Da habe ich mir am Wochenende ein paar eingefangen nicht im wahrsten Sinn des Wortes, aber eben doch verbal. Nachdem ich mit unserem Sohn zwei Tage im Krankenhaus verbracht hatte (es grassiert der Rotavirus, der, wenn er ein kleines Kind trifft schon mal heftig werden kann, es geht ihm aber nun Gott sei Dank und Dank auch an alle, die an ihn gedacht und gebetet haben jetzt schon wieder richtig gut) konnte ich im Wesentlichen nur Nachrichten lesen und mich nach außen hin kaum äußern da staut sich einiges auf, vor allem bei Nachrichten, die meinen Blutdruck in die Höhe schießen lassen.
Zu diesen Themen gehört eine Preisverleihung: der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit hat für seine Verdienste um Demokratie und Zivilcourage den Theodor-Heuss-Preis erhalten. Nun bin ich zunächst mal politisch in aller Regel anderer Meinung als Herr Cohn-Bendit, das muss aber nicht bedeuten, dass so jemand nicht auch einen Preis verdienen könnte jedenfalls dann, wenn sich seine Leistungen überparteilich feststellen lassen. Welche genaue Leistung Herrn Cohn-Bendit nun zugeordnet wird, kann ich gar nicht sagen bei mir drängte sich der seit Jahren schwelende Vorwurf der Pädophilie gegen diesen Herrn in den Vordergrund. Die Presse ist derzeit noch voll davon, deswegen möchte ich die unsäglichen Äußerungen Cohn-Bendits aus den 70ern hier lieber nicht wiederholen. Wie ich finde recht neutral hat sich der Bloggerkollege Josef Bordat in einem Beitrag über Vergebung zu dem Thema geäußert.
In der einen oder anderen Pressedarstellung hieß es nun, Cohn-Bendit habe sich von seinen damaligen Äußerungen distanziert und in der Tat, wenn man auf die Suche geht, findet man Hinweise, dass der Grünen-Politiker (wie andere seiner Parteifreunde auch, die mit ihren damaligen Thesen zur Liberalisierung der Gesetzgebung gegen Sex mit Kindern, heute nichts mehr wissen wollen) mit seinen Worten heute nicht mehr zitiert werden möchte. Was man aber vergebens sucht, ist das Eingeständnis, dass er damals tatsächlich falsch gelegen hätte: Man hätte das damals so nicht schreiben sollen so klingt keine Distanzierung sondern ein Versuch eines sich unverstanden fühlenden, die Schuld eher in der Allgemeinheit zu suchen, die nicht begreift, was für ein Revolutionär er damals war. Es sei damals um Provokation gegangen- auch das ist keine Entschuldigung, müsste sich an dieses Argument doch anschließen, gegen was oder wen man denn mit dem Mitteln der Relativierung der Pädophilie hat provozieren wollen. Und letztlich sind die von Cohn-Bendit vorgetragenen Geschichten eben nicht in Form einer Fiktion verfasst sondern in seiner Biographie niedergelegt. Der Zweifel mag zumindest erlaubt sein, ob er damals nicht in der Erwartung einer vollkommenen sexuellen Liberalisierung wirkliche Taten gestanden, respektive beschrieben hat. Letzteres wird heute kaum mehr zu beweisen oder zu widerlegen sein es bleibt aber der Vorwurf, mit den Äußerungen der Pädophilie Vorschub geleistet zu haben.
Nun halte ich exakt diese Art von Verbrechen, in der nicht nur ein Kind körperlich misshandelt (nicht so behandelt, wie es eines Kindes gebührt) wird sondern seine Seele fast irreparabel geschädigt wird, für eines der verwerflichsten, dass sich der Teufel ausgedacht hat. Um dem Vorwurf mit zweierlei Maß zu messen auch gleich entgegen zu treten: meine Einschätzung verschärft sich dabei nur, wenn es beim Täter um Kirchenvertreter geht, diese haben von mir keine Entlastung oder gar Rechtfertigung zu erwarten. Ich will hier also auch nicht aufrechnen mit den teilweise unbewiesenen Vorwürfen und Pauschalverdächtigungen gegen Priester und Bischöfe, auch dann nicht, wenn hier seitens verschiedener Medienvertreter so getan wird, ausgerechnet Cohn-Bendit sei nun das Opfer einer Hetzjagd.
