Irgendwann, wenn ich ihn mal unter vier Augen erwische, werde ich den Papst bitten, doch seine Predigten, Ansprachen und Katechesen ein bisschen theologischer und wie soll ich sagen wissenschaftlicher zu formulieren. Denn dann hätte ich als Blogger die Chance, seine Worte aufzugreifen und sie in die Sprache der Laien zu übertragen und würde mich als würdigen Helfer der Verbreitung seiner Botschaften fühlen. Aber so wie die Dinge liegen, wird mir der Papst diesen Gefallen nicht tun sondern weiterhin seine Worte so wählen, dass sie auch verstanden werden. Und mir bleibt dann nur die Rolle, zu versuchen seine Lehren, die nichts anderes sind als die Lehren Jesu in unsere Zeit übersetzt, noch ein bisschen weiter zu verbreiten als sie das bislang tun.
Ein gutes Beispiel für das was ich meine ist die Ansprache des Papstes aus der Generalaudienz vom vergangenen Mittwoch, mit der er seine Reihe zum Jahr des Glaubens fortgesetzt hat. Als ich den Text gestern gelesen habe, sagte ich zu mir selbst Na toll, das kannst du im Blog doch maximal wiederholen, aber was willst du denn da noch ergänzen? natürlich werde ich es trotzdem versuchen, indem ich auf die Stellen eingehe, die mich besonders berührt haben.
Der Papst spricht hier über das Verlangen des Menschen nach Gott, das er in sich trägt, das Gott in den Menschen gelegt hat. Eigentlich ist das für einen Katholiken keine besondere Neuigkeit, spannend und spannungsreich ist das eher im Dialog mit Nichtglaubenden, mit Atheisten. Jemand, der die Existenz Gottes ablehnt, wird natürlich den Gedanken, dass dieser nichtexistente Gott irgendein Verlangen in ihn gelegt habe, ablehnen. Er wird versuchen, den Wunsch nach Transzendenz psychologisch, vielleicht biologisch zu erklären. Für den Glaubenden aber ist klar: es ist Gott, der uns zu sich zieht! Wie immer, er zwingt uns nicht, aber er legt diese Sehnsucht nach ihm in uns, damit wir freiwillig zu ihm kommen können. Der Papst sagt:
In Wahrheit ist das eingangs erwähnte Verlangen nach Gott nicht vollkommen verschwunden. Es wird auch heute noch in vielerlei Formen im Herzen des Menschen spürbar. Das menschliche Verlangen strebt stets nach konkreten Gütern, die oft alles andere als geistlich sind. Dennoch gelangt es vor die Frage, worin das Gute tatsächlich besteht, und wird somit mit einer außerhalb seiner selbst liegenden Realität konfrontiert. Diese kann der Mensch nicht selbst schaffen. Er ist dazu aufgerufen, sie anzuerkennen. Wodurch kann das menschliche Verlangen nun tatsächlich gestillt werden?
Deutlich wird dadurch: unser Verlangen das selbst Atheisten nicht verneinen, nach weltlichen Gütern fußt eigentlich auf unserem Verlangen nach dem Guten, nach dem Guten schlechthin, eben nach Gott. Das beantwortet auch die Frage, die der Papst, fast rhetorisch, am Ende des zitierten Absatzes stellt: Ob bewusst oder nicht: wir suchen nach Gott und nur er kann unser menschliches Verlangen wirklich stillen.
