Eigentlich bin ich ja im Urlaub und wollte gar keine Blogbeiträge schreiben, aber erstens habe ich mir im hiesigen Mediamarkt eine Tastatur für’s iPad gegönnt und zweitens soll man Ideen ja auch nicht einfach liegen lassen wenn sie einen schon überkommen. Und drittens, das noch dazu gesagt, ist die Idee zu diesem Beitrag auch mal wieder meiner Frau geschuldet, da bin ich doppelt motiviert.
Auf der Fahrt in den Urlaub und zu diversen anderen Gelegenheiten keimte nämlich die Frage auf, wie man das denn eigentlich macht, mit jemandem über den Glauben sprechen, vor allem dann, wenn man dabei nicht nur auf einen intelektuellen Austausch aus ist sondern darauf, dem anderen etwas von Gott zu berichten, ihm einen „Zugang“ zu Gott zu eröffnen. Nun haben viele das Jahr des Glaubens bereits genutzt und sich über den Glauben „aufgeschlaut“ … aber jetzt muss das alles ja auch an den Mann oder die Frau gebracht werden. Und da sieht es in den meisten Fällen ja nicht so aus, dass besonders viele Kenntnisse über den Glauben vorhanden wären, über die man sich austauschen könnte; die wenigstens Nichtgläubigen sind auch überzeugte Atheisten, die Mehrzahl hat einfach – aus verschiedensten Gründen – das Interesse an Glaubensfragen und -inhalten verloren, mit entsprechenden Folgen für das Glaubenswissen. Jetzt also einfach auf die Straße zu laufen und über die Erlösungstaten Jesu zu sprechen oder über die Eucharistie, die Beichte, das Gebet oder was auch immer, kann zu einer sehr ernüchternden Veranstaltung werden. „Schön, dass du den Glauben hast, aber für mich ist das nichts“ ist eine gar nicht so seltene Antwort die man in Glaubensgesprächen manchmal bekommt. Das hinterlässt einen schon mal sprachlos. Andererseits: wenn sich schon jemand meinen Sermon angehört hat und dann so reagiert, muss ich mir dann nicht an die eigene Nase fassen als den Kopf über den anderen zu schütteln? Schließlich bin ich es, der es trotz eines ganzen Haufens Glaubenswissen nicht geschafft hat, dem anderen die Schönheit des Glaubens nahezubringen, Unwillen kann man in vielen Fällen bei dem anderen ja eben nicht unterstellen.
Also ist es unsere Aufgabe als Christen, die Menschen nicht einfach „niederzubibeln“ wie es mal ein Freund formuliert hat, sondern ihn an der Stelle abzuholen, an der er gerade ist. Als Christen glauben wir ja, dass jeder Mensch, der Christ wie der Moslem oder Jude oder Hindu, wie der Atheist und der Agnostiker letztlich auf der Suche nach Gott ist. Der Mensch ist nach dem Abbild Gottes geschaffen und nun auf der Suche nach ihm, nach der „Erfüllung“ – wie man es vielleicht neutral formulieren könnte, oder auch – platter aber nicht weniger richtig – nach Glück. Und dieses Glück sucht nun tatsächlich – zur Überraschung des durchschnittlichen Christenmenschen – jeder Mensch woanders. Gängig sind noch Themen wie Geld, Luxus, Sex, weniger offensichtlich schon die Beschäftigung mit philosophischen Themen, der Hang zur Esoterik (und sei es nur im Kleinen das Hinterherhecheln von Horoskopen aus der Zeitung) oder auch die Beschäftigung mit scheinbar weltwesentlichen Themen wie Umweltschutz, Familienpolitik etc. pp. Geht man zunächst mal davon aus, dass der Mensch von Gott „gut“ geschaffen ist, dann muss man jedem dieser Menschen zugestehen, auf der Suche nach dem Guten für sich und auch – im Bereich der Politik oder des gesellschaftlichen Engagegements – die anderen zu sein. Sind wir mal ehrlich: auch wenn wir glauben, dass nicht wir den Glauben gefunden haben sondern uns Christus gefunden hat, so ist diese Fragestellung – Erfüllung für uns und andere – doch auch für Christen relevant, sonst machte die Beschäftigung damit und die Evangelisierung ja keinen Sinn.
Nun ist es andererseits so, dass wir denjenigen, der in seinem Leben auf Abwege von Gott geraten ist, nicht einfach mit unserem Wissen und (hoffentlich auch) Beispiel überschütten und ihn dann seines Lebensweges gehen lassen können. Der Erfahrungshorizont des anderen ist doch wahrscheinlich ein ganz anderer als meiner, wie kann ich da annehmen, dass er „meine Weisheit“ so einfach akzeptieren und übernehmen kann? Wahrscheinlicher ist da schon, wenn er es denn gut mit mir meint, dass er versuchen wird, mich von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen – am Ende gehen wir dann auseinander, meinen unser bestes getan zu haben, doch hat sich im Sinne Gottes erstmal nichts bewegt (ich bin überzeugt, dass Gott auch aus der verkorkstestens Evangelisierung noch was machen kann, aber das scheint mir wiederum nicht das Mittel der Wahl zu sein), der andere bleibt auf seinen – aus christlicher Sicht – Abwegen und wir fragen uns, ob wir nicht mehr für diesen Menschen hätten tun können?
