Man kann sich als Blogger ja einzelnen Themen kaum entziehen, entweder weil man bei den Lesern eine Erwartungshaltung annimmt, über ein Thema zu schreiben oder weil einen das Thema selbst so packt. Und ab und zu gibt es dann auch eine weitere Kategorie von Themen: worüber man in Zeiten wie diesen einfach geschrieben haben muss.
Also, ran ans Thema wir haben offenbar, so sieht es jedenfalls die versammelte Medienlandschaft ein Problem mit Sexismus! Dieses Problem haben wir in unserer Gesellschaft ganz allgemein, besonders aber in einer kleinen Regierungspartei, die derzeit um ihren Wiedereinzug in den nächsten Bundestag kämpft. Jetzt kann man durchaus über den konkreten Fall (in zweierlei Hinsicht) von Rainer Brüderle philosophieren, der allem Anschein nach eine Journalistin, die deutlich jünger ist als er, abends an der Hotelbar angemacht hat, eindeutig genug, um den Worten einen sexuell anzüglichen Charakter zuzuordnen. Zweifeln wir also mal für einen Moment nicht an der Ehrlichkeit einer aufstrebenden und karrierebewussten Stern-Journalistin dann muss man Herrn Brüderle wohl so etwas wie mangelndes Taktgefühl unterstellen, nicht nur der Journalistin gegenüber sondern auch seiner eigenen Frau, die in dem Diskurs so gut wie gar nicht betrachtet wird. Ein wirklicher Schaden wurde der Journalistin ja nicht zugefügt, das behauptet sie auch selber nicht, ein Schaden ist also nur hinsichtlich der Ehe der Brüderles entstanden.
Aus katholischer Sicht ist das Thema, wie ein Annäherungsversuch in dieser Hinsicht zu werten ist, recht einfach, gibt es doch auch kaum ein Thema, zu dem sich Jesus in so klaren Worten geäußert hat, wie zum Ehebruch:
Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
(Matthäus 5, 27-28)
Nun ist das ein Versagen, zu dem uns kein Urteil zusteht man erinnere sich an die Frage, wer denn den ersten Stein werfen wolle deutlich wird aber, dass hier ein Schaden an einer Ehe entstanden ist, den die beiden Ehepartner nur gemeinsam wieder bereinigen können und zu dem sich Herr Brüderle zusätzlich mit Gott selbst ins Benehmen zu setzen hat. Andererseits steht es jedem Wähler natürlich frei, ob das moralische Zeugnis eines Spitzenpolitikers entscheidend sein kann für eine Wahl vertraue ich einem solchen Mann? Das ist keine rhetorische Frage, auch nicht in einem katholischen Blog, denn Fehler machen wir alle (Erster Stein?!) und dürfen uns daher auch fragen, wie wir einen solchen Fehler einschätzen oder auch den Umgang damit.
Der Ehebruch wird Herrn Brüderle aber wie bereits angedeutet gar nicht angelastet. Das entbehrt nicht einer gewissen inneren Logik, ist doch der Ehebruch in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch eine Lappalie, über die sich aufzuregen lohnt so zerstörerisch die Wirkung eines (auch nur versuchten) Seitensprungs für die Ehe sein kann, so wenig wird diese Bedeutung in der Welt honoriert. Schließlich soll ja jeder dürfen, wonach ihm ist im Einverständnis mit dem jeweils anderen. Da ist ein Seitensprung, dem Ehepartner verschwiegen, der dadurch vermeintlich auch keinen Schaden erleidet, gar keine Kategorie mehr, die medienwirksam auszuschlachten wäre. Allein die reine Boulevardpresse der Art von Bild und Gala hat sich da noch ein Gefühl für vermarktungsträchtige Gefühlsverwirrungen bewahrt nicht aus innerer Überzeugung sondern weil damit Geld zu verdienen ist.
