Der Weltjugendtag ist schon vorbei, und alles, was in den deutschen Hauptstrommedien in Erinnerung zu sein scheint, sind die gut anderthalb Stunden während der Rückreise des Papstes, in der er den mitfliegenden Journalisten ein offenes Interview gegeben hat seine Antworten enthielten zwar theologisch nichts Neues, da der deutsche Nachwuchs- und/oder Tendenzjournalist für Kirchenfragen aber in der Regel keinen Katechismus in Reichweite hat, war doch mancher überrascht, dass die katholische Kirche die Diskriminierung von Homosexuellen untersagt. Leider stürzen sich auch konservative Kommentatoren, denen die Frische und Agilität von Papst Franziskus suspekt zu sein scheint, auf das Thema und werfen dem Papst vor, sich nicht konkret genug geäußert zu haben. Das eine ist so unredlich wie das andere und offenbar dem noch immer nicht aufgegebenen Versuch geschuldet, das Pontifikat von Papst Benedikt gegen das von Papst Franziskus auszuspielen.
Während sich also die Welt um die Frage der Einschätzung der Homosexualität durch die katholische Kirche balgt (Interessierte mögen im Katechismus die Nrn. 2357-2359 nachlesen) oder sich fragt, ob ein vatikanisches Dekret im Widerspruch zu den Aussagen von Papst Benedikt XVI. steht, sollte es uns als Kirche eher darum gehen, die Menschen zum Glauben, zu Christus zu führen. Das ist bislang für mich DIE Kernbotschaft von Papst Franziskus (und ja, es waren auch Kernbotschaften der bisherigen Päpste dieses und des vergangenen Jahrhunderts, aber eben in unterschiedlicher Intensität) und auch der Weltjugendtag stand mit dem Motto Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker der Erde (Matthäus 28, 19) unter diesem Zeichen. Bei seiner Abschlusspredigt beim Weltjugendtag (wieder auch bei kath.net dokumentiert) ging Papst Franziskus intensiv auf dieses Motto ein in seinen eigenen Worten erläuterte er den Auftrag Jesu an uns alle: Geht ohne Furcht um zu dienen.
Geht!
Erfahrungen wie die des Weltjugendtages sind wichtig zur Glaubensstärkung der Teilnehmer wie auch all derer, die nur aus der Ferne dabei waren. Es kann aber nicht nur um eine Selbstbestätigung des Glaubens gehen, sondern der Glaube muss verbreitet werden, damit er lebendig bleibt:
Doch die Erfahrung dieser Begegnung darf nicht auf euer Leben oder die kleine Gruppe der Pfarrgemeinde, der Bewegung bzw. eurer Gemeinschaft beschränkt bleiben. Das wäre, als entzöge man einer lodernden Flamme den Sauerstoff. Der Glaube ist eine Flamme, die immer lebendiger wird, je mehr man sie mit anderen teilt und sie weitergibt, damit alle Jesus Christus kennen lernen, lieben und bekennen können ihn, den Herrn des Lebens und der Geschichte (vgl. Röm 10,9).
Dieser Missionsauftrag ist, das macht der Papst sehr deutlich, keine Option, es ist ein Missionsbefehl Jesu an die Christen aller Zeiten. Er fragt uns nicht, ob wir uns Mission vorstellen können, ob wir daran teilnehmen wollen. Wer Christ sein will, der muss auch missionieren:
Aber aufgepasst! Jesus hat nicht gesagt: Wenn ihr wollt, wenn ihr Zeit habt, sondern: Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern.“ Die Glaubenserfahrung zu teilen, den Glauben zu bezeugen, das Evangelium zu verkünden ist ein Auftrag, den der Herr der gesamten Kirche überträgt, auch dir; es ist ein Befehl, der jedoch nicht aus dem Willen zu herrschen oder Macht auszuüben entspringt, sondern aus der Kraft der Liebe, aus der Tatsache, dass Jesus als erster in unsere Mitte gekommen ist und uns nicht etwas von sich gegeben hat, sondern ganz sich selbst; er hat sein Leben hingegeben, um uns zu retten und uns die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes zu zeigen.
Wenn der Missionsauftrag sich auf alle Völker bezieht, dann ist auch das wörtlich zu nehmen. Es gibt keine Einschränkung der Missionsnotwendigkeit. Unser Missionsgebiet kann in unserer Nachbarschaft oder auf einem anderen Kontinent, in ursprünglich christlichen Milieus oder in Gebieten in denen der Atheismus vorherrscht liegen:
Das Evangelium ist für alle und nicht für einige. Es ist nicht nur für die, die uns näher, aufnahmefähiger, empfänglicher erscheinen. Es ist für alle. Fürchtet euch nicht, hinzugehen und Christus in jedes Milieu hineinzutragen, bis in die existenziellen Randgebiete, auch zu denen, die am fernsten, am gleichgültigsten erscheinen. Der Herr sucht alle, er will, dass alle die Wärme seiner Barmherzigkeit und seiner Liebe spüren.
Ohne Furcht
Bei dem einen oder anderen mögen hinsichtlich der Unmissverständlichkeit des Missionsbefehls Zweifel aufkommen, ob er dann überhaupt ein Christ sein KANN. Was, wenn ich viel zu wenig über den Glauben weiß, was, wenn ich viel zu wenig über den anderen weiß, was, wenn ich nicht in der Lage bin, schlagfertig mit Gegenargumenten umzugehen? Das sind alles Bedenken, die einerseits Berechtigung haben, die aber so lassen sich schon die entsprechenden Geschichten in der Bibel, wie bei Jeremia, der sich zu jung für den Auftrag Gottes hält, lesen von Gott weggewischt werden, indem er uns einfach begleitet (vgl. Jeremia 1, 6.8)
Fürchte dich nicht!“ Wenn wir gehen, um Christus zu verkünden, ist er selbst es, der uns vorangeht und uns führt. Als er seine Jünger zur Mission sandte, hat er versprochen: Ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28,20). Und das gilt auch für uns! Jesus lässt uns nicht allein, er lässt euch nie allein! Er begleitet euch immer.