Bedeutsam ist das besonders dann, wenn man das Verlangen mit einem anderen starken menschlichen Verlangen in Beziehung setzt: die Liebe zwischen zwei Menschen. Dass ein neues Auto oder ein neues Haus unser tiefstes Verlangen nicht lange ruhigstellen kann, ist für viele noch nachvollziehbar. Aber sollte mich denn die Liebe zu einem Menschen nicht vollständig glücklich machen? Eine nicht unerhebliche Zahl von Liebesliedern beschreibt genau diesen ersehnten Zustand die große Liebe, die alles andere in den Schatten stellt und unsere Suche nach Erfüllung zu einem Ende kommen lässt. In diese Richtung beschreibt auch zunächst der Papst:
Durch die Liebe erfahren Mann und Frau auf neue Weise gemeinsam die Größe und die Schönheit des Lebens und des Wirklichen. Wenn das von ihnen Erfahrene mehr ist als eine Illlusion, wenn der eine das Gute für den anderen als Weg zum Guten für sich selbst begreift und daher wünscht, so setzt dies die Bereitschaft zur De-Zentrierung, zum Dienst am anderen bis zur Aufgabe seiner selbst voraus. Zentrale Aspekte des Sinns der Erfahrung der Liebe sind die Reinigung und die Überwindung des Wollens als Ausdruck der liebenden Wohlgesinntheit dem anderen gegenüber. Das tatsächliche Wollen dieses Guten erfordert unser Bemühen, Übung und gegebenenfalls Korrektur.
Das klingt doch schon mal gar nicht schlecht, kommt dem, was wir suchen schon sehr nahe. Aber der geliebte Mensch ist nun auch eben genau das: ein Mensch, und die Frage ist berechtigt, ob ein Mensch denn diese Erfüllung geben kann (man müsste dann auch ergänzend fragen, ob denn ein Mensch, der keine menschliche Liebe im Sinne einer Ehefrau oder eines Ehemannes hat, dann verurteilt wäre, die Erfüllung nicht zu erlangen.
Interessant ist dabei die Betrachtung des Papstes, dass das Bewusstsein, dass ein Mensch das Verlangen nicht stillen kann, nach dem er sucht, nicht direkt auf Gott schließen lässt:
Selbstverständlich kann dieses tiefe und etwas Rätselhaftes verbergende Verlangen nicht unmittelbar zum Glauben führen. Letzten Endes ist dem Menschen genau bewusst, was sein Verlangen nicht stillt, doch er besitzt keine Vorstellung und keine Möglichkeit der Benennung dessen, was ihm jenes Glück, nach dem er sich im Herzen sehnt, zuteil werden lassen könnte. Das menschliche Verlangen allein genügt nicht, um Gott zu erkennen. Ausgehend von dieser Betrachtungsweise bleibt das Mysterium bestehen: Der Mensch begibt sich mit kleinen und unsicheren Schritten auf die Suche nach dem Absoluten. Dennoch ist bereits die Erfahrung des Verlangens, des unruhigen Herzens, wie es der hl. Augustinus bezeichnete, äußerst bedeutungsvoll. Diese Erfahrung ist ein Zeichen dafür, dass der Mensch im Grunde ein religiöses Wesen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 28), ein Bettler um Gott ist.
Stellt sich am Ende also die Frage, wie uns das Verlangen, oder anders, welche Erfüllungen uns Gott näherbringen. Hier weist der Papst auf einen einfachen Sachverhalt hin, nämlich, dass die Erfüllung mancher Wünsche und wachsen lässt, andere Erfüllungen uns mit einem bitteren Beigeschmack zurücklassen:
Nicht jede Form der Genugtuung erzeugt dieselbe Wirkung in uns: Manche hinterlassen eine positive Spur. Sie führen zur Beruhigung des Geistes, beleben uns und fördern unsere Großzügigkeit. Andere hingegen scheinen nach dem Erlöschen des ersten Feuers unsere ursprünglichen Erwartungen zu enttäuschen und hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack, Unzufriedenheit und ein Gefühl der Leere.
Erstere führen uns zu Gott, letztere von ihm weg. Auch das ist etwas, das man lernen muss. Oder wieder anders: man muss die erstere Art der Erfüllung kennenlernen um zu wissen, dass die letztere keine wirklichen Erfüllungen sind.
