Nein, ich gebe zu, ich wollte in der Fastenzeit nichts in dieser Rubrik schreiben. Ich bin auch weiterhin der Meinung, dass die Welt ganz gut ohne meine Kommentare auskommt und so werden Ausreißer wie dieser hier genau das bleiben, eine Ausnahme (und ich werde mich um eine „gemessene“ Stimmlage bemühen). Dennoch, mir scheint es wichtig, zu einem politischen Thema etwas zu schreiben, dass mir symptomatisch für unsere Gesellschaft erscheint und uns alle angeht: der tägliche Faschismus, das heißt, die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer (angenommenen) Zugehörigkeit zu einer unerwünschten Gruppe. Früher in der deutschen Geschichte waren es die Juden, slawische Völker, alles Nicht-Deutsche, eine Zeitlang hatte man den Eindruck, die Geschichte würde sich wiederholen und es ginge gegen Ausländer in Deutschland. Heute hebt der Faschismus wieder sein Haupt und tarnt sich man ahnt es als Antifaschismus.
Was ist passiert: die jährliche Verleihung des Echos, eines deutschen Musikpreises, steht in der Diskussion aufgrund einer nominierten Rockgruppe: Frei.Wild. Wer jetzt googled wird direkt fündig: diese Gruppe wird von vielen unter dem Label Rechtsrock geführt, man vermutet bei ihnen nationalistische und rassistische Tendenzen, andere man ist zynisch versucht rechtgläubige zu sagen Bands distanzieren sich und wollten nun nicht gemeinsam mit Frei.Wild in der Liste der Nominierten auftauchen. Gestern Nachmittag hieß es von der Deutschen Phono-Akademie, die den Preis vergibt, noch, die Nominierung orientiere sich rein an den Verkaufszahlen und die sprächen eben für Frei.Wild. Am Abend dann die Kehrtwende: man hat die Band von der Nominierten-Liste gestrichen. Und die Begründung lässt aufhorchen:
Wir haben in den letzten Tagen heftige Kontroversen um die Nominierung von Frei.Wild, die auf Basis der Charts-Auswertungen erfolgte, erlebt, die den gesamten ECHO und damit auch allen anderen Künstler und Bands überschatten. Um zu verhindern, dass der ECHO zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, in die Regularien des Preises einzugreifen und die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten zu nehmen.
(Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie)
Es geht also, so jedenfalls die offizielle Lesart, nicht darum, einer Band bspw. Verfassungswidrigkeit vorzuwerfen, was man durchaus als Grund für einen Ausschluss heranziehen könnte (wenn auch selbst dabei ein übler Beigeschmack bleiben würde), es geht darum, eine Diskussion zu verhindern.
Ich selbst kenne die Band erst seit ein paar Monaten, bin eher zufällig darauf gestoßen und ich muss sagen, mir gefällt der brachiale Musikstil ganz gut, und ganz sicher handelt es sich bei den Texten der Südtiroler um in Teilen patriotische Lieder. Es wird auch nicht an Kritik am linken Mainstream gespart, der die Band nicht erst seit diesen Tagen in die rechte Ecke zu stellen versucht. Problematisch dabei: was wirklich rechts ist, wird nicht thematisiert, und interessanterweise strotzen die Artikel in der Presse zu dem Thema heute von Konjunktiven: es wird vorgeworfen, unterstellt, angenommen und ganz allgemein die Statements von Bands aus dem (extremen) linken Spektrum wie den Toten Hosen oder Kraftklub als Argument benutzt, dass es sich bei Frei.Wild wohl um eine rechte Band handeln müsse. Kein Beweis, kein Text, der dies belegen würde, nur Mutmaßungen über das Spielen mit rechtem Gedankengut. Einzig stichhaltig, wenn auch kein echtes Argument gegen Frei.Wild: der Frontmann der Band war offenbar durchaus früher im Umfeld rechtsextremer Strömungen zu finden, von denen er sich zwischenzeitlich aber losgesagt hat; geblieben ist eine patriotische Gesinnung, die Frei.Wild jetzt zum Vorwurf gemacht wird.
