Bislang habe ich zum Fall des amerikanischen Abtreibungsarztes, der gerade in drei Fällen des Mordes für schuldig befunden wurde und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, keine Stellung genommen. Ich gebe zu: die ihm nachgewiesenen Verbrechen schmerzen in meinem Herzen, müssen in jedem Herzen eines Christen schmerzen, der es ernst meint damit, dass ein Menschenleben mit der Zeugung beginnt. Leser dieses Blogs wissen, wie die katholische Sicht auf dieses Thema ist, dass eine Abtreibung in jedem Fall dem Willen Gottes wiederspricht. Im Fall Gosnell ging es aber nicht nur um normale Abtreibungen, es ging um Abtreibungen gegen den Willen der betroffenen Frauen und es ging um die Tötung nach einer Abtreibung lebend geborener Kinder, die Gosnell offenbar man möge mir den Ausdruck verzeihen hat verrecken lassen. Wer sich die Beschreibungen der Taten antun will, wird sicher in den Lebensrechtsforen fündig, ich möchte sie hier nicht wiederholen: die Verbrechen, die Gosnell vorgeworfen werden, die ihm nachgewiesen wurden und für die er nun verurteilt wurde, sind so widerlich, so menschenverachtend, dass ich eine detaillierte Beschreibung meinen Lesern nicht zumuten möchte.
Nun ist er also verurteilt und in den USA aber auch teilweise in Deutschland geht die Diskussion weiter, ob denn jemand wie Gosnell angesichts seiner Taten nicht die Todesstrafe verdient hätte. Das amerikanische Rechtssystem sieht diese Strafe ja durchaus vor und im Vergleich wurden Menschen in den USA sicher schon für weniger hingerichtet. In diesem Blog kann es nun nicht um eine positivistische Rechtseinschätzung gehen nach dem Motto: hätte Kermit Gosnell nach US-amerikanischen Rechtsverhältnissen zum Tode verurteil werden müssen?
Betrachten wir dagegen die Lehre der katholischen Kirche, so ist der Katechismus im Hinblick auf die Todesstrafe nicht ganz, aber doch wie ich finde ausreichend eindeutig:
2266 Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, dass der Angreifer außerstande gesetzt wird zu schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen. Aus analogen Gründen haben die Verantwortungsträger das Recht, diejenigen, die das Gemeinwesen, für das sie verantwortlich sind, angreifen, mit Waffengewalt abzuwehren.
Die Strafe soll in erster Linie die durch das Vergehen herbeigeführte Unordnung wiedergutmachen. Wird sie vom Schuldigen willig angenommen, gilt sie als Sühne. Zudem hat die Strafe die Wirkung, die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Personen zu schützen. Schließlich hat die Strafe auch eine heilende Wirkung: sie soll möglichst dazu beitragen, dass sich der Schuldige bessert [Vgl. Lk 23,40-43.].
2267 Soweit unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen Angreifer zu verteidigen und die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Menschen zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener.
Kurz gesagt: die Todesstrafe ist aus katholischer Sicht nur dann zu rechtfertigen, wenn andere Mittel zum Schutz des Gemeinwohls nicht ausreichen. Unzweifelhaft: Taten wie die von Gosnell schaden dem Gemeinwohl (jedenfalls aus christlicher Sicht, die Art der Abtreibungen wird sicher aber auch Abtreibungsbefürworter abstoßen), durch seine Inhaftierung ist er aber ausreichend daran gehindert, sein Treiben fortzusetzen, und er hat die Möglichkeit, zu bereuen, die Strafe als Sühne anzunehmen und sich zu bessern. Aus katholischer Sicht kann also nicht von einer Legitimität der Todesstrafe ausgegangen werden Gott sei also Dank, dass sie hier auch nicht verhängt wurde!
Zu Ende gedacht hat den Gedanken des Pro-Life, des unbeschränkten Lebensrechts von der Zeugung bis zum natürlichen Tod eines Menschen, und den Gedanken der Liebe und der Barmherzigkeit unter den Menschen, ein Autor der amerikanischen Pro-Life-Internetseite LifeNews.com, Josh Brahm, unter dem Titel Why I Hope Convicted Abortionist Kermit Gosnell Doesnt Go to Hell (Warum ich hoffe, dass der verurteilte Abtreibungsarzt Kermit Gosnell nicht in die Hölle kommt) der sich nicht nur zufrieden damit zeigt, dass der Gerechtigkeit durch den Prozess und die verhängte Strafe genüge getan wurde ohne ein Urteil Gottes vorwegzunehmen (Im glad limited justice has been served.) und dass Gosnell zur Gefängnisstrafe und nicht zur Todesstrafe verurteil wurde (Im glad hes going to prison.) sondern sich darüber hinaus wünscht, dass Gosnell nach seinem natürlichen Tod nicht in der Hölle landen soll, sondern ihn lieber im Himmel wiedersehen möchte (Yet, I dont want Gosnell to go to Hell. Id rather spend time with him in Heaven.).
Ich gebe zu, mein Herz wehrt sich gegen den Gedanken kann so ein Monster, das keine Hemmungen hat, geborenen Babys zu ermorden und dies hinterlistig als Abtreibung zu tarnen, tatsächlich in den Himmel kommen, und will ich das eigentlich?