Auch Erwachsene müssen diese Freuden wiederentdecken und authentische Realitäten wünschen, sich aus der Verwicklung der Mittelmäßigkeit befreien. So wird es leichter, sich von jenen Dingen zu lösen, die auf den ersten Blick zwar attraktiv erscheinen, in Wahrheit jedoch heimtückische Fallen der Gewohnheit verbergen, die uns nicht die Freiheit schenken. Dabei zeigt sich das Verlangen nach Gott, das Gegenstand dieser Betrachtung ist.
Da wären wir nun also bei Gott, bei unserem inneren Verlangen, an ihn zu glauben. Eine Erkenntnis, ich erwähnte das am Anfang, die einem gläubigen Menschen nicht fremd sein wird. Diese Erkenntnis hilft aber bei der Frage, wie man denn mit einem Unglaubenden umzugehen hat. Wir sind nach den Worten des Papstes innerlich überzeugt, dass jeder Mensch, und mag er sich noch so überzeugt atheistisch geben, auf der Suche nach dem Glauben, nach Gott ist, einfach weil dieses Verlangen von Gott in ihn gelegt wurde. Dieses Bewusstsein ist wichtig, um nicht einen einzigen Menschen verloren zu geben. Ein Mensch mag sein Verlangen nach Gott ablehnen oder negieren, er mag sein Verlangen mit weltlichen Genüssen zu befriedigen versuchen, ganz ersticken kann er dieses Verlangen nicht. Und je weiter er sich auf diesem Weg von Gott entfernt, umso größer wird sein innerer Schmerz werden, den er doch nicht zu akzeptieren oder nicht zu deuten vermag und ihn mit immer weiteren, ihn von Gott wegführenden Befriedigungen betäubt. Was aber wie eine Spirale der Verzweiflung klingt hat einen Ausweg, der wie könnte es anders sein in Gott selbst liegt. So wie Gott für jeden Gläubigen, der sich dessen hoffentlich bewusst ist, die Erlösung darstellt, so ist er auch die Erlösung für den Unglaubenden, der das naturgemäß nicht weiß, dem wir aber auf dem Weg helfen können. Und mit diesen Erläuterungen des Heiligen Vaters, die ich einfach nicht besser auszudrücken vermag, möchte ich diesen Beitrag denn auch schließen, und verabschiede mich zu einem Exerzitienwochenende drei Tage im Gespräch mit Gott, der meine Sehnsüchte und auch meine Abirrungen kennt und sicher einen Plan dafür hat, mein Verlangen nach ihm in die richtigen Bahnen zu lenken:
Die Dynamik des Verlangens bleibt stets offen für die Erlösung; auch wenn es uns auf Abwege führt, sich auf den Spuren künstlicher Paradiese bewegt und scheinbar das wahrhaft Gute nicht mehr zu ersehnen vermag. Selbst der Abgrund der Sünde bringt jenen Funken im Herzen des Menschen nicht zum Erlöschen, der ihn das wahrhaft Gute erkennen und erfahren lässt und auf diese Weise einen Weg nach oben weist. Auf diesem Weg steht uns Gott mit dem Geschenk seiner Gnade stets zur Seite. Wir alle müssen uns als Pilger in die himmlische Heimat, zum vollkommenen und ewigen Guten, das uns niemand entreißen kann, auf einen Weg der Reinigung und der Heilung vom Verlangen begeben. Das Ziel ist daher nicht die Erstickung des im Herzen des Menschen lebendigen Verlangens, sondern dessen Befreiung, auf dass es sich zu seiner wahren Höhe erheben kann. Wenn sich im Verlangen das Fenster zu Gott öffnet, so ist dies bereits ein Zeichen des Glaubens in der Seele, der durch Gottes Gnade geschenkt wurde. Der hl. Augustinus hat dazu folgendes festgehalten: In der Erwartung vergrößert Gott unser Verlangen. Mit dem Verlangen weitet er unsere Seele. Dadurch vergrößert sich ihre Fähigkeit (Kommentar zum ersten Johannesbrief, 4,6: PL 35, 2009; eigene Übersetzung).