Die vierte Woche der Fastenzeit ist angebrochen, über das Gebet, Almosen und das Fasten selbst haben wir schon mal nachgedacht, zu Beginn der Fastenzeit auch über die Umkehr, die wir uns selbst abverlangen sollten um näher zu Gott zu kommen. Das alles waren Themen, die sich im Wesentlichen mit uns selbst, mit meiner Beziehung zu Gott beschäftigten, in der natürlich die Beziehung zu meinen Mitmenschen ihren Platz haben muss. Während aber das Almosen als gute Tat für einen anderen noch einfach nachvollziehbar ist (auch Nicht-Christen sehen durchaus einen Sinn in der Hilfe für Notleidende) erscheint aus diesem Blick eine andere gute Tat schon schwerer zu bewerten: die Vergebung.
Jemand hat mir etwas angetan, mir geschadet, egal ob direkt, körperlich oder psychisch, oder nur indirekt, indem er vielleicht gesellschaftlichen Schaden verursacht. Und nun bin ich aufgefordert, ihn trotz dieses Umstandes zu lieben. Theoretisch ist das einfach zu begründen: ich selbst bin ein Sünder, wir alle sind Kinder Gottes, von Gott gewünschte Menschen, der bereit ist, uns zu vergeben, und so bin ich auch aufgefordert, meinen Nächsten zu lieben und ihm zu vergeben. Aufgefordert bin ich durch Jesus selbst, der auf die Frage von Petrus, wie oft er seinem Bruder vergeben müsse (siebenmal?) die Antwort erhält Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. (Matthäus 18, 21-22), gefolgt vom Gleichnis des unbarmherzigen Gläubigers, das deutlich macht, dass das Maß der Vergebung Gottes für uns auch von unserem Maß der Vergebung für unseren Nächsten abhängt (Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.)
So einfach geschrieben, so schwer zu machen auch wenn Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32) noch mal den Vater beschreibt, und wie er Vergebung versteht, vor allem vor dem Hintergrund von Menschen, die wie der zweite Sohn scheinbar (!) keiner Vergebung bedürfen. Es gehört wohl zu den schönsten Geschichten, wie der barmherzige Vater, den wiedergefundenen Sohn ohne Wenn und Aber aufnimmt. Er fragt nicht nach seiner Reue, er freut sich einfach, dass er zurück kommt: Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Es ist also keine Frage, ob ich meinem Nächsten, der mir geschadet hat, vergebe, es ist eigentlich mehr die Frage: Wie stelle ich das an? Vor allem wenn man Jesu Worte ernst nimmt und die Anforderung lautet, von ganzem Herzen zu vergeben, dann ist das alles andere als leicht. Natürlich, wenn jemand mir aus Versehen ein Leid zugefügt hat, es ihm nachvollziehbar ehrlich leid tut und er mich dafür um Vergebung bittet da wollen wir alle nicht so sein. Aber die siebenundsiebzigmal von den Jesus spricht, deuten doch eher auf einen Wiederholungstäter hin, über dessen eigene Reue man durchaus unterschiedlicher Ansicht sein kann. Ich möchte die Frage nicht zuspitzen auf Menschen, die gar keine Reue zeigen und die Frage, ob auch sie Vergebung von mir erwarten dürfen, es reicht schon, wenn es sich um jemanden handelt, bei dem ich Zweifel habe, ob er von Herzen bereut. Bin ich dann derjenige, der beurteilen darf, ob der Wunsch nach Vergebung ehrlich war und darauf hin entscheiden, ob ich vergeben möchte?
Man kann solcherlei Spitzfindigkeiten sicher eine Weile durchspielen, am Ende wird uns Gott aber befragen, wie wir geliebt haben, und wenn wir uns mit solchen Formalia um Vergebung gedrückt haben, sollte es uns nicht verwundern, wenn wir unseren Vater im Himmel ebenso formal erleben. Besser also, an sich selbst den Anspruch zu erheben, jedem zu vergeben, auch demjenigen, bei dem ich der Reue misstraue oder der gar nicht (oder nicht richtig) um Vergebung gebeten hat.
Mir scheint, hier braucht es so etwas wie Übung um eine innere Einstellung zur Vergebung zu erlangen neudeutsch mir ein Mindset aneignen, dass es mir erlaubt, einem Menschen zu vergeben. Aber geht das denn überhaupt generell jedem vergeben? Was, wenn mich der Groll überfällt, wenn er es wieder tut, muss ich dann trotzdem alles vergeben? Kann ich das überhaupt steuern? Ich muss zugeben, mir ist kein Mensch bewusst, der sich in einer Art gegen mich gewandt hat, dass ich nicht in der Lage wäre ihm zu vergeben. Aber natürlich gibt es den Effekt des gewachsenen Misstrauens, einer negativen Grundeinstellung gegen einen anderen, die der sich auch durch seine Taten verdient hat, auch wenn die nicht direkt darin münden, dass ich von gegen mich versündigen sprechen würde. Menschen aufgrund dessen, was sie getan haben, abzulehnen ist ein deutliches Zeichen, dass ich nicht vergeben habe, da ist es egal, wie groß die Schuld war auch ein Hinweis, dem wir den Worten Jesu entnehmen dürfen: die Größe der Schuld ist nicht entscheidend, zu vergeben ist in jedem Fall!