Und wir haben, falls uns das tatsächlich nicht ausreichen sollte, die gesamte Kirche an unserer Seite. Als Kirche und als Kirchenmitglieder sind wir niemals ganz alleine sondern dürfen uns verbunden fühlen, institutionell wie spirituell, mit der Kirche und der Gemeinschaft der Heiligen. Dies will der Papst durchaus auch als Auftrag an die Priester verstanden wissen, an der Seite der Jugendlichen und jedes Laien zu stehen, der den Auftrag der Mission annimmt:
Jesus hat außerdem nicht gesagt: Geh!“, sondern: Geht!“ wir sind gemeinsam gesandt. Liebe junge Freunde, spürt in dieser Mission die Begleitung der gesamten Kirche und auch die Gemeinschaft der Heiligen. Wenn wir die Herausforderungen gemeinsam angehen, dann sind wir stark, dann entdecken wir Reserven, deren wir uns nicht bewusst waren. Jesus hat die Apostel nicht berufen, isoliert zu leben, er hat sie berufen, eine Gruppe, eine Gemeinschaft zu bilden.
Um zu dienen
Die Mission muss dabei von einer aus dem Glauben getragenen inneren Einstellung begleitet werden, die dem entspricht, wie auch Jesus sein Leben in der Welt gelebt hat: als Dienst an den Menschen. Wer wirklich Zeugnis geben will von Jesus und nicht nur über ihn berichten, für den ist es notwendig, das sein Leben dem Leben Jesu gleichförmig wird, es bedeutet, dass wir so fühlen, denken und handeln wie er. Und das Leben Jesu ist ein Leben für die anderen. Es ist ein Leben des Dienens.
Evangelisieren bedeutet, persönlich die Liebe Gottes zu bezeugen, unsere Egoismen zu überwinden, zu dienen, indem wir uns beugen, um unseren Brüdern die Füße zu waschen, wie Jesus es getan hat.
Diese Worte des Papstes Geht ohne Furcht um zu dienen! sie stellen ebenso wie die anderen seiner Ansprachen und Predigten beim Weltjugendtag eine Art Handwerkszeug des Missionars dar. Ich werde nicht müde, auf Gemeinsamkeiten zwischen Papst Benedikt und Papst Franziskus aufmerksam zu machen, aber vielleicht ist hier wiederum nur in der Ausprägung, nicht in der Sache selbst ein Wandel festzustellen:
Vielleicht darf ich ein Bild verwenden, das auch der Papst in einer anderen Ansprache verwendet hat, das Bild einer Baustelle: Papst Benedikt legte gesteigerten Wert darauf, die Bausteine der Kirche, den Eckstein Jesus Christus aber auch die weniger offensichtlichen Steine wie die Glaubenswahrheiten der Kirche und ihre Eignung zum Hausbau, zum Beispiel ihre Kompatibilität mit der Vernunft, herauszustellen, bekannt zu machen und zu erläutern. Darin kann man auch einen Schwerpunkt des Jahres des Glaubens sehen. Nun liegt also das Baumaterial bereit, Steine, Holz, Beton selbst Tapeten und Armaturen sind vorhanden. Jetzt braucht es aber zum Loslegen noch das Werkzeug! Und das, die Verteilung des Werkzeuges der Glaubensvermittlung, die Zweck der Kirche ist, ist bislang der Schwerpunkt von Papst Franziskus. Damit wird das Bild vollständig: ein Hausbau geht nicht ohne Material und nicht ohne Werkzeug beides für sich genommen ist nutzlos, zusammen macht es mit dem Willen zu und dem Beginn der Mission durch die Gläubigen die Umsetzung des Auftrags zur Evangelisierung möglich.
In ebenfalls großen Bildern verdeutlicht der Papst das auch mit dem Ende seiner Predigt:
In der ersten Lesung, als Gott den Propheten Jeremia sendet, verleiht er ihm die Macht, damit er ausreißen und niederreißen, vernichten und einreißen, aufbauen und einpflanzen“ kann (Jer 1,10). Das gilt auch für euch. Das Evangelium bringen heißt die Kraft Gottes bringen, um das Böse und die Gewalt auszureißen und niederzureißen, um die Barrieren des Egoismus, der Intoleranz und des Hasses zu vernichten und einzureißen, um eine neue Welt aufzubauen. Jesus Christus rechnet mit euch! Die Kirche rechnet mit euch! Der Papst rechnet mit euch! Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter, möge euch stets mit ihrer zärtlichen Liebe begleiten: Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern!“ Amen.
Wenn ich noch mal auf mein Bild zurückgreifen darf: Vom Heiligen Franziskus wird berichtet, dass er von Jesus den Auftrag gehört habe Bau mein Haus / meine Kirche wieder auf! und nachdem er dies zunächst konkret auf ein Kirchengebäude, San Damiano bei Assisi, bezogen hatte, wird ihm klar, dass die ganze Kirche gemeint ist. Mit seiner Namenswahl hat Papst Franziskus vielleicht auch diesen Auftrag und das Erbe seiner Vorgänger angenommen, nach einer Phase der Glaubensstärkung unter Papst Benedikt XVI. (Material beschaffen) nun den Wiederaufbau anzugehen (die Werkzeuge bereit zu legen und den Bau zu beginnen).