Wer Kinder hat (oder sich erinnern kann, mal eins gewesen zu sein) der erinnert sich vielleicht an den einen oder anderen Reim oder ein Spiel wie:
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? – Niemand! – Und wenn er kommt? – Dann laufen wir!
Oder dieses Lied:
Auf der Eisenbahn / steht ein schwarzer Mann / schürt das Feuer an, / daß man fahren kann
Wem jetzt noch nicht der Atem stockt, der sollte ganz dringend mal seine politische Gesinnung in Frage stellen, bevor ihn die Sozialklempner aus allen Standardparteien zur Umerziehung auswählen! Denn eines ist sicher: diese Texte sind der gut konditionierte Leser ahnt es schon: rassistisch!
Gut, ich selbst habe mir bei beiden Texten in meiner Jugend nix gedacht, sie hatten nicht mal das Potenzial zum Rassismus: in der Kleinstadt in der ich in den 70ern aufgewachsen bin, war die Assoziation vom schwarzen Mann zum (ich muss das so schreiben, alleine um den einen oder anderen PC-verrückten zu ärgern) Neger oder eben Dunkelhäutigen gar nicht gegeben, weil sie schlicht nicht anwesend waren. Ab und zu tauchte mal einer als amerikanischer Soldat bei einem Manöver in der Stadt auf, der, wie seine andersfarbigen Kameraden auch, meist Schokolade und Kaugummi für uns Kinder parat hatte Angst haben musste man vor denen als Kind also gar nicht, besonders waren sie aber natürlich schon. Eine Tante von mir war auch mit einem Schwarzen verheiratet, was so wird mir erzählt trotz der Befürchtungen meiner Eltern bei der ersten Begegnung aber auch nicht zu Tränen oder Angst geführt hat (und ich war so wird zu meinem Entsetzen gerne auch immer wieder erzählt ein eher ängstliches Kind).
Tut aber nix zur Sache, dass man bei dem schwarzen Mann auf der Eisenbahn tatsächlich eher an einen rußgeschwärzten Heizer und bei dem schwarzen Mann in dem Lied eher an einen Schornsteinfeger denkt gesellschaftlicher Konsens ist: der Text ist rassistisch und gehört abgeändert (was die eine oder andere Kindergartenbetreuerin vor nicht unerhebliche Probleme stellt) basta! Und wir, Eltern und Zielgruppe der Volkserzieher, folgen dem natürlich brav: Als Rassist will man ja nun wirklich nicht gelten!
Das haben sich vielleicht auch die Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt gedacht und sich schützend vor ihre Schornsteinfeger gestellt. Damit die nicht mit Rassismus in Verbindung gebracht werden (obwohl sie ja genau genommen eher Opfer der Kinderreime sind sind als Täter) haben sie einem rechtsextremen Schornsteinfeger (das heißt einem, der für die NPD, einer in Deutschland nicht verbotenen Partei, aktiv ist und ganz offenbar ein etwas krudes Weltbild hat) den Kehrbezirk entzogen. Jetzt könnte man natürlich ein bisschen darüber schreiben, in welcher Art von Marktwirtschaft eigentlich das Kaminkehren in einer Art geregelt ist, dass exklusive Kehrbezirke zugeteilt werden aber das wäre ein anderes, wenn auch nicht uninteressantes Thema. Vielleicht aber auch nicht, denn nur die Tatsache, dass man sich hier in diesem Geschäftsfeld im real existierenden Sozialismus befindet, ermöglicht und erfordert genau das Vorgehen, das jetzt hier gewählt wurde und das nichts anderem entspricht als einem Berufsverbot qua Gesinnungskontrolle.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: man schafft einen regulierten Markt, in dem ein freier Schornsteinfeger ohne weiteres gar nicht tätig werden darf, und sieht sich aus diesem Grund gezwungen, die Gesinnung des Planwirtschaftshandwerkers zu prüfen, damit die nicht mit den Gefühlen seiner Zwangskunden kollidiert. Zunächst mal kann man sich natürlich fragen, was denn die politische Gesinnung eines Handwerkers mit der Qualität seiner Arbeit zu tun hat? Ganz offensichtlich ist das aber hier nicht die Frage. Im Focus wird der Sachverhalt sicher etwas verkürzt aber prägnant dargestellt:
Der 1958 geborene Handwerker ist zwar kein NPD-Mitglied. An seiner rechtsextremen Gesinnung haben Behörden und Justiz aber keinen Zweifel: Er sitzt für die Partei im Stadtrat von Laucha und im Kreistag des Burgenlandkreises. Jahrelang nahm er an sogenannten Totenehrungen für die Mörder von Walther Rathenau teil. Rathenau war der jüdische Außenminister der Weimarer Republik und wurde 1922 bei einem politisch motivierten Attentat getötet
Damit sei er nicht zuverlässig genug, um die Aufgaben eines Bezirkschornsteinfegermeisters zu erfüllen, urteilte der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts.
[ ] Die obersten deutschen Verwaltungsrichter beurteilten den Fall nun anders: Zwar bestehe bei Kaminkehrern keine Pflicht zur absoluten Verfassungstreue wie etwa bei Beamten. Aber als sogenannte Beliehene nähmen sie öffentliche Aufgaben wahr und müssten deswegen die Grundrechte ihrer Kunden achten.
