100 Tage, das ist in Politik und Wirtschaft die Schonfrist für einen neuen Verantwortungsträger. Nach 100 Tagen, so meint man, sollte derjenige seine neue Aufgabe langsam mit Leben gefüllt haben, verstanden habe, wo die Schwerpunkte liegen und dem Amt den ersten Stempel seiner persönlichen Amtsführung aufgedrückt haben. 100 Tage, in denen man den Neuen nicht allzu hart kritisiert, weil man ihm die Neuheit im Amt noch zugute hält und meint, Fehler die man selbst als solche erkennt seien noch entschuldbar und er werde es anschließend schon besser machen.
Seit gut 100 Tagen ist jetzt Papst Franziskus im Amt, und nicht wenige Journalisten und Blogger haben das zum Anlass genommen, eine kleine Rückschau zu halten auf das, was die letzten 100 Tage passiert ist, was sich geändert hat: die Amtsführung, das Amt selbst, gar die katholische Kirche als Ganzes? Ich gebe zu, man erliegt schnell der Versuchung, desgleichen auch zu tun und das gleiche zu wiederholen, was an anderer Stelle bereits geschrieben wurde, zu zitieren, was einem zitierwürdig erscheint und so dieses 100-Tage-Bild zu komplettieren. Dann ist mir aber eine Frage aufgegangen: Gibt es überhaupt eine 100-Tage-Frist für Päpste? Können Päpste in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit eine Art Bonus beanspruchen, wenn sie fehlerhafte oder auch nur verbesserungswürdige Entscheidungen treffen? Und meine Überzeugung zwischenzeitlich: Es gibt sie nicht!
Papst ist man von der Annahme der Wahl an, berufen durch den Heiligen Geist, der die Hände der Kardinäle bei der Wahl führt der Heilige Geist, der weiß, was die Kirche gerade in der aktuellen Zeit am nötigsten braucht, der uns, seine Kirche, durch die letzten 2000 Jahre sehr erfolgreich, wenn auch nicht immer auf geraden Wegen (was weniger am Heiligen Geist sondern an widerspenstigen Menschen liegt) durch die Zeit geführt hat. Damit trägt der Papst von Beginn an die Verantwortung für die Kirche Gottes, er kann von Beginn an Fehler machen, die weit über die ersten 100 Tage hinausreichen, weit über sein Pontifikat hinausreichen können. Entscheidungen des Papstes sind egal ob in den ersten 100 Tagen oder 10 Jahren Entscheidungen für die gesamte Kirche. Natürlich, es gibt Entscheidungen mit mehr oder weniger Reichweite aber selbst vermeintlich kleine Entscheidungen, wie der Bezug oder Nichtbezug der päpstlichen Räumlichkeiten, werden überall in der Welt registriert und bewertet. Genau das ist es, was wir in den 100-Tage-Rückblicken ja auch lesen, da finden sich eben die Bewertungen des Pontifikats als revolutionär bis demütig das alles sind Bewertungen der Entscheidungen und Handlungen des Papstes, dem man eben genau diese 100 Tage nicht gewährt. Die Alternative wäre, die ersten 100 Tage unberücksichtigt zu lassen um jetzt zu schauen, ob sich Papst, Amt und Kirche geändert haben.
Papst Franziskus hat einen eigenen Charakter, eine eigene Persönlichkeit, eine, die sich von der Papst Benedikts XVI. genau so unterscheidet wie beider von der von Papst Johannes Paul II., der sich wiederum unterschied von seinem Vorgänger Johannes Paul I. oder Papst Paul VI. etc. pp. das ganze ließe sich fortsetzen bis zum ersten Papst, Petrus dem Fels dem im übrigen auch keine 100 Tage zur Eingewöhnung gewährt wurden. Dem einen oder anderen mag diese oder jene Art der Amtsführung mehr liegen, bestimmte Themenstellungen, in denen er Akzente setzt sind dem einen wichtiger als dem anderen und jedes Urteil darüber, ob das nun so gut sei oder nicht stellt die Wahl des Papstes an sich in Frage. Wer heute sagt, der neue Papst sei kein guter Papst (die wenigsten drücken das so aus, mäkeln aber an seinem Führungsstil und seiner Schwerpunktsetzung rum), sagt gleichzeitig, dass die Kardinäle im Konklave nicht dem Heiligen Geist gefolgt sind oder der sich geirrt habe. Letztlich tut man nicht weniger als sich außerhalb der katholischen Kirche zu stellen. Das heißt nicht, dass man Entscheidungen des Papstes nicht kritisieren darf, aber mit einer Bewertung seines Pontifikats als ganzes, ob jetzt nach 100 Tagen oder in zehn oder wie viel auch immer Jahren, setzt man sich auf einen Richterstuhl, der keinem Menschen zusteht.
Geeigneter scheint es mir, die letzten 100 Tage Revue passieren zu lassen hinsichtlich der eigenen Rolle in der Kirche: Stehe ich kraftvoll hinter unserem Papst? Bete ich für ihn? Folge ich ihm vertrauensvoll als dem Oberhaupt meiner Kirche? Verfolge, betrachte und verinnerliche ich seine Worte und Lehren? Liebe ich die Kirche und mit ihr den Papst? Oder stelle ich mich über Papst und Heiligen Geist indem ich meine, besser zu wissen, was unsere Kirche braucht, was richtig ist und was falsch, was wahr ist und was unwahr? Versuche ich mich auf den Richterstuhl zu setzen oder nehme ich Platz auf dem nach menschlichen Maßstäben manchmal unbequemen Schemel des Gehorsamen? Letzteres ist in der Welt nicht eben gut gelitten, aber wer diese Weltsicht in Betracht zieht, den geforderten Gehorsam grundsätzlich nicht akzeptieren will, der hat sich schon von Christus entfernt.
Nikolaus Barabas
Ein sehr guter Artikel, am besten gefiel mir er letzte Absatz. Gerade manche Leserbriefschreiber auf http://www.katholisches.info sollten sich diesen sehr zu Herzen nehmen.
Anonymous
Das sehe ich genauso.
Enteweder er ist in der ersten Sekunde Papst,was ich glaube,
oder aber nicht.
Das ist Berufung.Nicht erst nach 100 Tagen.
Man sollte sich nicht permanent zum Richter aufspielen.