Nach den halbherzigen Ausflüchten von Cohn-Bendit selbst und angesichts der Tatsache, dass man ihm einerseits mit sehr viel Verständnis begegnet und er sich andererseits als Opfer stilisiert, hatte ich mich zu einem Facebook-Posting mit folgendem (leicht zensierten) Inhalt hinreißen lassen:
Bei der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises für seine Verdienste um die Demokratie (welche auch immer) äußerte Daniel Cohn-Bendit, seine pädophilen Veröffentlichungen seine nur eine Provikation gewesen. Welche Provokation (wofür/wogegen?) rechtfertigt solche Relativierungen eines der miesesten Verbrechen? Was für ein mieses Dreck[ ], das da jetzt auf Elder Statesman macht!!!!!
Wie man sich denken kann: an der zensierten Sequenz entzündete sich die Kritik meiner Frau! Abgesehen von der drastischen Wortwahl stellte sie zu Recht die Frage: Dürfen wir in der Art über einen andern Menschen urteilen? Ist es nicht der Splitter im Auge eines Daniel Cohn-Bendit, auf den ich da lautstark schriftlich hinweise, während mein eigener Balken im Auge mir unsichtbar bleibt? Werfe ich nicht mit einem Stein, obwohl ich selbst alles andere als ohne Schuld bin?
Ich kann dem wenig entgegensetzen: meine Wortwahl kann eine Verurteilung implizieren die mir nicht zusteht. Urteile sprechen wenn es nicht gesetzeskonform zugeht hierzulande die Gerichte und wenn es um Fragen der Moral und der Beziehung zu Gott geht nur unser Herrgott allein! Als Katholik ist es also nicht an mir, jemanden zu verurteilen.
Und trotzdem und diesen Spagat muss jeder von uns gehen, auch wenn man nicht unbedingt einen Vergleich aus dem Tierreich anbringen sollte bin ich überzeugt: Ein Posting zu diesem Thema muss drastisch ausfallen! Die Aussage dahinter ist dann nicht so sehr eine moralische Verurteilung sondern eine politische Beurteilung. Hier steht jemand für eine politische Bewegung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten durch einen Marsch durch die Institutionen etabliert hat und heute in weiten Teilen der Bevölkerung, von den Medien gar nicht zu reden, als moralische Institution wahrgenommen wird. Was grün ist, ist gleichzeitig auch gut: wer die Umwelt schützt, kann kein schlechter Mensch sein, wer die Wirtschaft an die Kette legen will, ist ein Menschenfreund, wer gegen Rechts ist, hat im politischen Betrieb immer Recht. Was man dem Papst hinsichtlich der Unfehlbarkeit (die er nach Kirchendogma lediglich bei Lehraussagen ex cathedra hat) an Anmaßung unterstellt, wird einer ganzen Bewegung, und der sie tragenden Partei ohne weiteres zugestanden.
Wenn die Kirche Aussagen über Moralfragen trifft, dann ist es kein besonderes Wunder, wenn die Welt draußen versucht, ihren Mitgliedern und Vertretern Fehlverhalten nachzuweisen. Anders ist nicht zu erklären, dass heute noch immer kolportiert wird und seitens der Journalisten muss man attestieren: wider besseren Wissens die katholische Kirche sei ein Umfeld verstärkter Pädophilie. Diese Aussagen wurde so lange penetriert, bis selbst die Gläubigen anfingen, es zu glauben. Das statistisch gesehen das Gegenteil gilt: wen kümmerts die mit ihrem Zölibat sind doch sowieso nicht ganz richtig im Kopf, da muss doch so was bei rauskommen. Lufthoheit über dem Stammtisch nennt man das, was Kirchenkritiker hier erlangt haben.
Nun trifft es also einen der Ihren: man meinte, eine herausragende Persönlichkeit der 68er-Bewegung auszeichnen zu können (Wolfgang Herles bezeichnet auf heute.de Cohn-Bendit in seinem Kommentar doppeldeutig als ausgezeichnet) als Kämpfer für Demokratie und Zivilcourage. Und das ist einer, der zumindest in der oben beschriebenen Sache nicht wenig Dreck am Stecken hat. Man kann Cohn-Bendit natürlich Umkehr zugestehen, auch auf Vergebung könnte er aus christlicher Sicht hoffen, wenn es ihm denn darum ginge, tatsächlich einen Fehler einzugestehen und nicht nur eine falsche Darstellung zu beklagen. Es geht nicht darum, mit gleicher Wucht zurück zu schlagen, wie auf die Kirche eingeschlagen wird, aber die von Cohn-Bendit verharmlosten Verbrechen, auf die echte Pädophile aus allen Gesellschaftsschichten doch nur als Entschuldigung warten, dulden keine politische Verharmlosung. Deshalb hat der Mann diesen Preis nicht verdient, die Entscheidungsträger hätten das genau so wissen können wie der Präsident des Bundesverfassungsrichter Voßkuhle, der es ablehnte, die Laudatio für Cohn-Bendit zu halten (und dafür von Herles in dem heute.de-Statement als Feigling gescholten wird); genau so wusste auch Cohn-Bendit, dass er diese modernden Leichen im Keller hat, sie waren ja seit Jahren kein Geheimnis.