Was Brüderle angelastet wird, und woraus man ein gesamtgesellschaftliches Symptom zu diagnostizieren versucht, ist der Sexismus, mit dem er aufgrund seiner geschlechtlichen Rolle und seiner Machtposition, der Journalistin entgegen getreten ist. Und da der Begriff des Sexismus gerade in jeder Munde ist, darf man vielleicht auch mal die Frage stellen, was denn das eigentlich ist, Sexismus? Es ist kein Geheimnis, dass ich Wikipedia nicht mag, schon gar nicht bei soziologischen Themen, aber weils so schnell geht, hier eine kurze Definition aus dieser Quelle:
Unter Sexismus versteht man die soziale Konstruktion von sexuellen Unterschieden zwischen Menschen und die daraus abgeleiteten Normen und Handlungsweisen. Der Sexismus unterteilt alle Menschen anhand ihrer biologischen Geschlechtsmerkmale in Frauen und Männer, unterstellt ihnen damit eine grundlegende Unterschiedlichkeit und weist ihnen auf dieser Basis unterschiedliche Rechte und Pflichten zu.
Puh, das Gender-Geschwurbel von der sozialen Konstruktion sexueller Unterschiede kann einen schon verunsichern, man kann aber wohl eines mit Sicherheit annehmen ohne das Niveau zu sehr senken zu wollen: Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist ein wesentlicher Teil der ganzen Geschichte! Man darf an der Stelle kurz innehalten, wie die Schlagzeilen aussähen, hätte sich Herr Brüderle an einen männlichen Journalisten herangemacht wäre es dann Sexismus oder unterdrückte Homosexualität, die heute die Schlagzeilen beherrschen würde?
Nein, Herr Brüderle hatte wohl ganz offensichtlich die geschlechtlichen Unterschiede im Hinterkopf; das unterscheidet ihn nicht von anderen Männern, die versuchen mit einer Frau anzubandeln, auch dann, wenn sie es anständiger tun als Rainer Brüderle. Das unterscheidet ihn aber auch nicht von Frauen, die das gleiche im Sinn haben, wenn sie mit einem Mann anzubandeln versuchen. So ist Sexismus, definiert wie bei Wikipedia, in der Tat ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und das ist auch gut so, sonst wäre unsere Spezies bereits ausgestorben.
Das aber ist ganz offensichtlich auch nicht der Punkt, auf dem die Medien und FrauenrechtlerInnen herumreiten. Hier geht es darum, dass Herr Brüderle einer jungen Journalistin Avancen gemacht hat, die das zwar nicht so entnimmt man den Medien deutlich von sich gewiesen hat, der es aber unangenehm war, und zeichnet ergänzend zu diesem Einzelfall das Bild einer Gesellschaft, in der das tagtäglich passiert. An dieser Stelle muss ich sowohl eine Lanze für meine Geschlechtsgenossen brechen als auch ein Eingeständnis machen. Das Eingeständnis ist recht einfach: es gibt Männer, die jedem Rock hinterherschauen, die jede Frau anmachen und die das auf eine Art tun, die verletzend und einfach unanständig ist. Ich glaube, dass das diesen Männern sogar eigentlich klar ist: wenn sie einen Film sähen, in dem ein Mann ihre Masche anwendet, wäre ihnen sofort klar, dass das kein positives Image ist. Es gibt sicher auch Männer, die solches Verhalten aus Unsicherheit an den Tag legen und solche, die neu gewonnene, scheinbare oder echte Macht auf diese Art ausnutzen wollen. Zu welcher Art das Verhalten von Rainer Brüderle zu zählen ist, kann ich nicht sagen, dazu vertraue ich zu wenig auf die Beschreibungen in den Medien, deren Intention es letztlich ist, ihm in seiner Funktion als Mandatsträger seiner Partei zu schaden. Da ist sicher Vorsicht angesagt.
Aber es gibt eben auch die anderen Männer, die einfach eine gute Kinderstube genossen haben, für die es selbstverständlich ist, einer Frau in den Mantel zu helfen, sie zuerst durch eine Tür gehen zu lassen, sich beim Betreten einer Kneipe umgekehrt schützend vor die Frau zu stellen, die einer Frau auf einem Supermarktparkplatz beim Verstauen ihrer schweren Getränkekisten helfen kurz: einiges für Frauen tun, was sie für einen normalen Mann so ohne weiteres nicht täten. Und das ganz ohne Hintergedanken, nicht als Flirt, nicht als Anmache aber sehr wohl im Bewusstsein des anderen Geschlechts des Gegenüber. Das ist der obigen Definition gemäß ebenfalls Sexismus, und dann wäre ich wieder bei einem Geständnis: ich hoffe, ich werde in diesem Sinne noch sexistischer als ich es heute bin. Ohne einen solchen Sexismus verhalten wir uns untereinander alle gleich und ich bin ziemlich sicher, dass ich heute nicht verheiratet wäre, wenn ich mich meiner Frau gegenüber beim Kennenlernen so verhalten hätte, wie ich das bei einem Mann gemacht hätte.