Ich bin weit entfernt, für Frei.Wild an dieser Stelle Werbung machen zu wollen, ich kenne nur wenige ihrer Lieder, bin also nicht mal sicher, ob nicht an den Vorwürfen eventuell etwas dran sein könnte; der Musikstil gefällt mir ab und an ganz gut nach zwei Liedern ist man definitiv wach es sind aber keine künstlerischen Kleinode, die hier produziert werden (ein Urteil in dieser Hinsicht über Bands wie die Toten Hosen oder Die Ärzte, die sich ebenfalls über die Nominierung mokierten, überlasse ich ebenfalls den Lesern). Aber: dass es ausreicht, wenn genug geschrien wird, dass es ausreicht, einer Band die Vergangenheit ihrer Mitglieder zum Vorwurf zu machen, dass es ausreicht, wenn lärmender Protest aus der linken politischen Ecke kommt, damit eine Band bei einem Musikpreis keine Berücksichtigung mehr finden kann, das ist eine Entwicklung, die uns alle betroffen machen muss.
Wenn das obige Statement aus dem Umfeld eines Verbandes der sich mit dem Titel Musikindustrie bezeichnet, kommt, darf man annehmen, dass es bei der Entscheidung nicht hochmoralisch zuging sondern um die Frage, ob eine Nominierung finanziell positive oder negative Auswirkungen haben kann. Die Regularien eines Wettbewerbs im Nachhinein zu ändern um in diesem Sinne unliebsame Mitstreiter auszuschließen hat ein Gschmäckle, liegt aber im Ermessen dieser privaten Einrichtung. Es bleibt aber eine gesellschaftliche Entwicklung zu konstatieren, in der solche finanziellen Interessen zu so einer Entscheidung führen, die mit einem fairen Wettbewerb nichts mehr zu tun haben.
Leider muss man als Blogger an dieser Stelle immer wieder darauf hinweisen: für wirklich rechtsextremes Gedankengut habe ich keine Sympathien, als katholischer Blogger noch viel weniger, widerspricht doch die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen diametral der Liebe, die Gott jedem Menschen entgegen bringt. Die Grenze zwischen „konservativ“ und „rechts“ aber immer weiter nach links zu verschieben, bringt Positionen in Verruf (und das soll es wohl auch), die in einem normalen, demokratischen Diskurs Platz haben sollten. Dazu gehört nicht nur der Patriotismus, dazu gehören auch katholische Positionen:
Ich hatte schon mal an anderer Stelle darauf hingewiesen: christliche und katholische Werte wie Ehe (aus Mann und Frau), Familie (bestehend aus Vater, Mutter, Kind), Glaube, Wahrheit, auch Gehorsam, stehen schon lange auf dem Index der selbsternannten Sozialingenieure! Es wäre spannend zu beobachten, was passierte, wenn eine Rockgruppe dieses mal zum Thema machen würde (Frei.Wild tut das sogar in Teilen) und sich für ein traditionelles Familienbild, für den katholischen Glauben, für eine starke Rolle der Kirche in der Gesellschaft etc.pp. stark machen würde. Angriffe auf Politiker und Journalisten, die sich in dieser Richtung äußern (letzte prominente Beispiels sind Birgit Kelle oder Martin Lohmann) sind bereits an der Tagesordnung man darf gespannt sein, wann die Kelles und Lohmanns dieser Welt an einer Talkshow nicht mehr teilnehmen können, weil die Claudia Roths dieser Welt nicht mit ihnen in einem Raum sein wollen. Wehret den Anfängen!, war ein Leitspruch der Antifaschisten der 70er und 80er Jahre in diesem Sinne sollten wir alle Antifaschisten bleiben, egal ob dieser braune Sumpf aus der linken oder rechten Ecke kommt!
(Der Titel des Beitrags ist dem Lied Wir reiten in den Untergang von Frei.Wild entnommen)