Menschliche Größe hätte Cohn-Bendit gezeigt, wenn er sich von seinen damaligen Äußerungen auch inhaltlich distanziert hätte, wenn er die Opfer von Pädophilen um Vergebung für seine sie schmerzenden Worte gebeten hätte, vielleicht die Annahme des Preises abgelehnt hätte mit dem Hinweis, dass seine Vergangenheit kein Bild zulässt, dass eine solche Preisvergabe zulässt. Hätte, hätte… er hat das alles nicht getan; rückt sein Denkmal nur ein bisschen zurecht, damit man die Schattenseiten nicht so sieht im grellen Licht und meint tatsächlich, diese Ehrung komme ihm nun tatsächlich zu. Im Gegenteil hatte er seinen Verzicht auf den Preis gegenüber der Stuttgarter Zeitung mit den Worten angeboten wenn es für die Heuss-Stiftung jetzt aber zu kompliziert geworden sein sollte, mir diesen Preis zu verleihen, biete ich ihr gerne an, auf den Preis zu verzichten. Ich wäre der Stiftung nicht böse. Mein Leben hängt nicht an diesem Preis. Das ist nicht mal eine Entschuldigung dritter Klasse!
Als Katholiken wissen wir hoffentlich nur zu gut um unsere eigenen Schwächen, wir wissen um unsere Verfehlungen zumindest moralischer, wenn auch nicht immer gesetzlich strafbewehrter Art. Wir stehen als Katholiken hinter unserer Kirche und tragen die Verfehlungen der anderen mit, so wie Jesus selbst sie mit auf das Kreuz getragen hat. Wir leiden mit unserer Kirche, vor allem dann, wenn ihre Leiden aus den Verfehlungen ihrer öffentlichen Vertreter resultieren, und stehen trotzdem hinter ihr, denn wir wissen, dass unsere Kirche heilig ist, ihre Vertreter und wir selbst es aber nicht sind. Dieses Wissen sollte uns demütig werden lassen und barmherzig anderen Menschen gegenüber: auch einem Daniel Cohn-Bendit wird Gott unser Herr vergeben wenn er ihm seine Schuld eingesteht. So lange dies nicht geschieht, so glaube ich, ist es auch unsere Aufgabe als Christen, nicht den Mund zu halten, wenn es um solche Themen geht. Das Privatleben eines Daniel Cohn-Bendit geht mich nichts an, aber hier geht es nicht darum, ob er seine Steuern sauber abrechnet oder vielleicht seine Familie vernachlässigt, hier geht es um die öffentliche Relativierung eines der miesesten Verbrechen, und auch wenn mein Kraftausdruck gegen ihn auf Facebook nicht sachgerecht war, so muss es doch unsere Aufgabe als Katholiken sein, auf Fehlentwicklungen mit deutlichen Worten hinzuweisen. Das Büro des Bundesverfassungsgerichts begründete die Absage Andreas Voßkuhles unter anderem damit, das Gericht sei in ganz besonderer Weise gehalten, jeden Anschein zu vermeiden, es würde solche Aussagen [die damaligen pädophilen Aussagen Cohn-Bendits] billigen.
Dazu sind wir alle aufgefordert, dazu fühlte ich mich und fühle mich auch weiterhin – mit den wenigen mir zur Verfügung stehenden Mitteln aufgefordert: Ich billige diese Aussagen nicht! Ich halte einen Menschen, der sich nicht anständig von solchen Aussagen distanziert nicht für wert, eine Auszeichnung für Verdienste um die Demokratie und für Zivilcourage zu erhalten. Ich halte nichts davon, wenn sich ein solcher Mensch anmaßt, als politische Leitfigur, als Preisträger und Ausgezeichneter aufzutreten, ungeachtet seiner möglichen anderen politischen Leistungen. Im Vorfeld der Preisverleihung äußerte sich Cohn-Bendit es handele sich um eine irrationale Debatte, und ich werde es nicht schaffen, sie zu rationalisieren. Ich glaube, er hätte es schaffen können aber er hat es nicht gewollt!