Auf einen großartigen Artikel von Andreas Lombard zur Familienpolitik bin ich auf eigentümlich frei gestoßen (damit auch auf den Blog des Verfassers, der ganz allgemein interessante Gedanken dort veröffentlicht, wobei ich noch nicht zu sagen vermag, ob ich diese in jedem Fall teile). Er berichtet dort über eine Veranstaltung der IDAF (Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.), die auf Problematiken der Familienpolitik ausgehend vom Kindeswohl eingeht. Dieser Ansatz erscheint, sieht man heutige gängige Diskussionsbeiträge aus der Politik zu dem Thema im Vergleich, revolutionär oder reaktionär, je nach Sichtweise.
Ausgehend von den Erfolgs- und Misserfolgskomponenten der Erziehung zieht Lombard aus den Beiträgen der Konferenz ein Fazit hinsichtlich der Familienpolitik, das vernichtend ausfällt: man beklagt Fachkräftemangel und mangelnde soziale, kulturelle und intellektuelle Fähigkeiten von Mitarbeitern und Auszubildenden und fördert durch die frühestmögliche Sozialisierung der Erziehung der Kinder in Kitas, Kindergärten und Ganztagsschulen genau die Grundlagen für diese Missstände:
Wenn es um soziale und schulische Probleme von Kindern und Jugendlichen geht, um Lebensläufe, die im späteren Leben in kriminelle Karrieren übergehen können, gibt es eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Den meisten von ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass man nie genug Geld ausgeben, also auch nie genug Geld einnehmen könne. Das ist reine Magie, aber eben deshalb ist sie auch sehr wirkmächtig. Viele beruhigt es offenbar ungemein, wenn sie das Fehlen von Krippen- und Kindergartenplätzen, von Erziehern, Lehrern, Psychologen und Sozialpädagogen beklagen. Und mehr Geld fordern.
Über den reinen gesunden Menschenverstand wie auch über Ergebnisse der Hirn- und Hormonforschung kommt die Konferenz und damit Andreas Lombard zu dem Schluss, dass die beste Vorbereitung von Kindern für das Leben immer noch in stabilen, verlässlichen Familienkonstellationen und intensiver Betreuung durch die Eltern, vor allem die Mutter, zu suchen ist, die allein eine gesunde Bindung des Kindes an die Eltern herstellen können.
Das geliebte Kind ist aber nicht nur besser vor den Abgründen des Lebens geschützt. Es hat auch mehr Kraft für das Gelingen. Gelingendes Leben setzt voraus, dass dieselben Kräfte, die ungehemmt in die Selbstzerstörung oder in die Zerstörung anderer führen, produktiv genutzt werden können: »Agape besiegt Eros, indem sie ihn erlöst.« (Denis de Rougemont) Das Gute ist in diesem Sinne viel weniger eine Frage der Moral als der Liebesfähigkeit und damit der Liebeserfahrung. Dieses Wissen nützt nur nicht viel, wenn zu seiner Anwendung die emotionale Ausstattung fehlt. Es gibt eben Dinge, die der Mensch nicht von alleine kann. Ohne die Erfahrung elterlicher Liebe, ohne, dass sich die Persönlichkeit des Kindes im Zuge der »gemäßigten, liebevollen Beschämung durch die Eltern« (Gerl-Falkovitz) entwickelt hat, wird es dem späteren Erwachsenen schwerfallen, sich auf das schönste Versprechen irdischen Lebens zu verlassen: Dass Eros von Agape nicht mit Zwang oder Moral gefesselt werden muss, sondern mit Liebe besiegt werden kann. Genau hierauf zielen aber immer noch und weiterhin die Wünsche und Hoffnungen der Mehrheit aller jungen Leute: auf die stabile Liebesbeziehung und auf die Familie mit Kindern. Da kann die Politik noch so krampfhaft versuchen, mit Gendergetöse die Geschlechterrollen zu verwirren und den bindungsgestörten, marktflexiblen und sozialstaatsabhängigen Single als neues Vorbild zu verkaufen. Gewiss, es gibt keine perfekte Familie. Trotzdem ist die Familie die größte »therapeutische Kraft« in unserem Leben, wie der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Albert Wunsch unter Berufung auf Jesper Juul betonte.