Die Alternative – und mir scheint da ein Bezug zum Wechsel vom alten zum neuen Papst zu bestehen – kann nur so aussehen, den anderen in seinen Sorgen und Nöten, auch in seinen aktuellen Einsichten und Antrieben ernst zu nehmen, sich mit ihm auf eine Stufe zu stellen, quasi zu versuchen, den gleichen Blickwinkel einzunehmen und von dort aus den Weg in den Glauben zu weisen. Wenn ich auf einem Felsengipfel stehe, hilft es dem anderen gar nichts, wenn ich ihm sage, dass er zu mir kommen soll, ich muss ihm schon auch den Weg aufzeigen, den er von seiner Position aus gehen kann. Dadurch wird nicht unwichtig, auf diesem Gipfel zu stehen, damit ich sicher sein kann, dass sich der Aufstieg auch lohnt, das allein reicht aber eben nur „für mich“ und damit aus christlicher Sicht eigentlich gar nicht. Die Parallele zum Pontifikatswechsel sehe ich nun genau dort: Papst Benedikt XVI. hat uns aufgefordert, im Jahr des Glaubens unser Glaubenswissen zu erneuern und uns selbst im Glauben zu stärken. Diesen Auftrag hat er aber nicht hinterlassen, damit es uns selbst besser geht, er hat ihn hinterlassen, damit wir anderen den Weg weisen können, damit wir wissen, wo der Felsengipfel eigentlich ist, auf den wir die Menschen führen wollen. Das Glaubenswissen, die Stärkung des eigenen Glaubens im Gebet, Betrachtung, Empfang der Sakramente und Studium christlicher Literatur ist ein Standbein der Evangelisierung, die uns unser alter Papst mit auf den Weg gegeben hat. Papst Franziskus scheint nun vielen, die einen weiten Weg in dieser Richtung gegangen sind, weniger „tief“, weniger theologisch … und ich meine: seine Ansprachen und Predigten sind es auch! Er hat die erforderliche Tiefe, er hat das theologische Wissen – aber er weiß auch, dass er mit diesem Wissen niemanden glauben machen kann, sondern die Menschen dort abholen muss, wo sie stehen. Und das ist bei den meisten ein nur geringes Gefühl für den Glauben und die unbestimmte Ahnung, dass da noch was sein muss. Dort setzt der Papst an, setzt sich neben die Menschen und zeigt ihnen den Weg auf den Gipfel von dort aus, wo sie stehen.
Letzteres ist auch unsere Aufgabe, die Aufgabe jedes Christen und Katholiken – uns selbst retten zu wollen, rettet weder die anderen noch uns! Es wird spannend sein, Papst Franziskus in dieser Weise zu beobachten, von ihm, dem südamerikanischen Seelsorger, zu lernen, wie man das, was uns Papst Benedikt XVI., der deutsche Theologe, nähergebracht hat, den Menschen vermittelt. Hüten wir uns aber davor, Papst Franziskus den Theologen und Papst Benedikt den Seelsorger abzusprechen: sie beide erfüllen ihren Auftrag in der Zeit, so wie es die Zeit verlangt, wie es die Kirche zu allen Zeiten getan hat!
Chetaire
Hallo,
ich hab echt große Probleme mit dem Begriff ‚Glaubenswissen‘. Für mich sind das zwei Begriffe, die entweder in einer zeitlichen Abfolge auftreten oder aber sich sogar widersprechen. Wie wahrscheinlich deutlich wird, bin ich Atheist und zwar einer, der nicht aus Enttäuschung dazu geworden ist, sondern auf Dauer zu der erleuchtenden Erkenntnis gekommen ist. Deswegen hab ich aber nicht aufgehört, mich weiterhin mit Religion und Glauben zu beschäftigen. Oft habe ich mit Gläubigen, die jeweils mehr oder weniger fundamental eingestellt sind, Diskussionen geführt, immer auf der Suche nach Erkenntnis bzw. Wissen darüber, warum man an soetwas wie einen Gott glaubt. Klar, geh ich sowas eher wissenschaftlich an, aber warum sollte Wissenschaft jemandem auch im Weg stehen, wenn man den Glauben verstehen will!? Bei diesen Diskussionen bin ich eigentlich immer nur zu der Erkenntnis bzw. zu dem Ansatz der Erkenntnis gekomme, daß Glaube nichts weiter als die Suche nach psychologischer Sicheheit ist, Abschottung vor zu komplizierten Antworten. Diese Abschottung materialisierte sich dann auch fast physisch während der Gespräche, wenn man sich einem bestimmten Punkt näherte und die Argumente der Gläubigen stagnierten ab da. Wie gesagt, ich versuche offen zu sein gegenüber dem Glauben, aber ich erlebe ihn einfach zu oft als Abschottung vor der Suche nach Wissen über die Welt, als Grund für Stagnation, als Quelle für Intoleranz gegenüber legal frei gewählten Lebensweisen und als ärgerlichen Grund für die Beeinflussung politischer Entscheidungen. Gern möchte ich mehr erfahren, aber auf diesem Weg entferne ich mich eher davon als daß es mir hilft, es wirklich zu verstehen.