersystem. Ein Ausstieg aus dieser Finanzierungsform würde sicher zur Verwerfungen auch im ganzen Sozialsystem Deutschlands führen, aber hier wie an vielen Stellen gilt, dass es kein Raum für Kompromisse mit dem Mammon geben darf!
Und ganz nebenbei käme es auch zu einer „Abstimmung mit dem Geldbeutel“ innerhalb der Kirche statt mit den Füßen raus aus der Kirche: Was wird in der Kirche finanziert und was nicht?! Ich kenne jedenfalls eine Kontonummer, die ich auswählen kann, wenn ich die Ausbildung von Priestern unterstützen will. Die würden sicher einen Großteil meines „Zehnten“ bekommen, wenn ich über den frei verfügen kann!
Kleiner Nachtrag: Dieser Beitrag war abgeschlossen vor der heutigen Gerichtsentscheidung über die rechtliche Wirkung von Kirchenaustritten – dazu wird sicher auch bei Gelegenheit zu schreiben sein, ändert aber nichts an dem oben Geschriebenen.
Eugenie Roth
Ich gebe Ihnen zutiefst Recht – und frage gleichzeitig in Blick auf Frankreich: wie viele schöne Kirchen werden dann verfallen?
Papsttreuer
In der Tat besteht wohl die Gefahr, dass bei reduzierten Mitteln die erwähnten Strukturen zu Lasten des Geistlichen aufrecht erhalten bleiben – DAS wäre aber auch ein Zeichen, von dem ich hoffe, dass es die Verantwortlichen in der Kirche, dass wir alle es nicht geben wollen. Dazu gehört aber, das gebe ich zu, eine Spur Optimismus!
Eugenie Roth
tut mir leid, das folgende kapiere ich nicht. Könnten Sie das mal anders ausdrücken? Mit so manchen deutschen Ausdrucksweisen habe ich leider so meine Probleme… : „dass wir alle es nicht geben wollen.“
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MERCI
Papsttreuer
Da muss ich mich entschuldigen, das habe ich so unglücklich ausgedrückt, dass ich selber erst mal nachdenken musste :)
Gemeint habe ich, dass ich hoffe, dass weder die Verantwortlichen in der Kirche noch wir Gläubigen, es soweit kommen lassen, die geistlichen Räume und Kirchen verfallen zu lassen. Denn das wäre ein Zeichen dafür, wie wenig einem diese Räume schon heute bedeuten, und dass wir sie uns nur leisten, weil das Geld dafür da ist.
Ich hoffe, das macht es etwas klarer?
Herzliche Grüße und Gottes Segen!