Dagegen arbeiten heute Medien und Politik in einer Art unheiligen Allianz daran, gerade die familiären Grundlagen zu zerstören: Frauen (und Männer) so früh als eben möglich nach der Kindsgeburt wieder in die Produktion bringen und die Kinder durch Kitas, Kindergärten und Ganztagsschulen unter staatlicher Kontrolle halten. Argumentiert wird dabei in der Regel mit den wenigen Ausnahmefällen der Verwahrlosung, dem Versagen der elterlichen Pflege. Von diesen Ausnahmen wird auf die Allgemeinheit geschlossen und entsprechend muss man die staatlichen Pläne zur Familienpolitik wohl eher als auf eine gesamte, im Gunde gesunde Gesellschaft angewandte Therapie begreifen
Politik und Medien arbeiten trotzdem ungerührt am Verfall und nicht an der Lebensfähigkeit der gezeugten, nicht gemachten Familie. Die allgemeine Fixierung auf das Negative verschärft die relativ wenigen Probleme. Die Fixierung auf das Negative führt von der gesunden Familie weg statt zu ihr hin. Die Fixierung auf das Negative bringt zum Beispiel ein Wort wie »Kinderarmut« in Umlauf. Das ist eine Diagnose, die uns einreden will, dass man den betroffenen Kindern nur ohne ihre Eltern helfen könnte. Wer »Kinderarmut« sagt, hat die Eltern schon entsorgt. [ ]. »Diese 20 Prozent [der Kinder] kosten 90 Prozent unserer Energie«, sagt Josef Kraus. Es geht gar nicht um Armut. Es geht um Liebe.
Wohin führt das? Folgerichtig zu Ende gedacht, verstärkt die Politik in weiten Teilen das Problem, man könnte fast von einer selbsterfüllenden Prophezeiung sprechen. Denn durch die Auftrennung der Familienbande werden exakt die Probleme produziert, die man zu bekämpfen meint (oder vorgibt).
Während die klassische Familie immer mehr diffamiert wird, konfrontiert uns die demografische Krise mit wachsenden quantitativen und qualitativen Nachwuchsproblemen, die die Zuwanderung nicht lösen kann. Unser Staat ignoriert die demografische Krise ja nicht nur. Er verschärft sie, indem er daran arbeitet, Kleinkindern die mütterliche Liebe vorzuenthalten und bereits erwachsene Bürger bindungslos, krank und verrückt zu machen. Wenn die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrer Kampagne »Machs mit« oberflächlich für die Benutzung von Kondomen, tatsächlich aber für egozentrischen, bindungslosen Geschlechtsverkehr wirbt, wenn sie bundesweit nicht nur für schnellen Sex und Promiskuität, sondern auch für gestörte Beziehungen wirbt, in denen der double bind regiert und ein höchstens siebzehnjähriges Mädchen, das »es« angeblich »soft« will, mit düsterem Blick und bandgierten Fäusten droht, wenn also eine »Gesundheitszentrale« (dieser Hohn ist kaum zu überbieten) solche Kampagnen inszeniert, dann setzt sie nicht nur auf gestörte Beziehungen, sondern auch auf gestörte Persönlichkeiten. [ ]
Ein grausamer Staat, der alles daran setzt, ganzen Generationen die frühkindliche Mutterliebe zu entziehen, überschätzt seine Möglichkeiten seelischer Reparatur. Um von dem Zynismus nicht zu reden, der sehenden Auges die Reparaturbedürftigkeit riskiert. Der Staat muss selbst für eine Betreuung sorgen, die im Vergleich zur Mutter- und Elternliebe immer nur minderwertig sein kann. Später muss er unendlich viel Aufwand in die oft vergeblichen Heilungsversuche frühkindlicher Beschädigungen stecken. Der einzig gesunde Betreuungsschlüssel, der nach Karl Brisch bei höchstens drei Kindern durch einen Erwachsenen liegt, ist in großem Stil unbezahlbar. Selbst wenn er bezahlbar wäre, könnte er nicht die jahrelange Bindung an dieselbe Bezugsperson sicherstellen. Dabei wäre alles so einfach: Liebe, Liebe und nochmals Liebe. Ein letztes Wort von Brisch, der er in München spontan zum »Bindungsguru« ernannt wurde: »Emotionen sind die Architekten des Gehirns.« Mit Liebe geht alles. Ohne Liebe geht nichts.