Josh Brahm bringt es auf den Punkt: nach allem, was von Pro-Life-Seite gegen Gosnell vorgebracht wurde, nach allen expliziten Vorwürfen die gemacht werden mussten und die nun zu seiner Verurteilung geführt haben, die auch notwendig gewesen sind, um aufzeigen zu können, dass es keinen wesentlichen moralischen Unterschied gibt zwischen dem, was Gosnell getan hat und was bei normalen, gesetzlich zugelassenen Abtreibungen passiert, ist nun der Gerechtigkeit Genüge getan und auch wir müssen nun einen Schritt zurück treten und Gott wieder das Ruder überlassen:
But now that justice has been served, I think this is a moment where we need to encourage our people to have a heart like Christ does.
Jetzt, wo der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, ist glaube ich der Moment gekommen, wo wir uns selbst ermutigen sollten, ein Herz wie Jesus zu haben.
Auch ein Kermit Gosnell kann umkehren ob er es tut, ob er im Gefängnis sein Gewissen entwickelt, seine Schuld erkennt und sie Christus übergibt, im Vertrauen darauf, dass er ihm vergibt das alles ist nicht unsere Entscheidung, es ist etwas zwischen Gott und ihm. Niemand sollte verloren gehen und die Freude im Himmel über eine bekehrten Sünder wird riesig sein, so beschreibt es Jesus selbst, sodass auch wir mit jubeln sollten, wenn es denn passierte und wir die wir hoffen, eines Tages in den Himmel zu kommen dort auf Kermit Gosnell treffen. Der Gedanke scheint uns abwegig, wie gesagt, mein Herz wehrt sich aber bei näherem Nachdenken muss ich auch zugeben, dass dies das versteinerte Herz des alten Menschen ist, nicht ein Herz, das Jesu Herz gleichgeformt ist.
Natürlich, so beschreibt es auch Brahm, gibt es auch pragmatische Gründe, nicht für die Todesstrafe für Gosnell zu plädieren, am Ende ist es aber das Beispiel Jesu, dass uns anleiten muss, ein Herz wie seines zu entwickeln und Barmherzigkeit für einen Menschen wie Gosnell zu entwickeln, egal ob das in der Gesellschaft und bestimmten Flügeln der Pro-Life-Bewegung auf Zustimmung stößt:
My pragmatic reason for that is this is one of those news stories that puts abortion to the front, which is rare right now. People are watching what pro-lifers say about this. That reason alone I think is sufficient for us to act as Christ-like as possible. My principled reason is that we are supposed to have a heart like Christ does, regardless of whether it gains us any public traction.
Mein pragmatischer Grund für meinen Wunsch ist, dass durch die Geschichte um Gosnell das Thema Abtreibung wieder auf die Tagesordnung gekommen ist, was selten genug vorkommt. Die Menschen schauen jetzt darauf, was Lebensrechtler dazu sagen. Dieser Grund alleine sollte wie ich finde ausreichend für uns sein, so christusgemäß zu handeln, wie es eben geht. Mein prinzipieller Grund für meinen Wunsch ist aber, das wir alle ein Herz wie Christus ausbilden sollten, egal ob es in der Gesellschaft auf Zustimmung stößt.
Fragen wir uns, jeder einzelne, ob wir dem folgen können, was Brahm hier schreibt: Würde ich Kermit Gosnell gerne nach seiner Bekehrung und nach dem Richterspruch Gottes im Himmel sehen? Oder ist mein Herz ihm gegenüber so verhärtet, dass ich ihm wünsche, in der Hölle zu brennen? Ersteres entspricht dem Herzen Jesu, letzteres ist das Herz der Welt. Wir haben die Wahl und sprechen damit das Urteil über uns selbst!
Claudia Sperlich
Mir geht es ähnlich: Ich kann mir wegen meiner eigenen Grenzen nicht vorstellen, Gosnell im Frieden zu begegnen – aber ich wünsche ihm von Herzen, daß er bereut und Gott um Verzeihung bittet. Und wenn er das tut, wird er von Jesus genauso herzlich willkommen geheißen wie ich.
RH
….. wenn er bereut! Er hat sich doch über jede Rechtmäßigkeit hinweggesetzt. Um seine Schuld einzusehen und zu bereuen, müßte die Gnade wohl übermächtig ‚zuschlagen‘, was wiederum nicht unmöglich ist.
Das Fatima-Gebet: ‚O mein Jesus, verzeih uns unere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen‘,
das i.d.R. nach jedem Gesätz des Rosenkranzes gebetet werden sollte, soll auch ihm zu Gute kommen, dass ihm eine Reue und Umkehr gewährt werden möge. Er hat es sicher nicht verdient! ….. aber was habe ich verdient? Habe ich Gottes Barmherzigkeit ‚verdient‘?
Templarii
Das ist wohl genauso eine herausforderung wie trotz Kampfeswut und Wut auf die wehrlose Gesellschaft für den Frieden zu beten.
Es stärkt, aber es ist verdammt schwer..
Was die Todesstrafe angeht, gehorche ich der Kirche auch wenn ich anderer Meinung bin.
Templarii