Also noch mal zusammengefasst: für die Notwendigkeit zur Vergebung ist nicht entscheidend, ob jemand mir direkt oder indirekt geschadet hat, es ist nicht entscheidend wie ehrlich sein Wunsch nach Vergebung gemeint ist (eigentlich nicht mal, ob der Wunsch überhaupt besteht), es ist nicht entscheidend, wie groß die Schuld ist, die er sich gegen mich aufgeladen hat, entscheidend ist schon gar nicht, ob ich die Vergebung für den anderen fühle oder sie innerlich (noch) ablehne entscheidend ist, dass unser Vater im Himmel diese Schuld zu vergeben bereit ist und dass ich dazu auch bereit sein muss!
Das alles führt zu einem ganz wesentlichen Punkt, den man sich immer vor Augen führen muss, den ich auch immer wieder ins Bewusstsein zurück holen muss um ihn nicht zu vergessen: Vergebung ist kein Gefühl sondern eine Entscheidung! Diese Entscheidung muss ihren Weg ins Herz finden und wird dann auch zum Gefühl, aber auf das Gefühl zu warten um erst dann zu vergeben ist die falsche Reihenfolge. Aber wie geht das, wenn ich doch Groll fühle, wenn ich einen Widerwillen, vielleicht sogar Hass gegen den Menschen fühle, der gegen mich schuldig geworden ist? Ich bin weit davon entfernt, in dieser Hinsicht heilig zu sein, aber ein paar Tipps mögen vielleicht doch helfen (und bitte jetzt keine Raketentechnik erwarten, Glauben und Christusnachfolge ist nicht so kompliziert):
Beten für mich!
Es hilft nichts, ab und an sieht man sich nicht in der Lage, über den eigenen Schatten zu springen. Ich weiß, dass ich vergeben sollte, aber mein Innerstes sträubt sich. Das ist der alte Mensch, der fürchtet, durch Vergebung übervorteilt zu werden, Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, der sich auch weigert immer wieder (der alte Mensch neigt zu Verallgemeinerungen) den ersten Schritt zu tun. Wenn ich diese Schwäche aber zumindest erkannt habe, dann ist der erste Schritt schon getan und ich sollte in der Lage sein, für mich selbst zu beten: Herr, hilf mir, Deinem Beispiel zu folgen und auch denen zu vergeben, die sich gegen mich versündigt haben. Zeige mir den Weg, für meinen Schuldiger Liebe zu empfinden. Er hat mir wehgetan, aber ich wünsche mir so sehr, ihm vergeben zu können. Jesus, du selbst möchtest, dass ich ihm vergebe, aber mir scheint der Schritt zu schwer trage du mich über diese Hürde, dass ich den ersten Schritt auf ihn zugehen kann.
Beten für den anderen!
Jemand anderem Gutes wünschen, das immer wieder zu tun, ist sicher ein Weg, ihm auch seelisch näher zu kommen. Wenn ich also weiß, was diesen Menschen bedrückt, wo seine Sorgen und Nöte sind, vielleicht auch wenn ich weiß, was in seinem Leben schief und an Gott vorbei läuft warum nicht für ihn beten? Nicht dafür, dass er bereut, sondern dafür, dass er zu Christus findet, dass er Gottes Liebe annehmen kann. Im Gebet mache ich den Menschen zu meinem Freund, setze mich vor Gott für ihn ein was mehr kann ich einem Menschen Gutes wünschen, wie ihm mehr vergeben, als ihm die immerwährende Liebe Gottes zu wünschen?
Innerlich aussprechen!
Ich vergebe ihm! diesen Satz zu sprechen, wenn ich mit dem anderen konfrontiert werde, bevor ich auf ihn treffe, wenn er mir über den Weg läuft, das erinnert mich an meine Verantwortung, ihm zu vergeben. Vielleicht sträubt sich mein Inneres noch, aber es auszusprechen mindert meinen inneren Widerstand. Und wenn es denn gar nicht geht: Ich will ihm vergeben! mag ein Einstieg sein, meinen eigenen Wunsch nach Besserung zum Ausdruck zu bringen vielleicht in Verbindung mit einem kurzen Gebet wie es oben beschrieben ist.
Äußerlich aussprechen!
Damit meine ich nicht, mich abends vor den Spiegel zu stellen und mantramäßig aufzusagen, dass ich meinem Schuldiger vergebe; was hier gemeint ist, ist es anderen gegenüber auszusprechen. Wenn jemand weiß, dass ich gegen einen anderen Groll hege, dann kann ich dem gegenüber zum Ausdruck bringen, dass ich vergeben habe. Der Vorteil: es ist nicht nur ein Zeugnis für christliche Vergebung, es setzt mich vor allem unter Zugzwang: wenn ich es erst mal anderen gegenüber ausgesprochen habe, kann ich nicht mehr ohne weiteres zurück manchmal muss man den inneren Schweinehund (vulgo den alten Menschen in mir) auch zu seinem Glück zwingen.