Die Antwort auf eine entscheidende Frage bleibt Lombard allerdings schuldig, die des cui bono? wem nützt dieses zitieren wir mal aus dem Zusammenhang gerissen ein Wort unseres Bundespräsidenten asoziale Verhalten der Politik? Kurzfristig mag es nützlich für die Wirtschaft erscheinen, aber langfristig und bereits heute zu beobachten sind die negativen Folgewirkungen einer fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik absehbar und wissenschaftlich belegt. Wem nützt also die Auflösung der Familie, wenn sie doch den Kindern, den Familien, in der Folge auch der Wirtschaft, langfristig unserer ganzen Gesellschaft schadet? Als Katholik habe ich darauf eine Antwort die wird diejenigen, die einer solchen Politik das Wort reden aber nicht überzeugen. Man darf aber zumindest bei christlichen Politikern davon ausgehen, dass sie den Zusammenhang von Gott, Liebe und Familie kennen und ihnen dann auch der Gegenspieler gegen diese Liebe Gottes in der Familie nicht gänzlich unbekannt ist. Bewusst oder unbewusst: wer die Diffamierung und Auflösung der traditionellen Familie betreibt macht sich zum Kollaborateur dieses Widersachers!
Nachtrag:
Auf der Seite 361° veröffentlicht die Unternehmensberatung A.T. Kearney aktuelle Beiträge zu Entwicklungen in der Familienpolitik. Im Vorfeld der Bundestagswahl werden in einem Wahl-Spezial hier auch familienpolitische Sprecher einiger Parteien zu Themen der Familienpolitik befragt. Zur Lektüre gerne empfohlen! Und nicht vergessen zwischen den Zeilen zu lesen, was mit den Konzepten bezweckt wird
man lese nur die Antworten einschlägiger“ Politiker zur Frage der Defizite der aktuellen Familienpolitik
Es wurde weder ein Rückkehrrecht auf Vollzeit eingeführt noch gab es echte Aktivitäten gegen Kinderarmut, für bessere Bildung und Betreuung oder für mehr Zeit für das Familienleben. Unsere Familienpolitik ist darauf ausgelegt, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Eltern und ihre Kinder zu verbessern. Es muss noch viel einfacher werden, das Familienleben und die Anforderungen des Erwerbsalltags unter einen Hut zu bringen. Deshalb muss der ab August gültige Rechtsanspruch besser finanziert und zeitnah zu einem Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung weiterentwickelt werden. Außerdem brauchen Eltern andere, familienfreundlichere und flexiblere Arbeitsmodelle. So gehen mit der Familienpolitik auch positive Impulse für die Wirtschaft einher. Mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf z.B. stehen mehr Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Den positiven Effekt der Kindertagesbetreuung hat erst jüngst eine Studie im Rahmen der Evaluation der familienpolitischen Leistungen nachgewiesen.
(Katja Dörner, Bündnis 90/Die Grünen)
Hinter der Familienpolitik der Bundesregierung steht aber auch ein konservatives und traditionelles Familienbild, was sich z.B. in der Einführung der Herdprämie namens Betreuungsgeld äußert. Der notwendige Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung stockt dagegen. Die öffentliche und soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche fiel in weiten Teilen der Finanzknappheit der Kommunen zum Opfer. Durch den ständigen Sozialabbau steigen die finanziellen Belastungen der Familien. Für Kinder bleibt kaum Zeit.
(Jörn Wunderlich, Die LINKE)
Es ist an der Zeit das alte Denkmuster von der Familie mit Mann, Frau und zwei Kindern zu erweitern. Natürlich wird es weiterhin Familien geben, auf die genau diese Beschreibung zutrifft, unsere Gesellschaft ist aber viel vielfältiger. Zudem muss eine deutliche Verbesserung in Vereinbarkeitsfragen von Familie und Beruf vorgenommen werden.
(Susanne Graf von der Piratenfraktion)
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