Vielleicht stehe ich mit meiner Ansicht ja alleine da, aber bitte: Wieso sollte ein Schornsteinfeger ein Interesse an meinen Grundrechten haben, wenn sein Einsatz bei mir zu Hause darauf zurückzuführen ist, dass ich zwangsverpflichtet bin, ihn einzusetzen? Das so eine Art von Markt zu einem wirtschaftspolitischen Morast führt ist die eine Seite, aber warum ausgerechnet eine undemokratische, nicht an unserer sogenannten freiheitlichen Grundordnung orientiert Einstellung in diesem unfreien Markt ein Ausschlusskriterium sein soll, erschließt sich mir nicht.
Wenn einer der Autohändler in meinem Ort ein Rechtsradikaler oder sagen wir mal ein Linksradikaler (alles eine gleiche Sauce und nur eine unterschiedliche Interpretation von Sozialismus) wäre, dann kann ich mir als Privatmann heute frei überlegen, ob ich trotz dessen Gesinnung ein Auto bei ihm kaufe oder um eine weitere Annahme zu treffen ein schlechteres Auto von einem politisch korrekten Zeitgenossen. Es ist meine persönliche Entscheidung, wenn ich lieber ein schlechtes Auto mit gutem Gewissen kaufen möchte als ein besseres mit dem Makel eines politisch nicht korrekten Verkäufers. Das was bei einem Autohändler selbstverständlich ist, scheint aber in anderen Umfeldern nicht zu gelten der Hinweis auf den hier nicht anzuwendenden Beamtenstatus spricht Bände: Mir ist doch egal, ob mich ein linksradikaler oder ein rechtsradikaler, ein kinderfreundlicher oder vegetarischer Finanzbeamter um meine sauer verdienten Penunzen im Auftrag des Staates erleichtert! Nicht egal sind mir seine Fähigkeiten im Umgang mit dem Steuerrecht und vielleicht noch dem Taschenrechner. Egal ist mir auch, ob ich von einem rechtsradikalen, linksradikalen, kinderfreundlichen oder vegetarischen Verkehrspolizisten ein Knöllchen fürs zu schnelle fahren kassiere. Nicht egal sind mir seine Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung. Die Beispiele zeigen: Es mag Bereiche geben, in denen die richtige Einstellung wesentlich ist, nie aber ist das dort der Fall, wo staatliche Beamte oder „Beliehene“ aus einer reinen Kontrollsucht (und Einnahmengier) des Staates zum Einsatz kommen.
Mag sein, dass ich einen rechtsextremen Schornsteinfeger nicht in meinem Haus haben möchte: aber ich möchte das selbst entscheiden, ob ich ihn nehme statt eines vielleicht schlechter qualifizierten Systemtreuen. In einem solchen Markt kann es dann auch wieder Vater Staat egal sein, ob jemand die richtige Gesinnung hat, für die er nicht verantwortlich ist. Aber um Himmels Willen: in einem solchen Markt könnte ja auch ein Kunde auf die Idee kommen, keinen schwarzen Schornsteinfeger im Haus haben zu wollen erstens sind Diskriminierungen sind Tür und Tor geöffnet … und zweitens droht der ganze Markt zusammenzubrechen! Dabei habe ich weder Angst vorm schwarzen noch vorm braunen Schornsteinfeger der blasse Bürokrat aber, der mir vorschreibt, was ich zu tun und zu denken, wen ich zu mögen und welche Partei ich zu wählen habe, der jagt mir einen gehörigen Schrecken ein!
Claudia Sperlich
Wäre anders geurteilt worden, so wären in dem Kehrbezirk ansässige Juden verpflichtet, einen Nazi in ihre Wohnung zu lassen. Regelmäßig.
Die Parallele zu dem Zirkus um das Kinderlied ist unzulässig.
Papsttreuer
Hoppla, da habe ich mich vielleicht nicht ausreichend erklärt:
Natürlich sollte niemand gezwungen sein, einen Nazi in sein Haus zu lassen – das wäre ja noch schöner. Das Problem liegt da, dass sich die „Kunden“ ihren Schornsteinfeger eben überhaupt nicht aussuchen können – nur aus dem Grund muss man den Mann jetzt aus dem Dienst entfernen. Hätte ich die freie Wahl als Kunde, würde ich den Nazi eben einfach nicht auswählen (und wenn das viele täten wäre seine wirtschaftliche Existenz möglicherweise schnell ruiniert, das wäre aber Konsequenz seiner eigenen Entscheidung) – das mir aber vorgeschrieben wird, wen ich einzulassen habe und wen nicht, das mit diesem Zwang eben jemand seinen Lebensunterhalt recht sicher verdient, was dann durchaus kritikwürdig ist, das macht das ganze zu einem übergeordneten Problem. Das ganze ist also ein Beispiel für eine nicht vorhandene Handlungsfreiheit und wo diese hinführt.
Ich hoffe, diese Erläuterung macht den „Punkt“ meines Kommentars deutlich.
(Ich gebe zu, die Parallele mit dem Kinderlied hinkt an mehreren Stellen, das Stilmittel mit dem „schwarzen Mann“ sein mir hoffentlich verziehen?)
Claudia Sperlich
Ja, das verdeutlicht einiges.
Allerdings glaube ich, die gesetzliche Pflicht zum Schornsteinfeger ist richtig. Immerhin gibt es in Deutschland so gut wie nie Kaminbrände – in Großbritannien, wo es jedem freisteht, ob er den Schornsteinfeger bestellt, alle Nase lang.
Aber es ist natürlich immer eine ganz schwierige Gratwanderung, wie weit ein Staat sich bei seinen Bürgern einmischen darf und wo es anfängt, Bevormundung zu werden. Ganz kann man das wohl nie auseinanderklamüsern.