Vergebend verhalten!
Erstens fällt einem Vergebung selbst manchmal nicht leicht, zweitens kann es aber auch sein, dass dem Anderen eine Vergebung fast gönnerhaft erscheint. Vergebung ist, wie so viele biblisch geprägte Worte, nicht mehr aktiv in unserem Wortschatz enthalten, da kann die Aussage Ich vergebe Dir! auch schon mal einen falschen Eindruck hinterlassen und am Ende für mehr böses Blut sorgen als vorher schon vorhanden war. Was ich aber tun kann ist, mich dem anderen gegenüber so verhalten, als sei Vergebung nicht mehr notwendig was es im Falle der erfolgten Vergebung ja tatsächlich auch nicht mehr ist: es gibt die schöne Geschichte von einem Priester, der nach der Beichte eines Verbrechers und Massenmörders Gott fragt, welche der gebeichteten Sünden dieses Menschen denn die größte gewesen wäre. Und Gott antwortet: Ich weiß von keiner Sünde!
Bewusstsein: Mein Problem!
Ob derjenige, der mir gegenüber schuldig geworden ist, mit Gott Seelenfrieden erreicht, kann ich kaum beeinflussen außer dadurch, dass ich eben vergebe und damit ein Beispiel gebe. Wenn ich dem anderen nicht vergebe ist das aber nicht in erster Linie dessen sondern mein Problem! Der andere wird und muss seinen Teil für sein Verhältnis zu Gott tun, Teil davon kann auch die Bitte um Vergebung sein, aber sein Seelenheil hängt nicht von meiner sondern von Gottes Vergebung ab genau wie meines nicht davon abhängt, wie mich der andere sieht sondern wie Gott mich sieht. Vielleicht mir geht es jedenfalls ab und zu so neige ich im Gebet, mich zu rechtfertigen, warum ich im Recht bin, warum der andere schuldig geworden ist an mir. Aber die Antwort Gottes ist immer die gleiche: seine Schuld ist seine Geschichte mit mir, deine mangelnde Vergebung ist deine Geschichte mit mir!
Immer neu entscheiden!
Wenn Vergebung eine Entscheidung ist, ich meine Erinnerung an das mir widerfahrene Unrecht aber nicht ausschalten kann, dann muss ich halt immer wieder neu entscheiden: Ich vergebe ihm! Ich will ihm vergeben! Und wenn es schwerfällt, vielleicht an manchen Tagen mehr als an anderen: Wieder beten für die eigene Fähigkeit zu vergeben.
Es sollte doch (und das ist ernster gemeint als es klingt) mit dem Teufel zugehen, wenn es mir mit diesem Plan nicht gelingt, dem anderen zu vergeben. Es muss dabei auch nicht sein, dass aus einem solchen Verhältnis dann eine wunderbare Freundschaft wird aber den anderen wie mich selbst lieben lernen muss auch nicht in eine Freundschaft münden. Aber am Ende hoffentlich dauert es nicht zu lange ist nur eines entscheidend: Ich habe dem anderen vergeben, ich sehe keine Schuld mehr, die er mir gegenüber begleichen müsste. So macht Gott das, der barmherzige Gläubiger, der barmherzige Vater und so sollten wir das auch tun. Wir sind nach seinem Abbild geschaffen, dann sind wir auch in der Lage, so zu handeln und er wird uns auf diesem Weg helfen, in Kenntnis unserer Schwächen und unserer eigenen Vergebungsbedürftigkeit!
Baradl
Filmempfehlungen
Aktuelle beeindruckende Filme über bedingungslose Vergebung sind:
Gracecard,
Nach einer wahren Begebenheit, DVD, Sony Pictures Home Entertainment: Nachdem der Polizist Mac seinen Sohn bei einem Unfall durch einen Farbigen verloren hat, löschen jahrelange Verbitterung und Schmerz die Liebe zu seiner Familie aus. Wird es Mac und seinem neuen farbigen Partner Sam gelingen, einander mit vereinten Kräften zu helfen? Ein tiefgreifender Film über Hass, Gerechtigkeit, Gnade und Vergebung.
oder:
Wie auch wir vergeben – Amish Grace,
Nach einer wahren Begebenheit, DVD, SCM Hänssler:
Ein bewaffneter Mann betritt eine Schule der Amish. Er erschießt fünf Mädchen und sich selbst. Der Amoklauf schockiert ganz Amerika. Doch erschüttert sind viele auch von der Reaktion der Amish. Sie vergeben dem Täter und kümmern sich um seine Familie. Dieser Spielfilm zeigt wie schwer aber auch wie befreiend Vergebung sein kann.
Warum wird das Kreuz und der Tod (sowie sonstige Götzen durch Rituale ect.) vereehrt? – wenn die Botschaft von Jesus die bedingungslose Vergebung und „werdet vollkommen wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ – darunter kann man die vollkommene Liebe verstehen.