Rainer Brüderle hat mutmaßlich eine imaginäre Grenze überschritten, die angeblich nur diejenigen festlegen dürfen, die sich betroffen fühlen. Die Frage, ob diese Grenze bei einem Rainer Brüderle möglicherweise anders liegt als bei einem Til Schweiger klingt nach Stammtisch, ist aber berechtigt. Denn sie macht deutlich, dass eine Frau das Verhalten eines in den eigenen Augen wenig attraktiven und deutlich älteren Mannes und das eines gutaussehenden jungen Mannes durchaus unterschiedlich bewerten wird. Das ist auch in Ordnung so natürlich haben wir alle unterschiedliche Vorlieben, was das andere Geschlecht angeht. Nur die eigenen Vorlieben als bekannt vorauszusetzen, das führt zu einer Welt, in der keine Mäntel mehr gehalten, keine Beifahrertür geöffnet, keine Tür geöffnet werden, in der auch keine Komplimente mehr gemacht werden und jeder Flirt das Risiko eines Vorwurfs des Sexismus birgt. Wer in einer solchen Welt leben möchte bitte sehr, aber unsere Gesellschaft ist zum Glück (noch) anders!
In der Affäre Brüderle gibt es eigentlich nur ein einziges Opfer und das ist die Ehefrau und damit die Ehe des Politikers aber unser höfliches Miteinander droht ebenfalls unter die Räder zu geraten, wenn wir es uns aus falsch verstandener Zurückhaltung selbst verbieten oder durch nur scheinbare moralische Instanzen in den Medien, denen das eigentlich Traurige an der ganzen Geschichte nicht aufgeht, verbieten lassen.
Templarii
Es fehlt – wie so oft – ein weiterer Aspekt:
Es gibt Frauen, die jedem Kerl hinterherglotzen, die sich unter ihren Freundinnen allerlei erzählen, die gerade vor Ehemännern nicht zurückweichen und diese anmachen.
Es gibt Frauen die einem Mann, wenn er ihr die Tür aufhält oder in den Mantel helfen will, als Sexist beschimpft.
Letzters ist sogar weit verbreitet.
Es gibt Frauen die übelst über andere Frauen herziehen und sie bschimpfen; als Schlampen, Huren, Nutten und anderes..
Es gibt Frauen die nur so zum Spass Vergewaltigung anzeigen, die Kinder Missbrauchen und es den Männern anhängen – bis zum Selbstmord der Männer.
Der Sexismus der Frauen ist weitaus stärker verbreitet als der Sexismus von Männern. Männer trauen sich schon gar nichts mehr, weder Kinder zeugen noch Ehen eingehen. Der Sexismus von Frauen ist nämlich Taff, Cool, Stark, Selbständig und ein Zeichen von Freiheit. Der Sexismus von Männern ist aber Böse.
Es wird die Zeit kommen in welcher die Männer kapieren das sie stärker sind als Frauen. Dann wird es ungemütlich in der Postchristlichen Gesellschaft.
Templarii
Papsttreuer
Lieber Templarii,
zwar bin ich nicht mit allem im Kommentar geschriebenen einverstanden, aber es darf ja auch mal kontrovers zugehen.
Die Frage, ob Sexismus bei Frauen verbreiter sei als bei Männern ist für mich die gleiche Pauschalisierung, die mich an „Alle Männer sind Sexisten“ Formulierung stört. Es gibt diese Dinge, und sie sind abzulehnen – möglicherweise ist das bei einigen beschriebenen Situationen noch nicht Gemeingut, weil man sie nicht mit Frauen identifiziert.
Daraus ein generelles „Sexismus-Problem mit anderem Vorzeichen“ zu machen, halte ich für vorschnell. Die Gefahr sehe ich allerdings auch!