Ich bin nicht sicher, ob es einen Weg gibt, sich dem nun folgenden Thema zu nähern, ohne sich die Finger zu verbrennen. Von daher sende ich gleich eine Botschaft vorweg: es sind nur Gedanken, ich habe keinen finalen Schluss gefasst, wie ich das einschätze.
Erich Priebke ist in der vergangenen Woche im Alter von 100 Jahren gestorben. Mir sagte der Name erst mal nichts, es handelt sich bei ihm aber um einen der letzten SS-Kriegsverbrecher. Er lebte, wie die Presse berichtet, zuletzt in Rom unter Hausarrest. Im März 1944 war er an der Erschießungen von 335 Zivilisten in der Nähe von Rom beteiligt. Die Hinrichtungen waren eines der schwersten Nazi-Massaker während des Zweiten Weltkriegs in Italien. Unter den Opfern waren 75 Juden. Weiter wird berichtet, dass Priebke bis zu seinem Tod keine Reue für seine Taten gezeigt hatte, er berief sich auf Befehle von Vorgesetzten und war bis zuletzt ein überzeugter Nationalsozialist.
Wenn ein Mensch wie Priebke stirbt, stellen sich gesellschaftlich eine ganze Reihe Fragen, die prägnanteste: Wohin mit seiner Leiche? Einerseits hat man ganz zurecht Hemmungen, die Leiche eines Menschen, auch eines Kriegsverbrechers, einfach bei Nacht und Nebel an einem unbekannten Ort zu verscharren. Andererseits gibt es in der Welt ausreichend Verrückte, die jemanden wie Priebke immer noch als den Siegermächten gegenüber unbeugsamen Kriegshelden sehen. Für die kann eine Grabstelle zu einer Art teuflischen Wallfahrtsort werden, an der sich Nazis aus aller Welt ein Stelldichein geben. Welcher Bürgermeister will so etwas in seiner Stadt haben? Welcher Bürger möchte das Grab seiner Familie neben einer solchen Versammlungsstelle haben?
So haben sich nun viele Gemeinden geweigert, Priebke zu bestatten, auch Trauerfeiern sollten nicht stattfinden um eine Zusammenkunft von Alt- und Neonazis zu verhindern, wohl auch um Konflikte zwischen Nazis und Antifaschisten zu vermeiden. Wie die Tagesschau berichtet, weigerte sich die katholische Kirche in Rom, eines ihrer Gebäude für eine öffentliche Trauerfeier zur Verfügung zu stellen. Die Stadt Rom lehnt sein Begräbnis ebenso ab wie Priebkes Geburtsort Henningsdorf in Brandenburg.
Nun wollte die Piusbruderschaft eine Trauerfeier für ihn abhalten, die beinahe absehbar wegen Krawallen abgesagt werden musste. Wenn in den Medien das Wort Piusbruderschaft fällt, kommt den meisten zunächst der Bischof der Bruderschaft, Richard Williamsen, in den Sinn, dem vorgeworfen wird, den Holocaust zu leugnen und dessen Tiraden die von Papst Benedikt XVI. initiierte Annäherung an die katholische Kirche massiv störte. Die Aufhebung der Exkommunikation der unrechtmäßig zu Bischöfen geweihten Priester der Bruderschaft wurde von den Medien mit den Worten Papst rehabilitiert Holocaustleugner betitelt eine vollständige Verdrehung von Tatsachen aber auflagenträchtig. Nach einem Bericht der Tagesschau äußerte ein Vertreter der Piusbruderschaft jetzt, die Trauerfeier für Priebke sei keine Provokation, provokant sei vielmehr, wenn man einem katholischen Christen keine Trauerfeier zugestehen wolle.
Nun, die wahre Motivation der Piusbruderschaft muss einen nicht weiter interessieren, der Hinweis darauf, dass Priebke doch Katholik gewesen sei und damit Anspruch auf ein Begräbnis habe, schon. Kann man einem Menschen, der sich zum katholischen Glauben bekennt, gleichzeitig in seinem Menschenbild katastrophal irregeleitet ist und schuldig geworden ist am grausamen Tod vieler Menschen, für den er nie Reue gezeigt hat, das Begräbnis verweigern?
Der Katechismus äußert sich in der Frage der Achtung der Toten wie folgt:
2300 Der Leib des Verstorbenen ist im Glauben und in der Hoffnung auf die Auferstehung ehrfürchtig und liebevoll zu behandeln. Die Totenbestattung ist ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit [Vgl. Tob 1,16-18, ]; sie ehrt die Kinder Gottes als Tempel des Heiligen Geistes.
Es wird dazu sicher auch Ausführungsbestimmungen geben, und vielleicht darunter auch welche, die ein Begräbnis eines nicht katholischen Menschen betreffen, die man meint anwenden zu können bei einem Menschen, der zwar katholisch getauft ist aber offenbar einen ganz anderen Götzen anbetet. Das alles ändert aber nichts an folgenden Tatsachen: Dass auch der Leib eines verhassten Menschen ehrfürchtig zu behandeln ist, dass niemand beurteilen kann, welches Verhältnis zu Gott dieser Mensch im Zeitpunkt seines Todes hatte, und dass jeder Mensch ein von Gott gewollter Mensch ist, selbst wenn der anderen das Lebensrecht in so eklatanter Weise abgesprochen hat.
Ich gebe zu, ich würde das Grab von Priebke nur ungern neben dem Grab meiner Familie haben, ich wäre von Abscheu erfüllt, wenn dieser Ort dann auch noch zum Wallfahrtsort für Anhänger einer menschenverachtenden Ideologie würde und dennoch habe ich ein ganz schlechtes Gefühl, wenn wir als Katholiken einem Verstorbenen ein Begräbnis verweigern. Diese Verweigerung mag auch mit einem Missverständnis zu tun haben, dass uns heute bei vielen Begräbnissen begegnet: dort wird nicht selten geäußert, der Verstorbene sein nun im Himmel. Die Wahrheit ist: wir wissen es abgesehen von den Heiligen, bei denen die Kirche lehrt, dass dies so ist nicht! Wenn aber das Gegenteil des Himmels, des ewigen Lebens bei Gott, die Hölle ist, und die einen Ort darstellt, den wir niemandem, nicht dem schlimmsten (menschlichen) Feind der Menschheit zumuten wollen, dann ist es sicher Recht anzunehmen, dass Gott in seiner Gnade auch Sünder zu sich führen wird. Und Gottes Gnade wird auch keinen Halt vor einem Kriegsverbrecher machen, wenn er sich denn an irgendeiner Stelle Gott zuwendet, damit eine zumindest kleine helle Stelle in seiner Seele zeigt, aus der Gott vielleicht durch die Läuterung im Tod etwas machen kann. Ein Begräbnis ist also keine Heiligsprechung, die Menschen entscheiden nicht durch eine solche Feier über das Seelenwohl eines verstorbenen Menschen. Mit einem Begräbnis werden also auch keine Verfehlungen einfach negiert, geschweige denn ungeschehen gemacht. Wie der Katechismus auch erläuternd ausführt:
1684 Das christliche Begräbnis spendet dem Verstorbenen kein Sakrament und kein Sakramentale, denn er steht nun außerhalb der sakramentalen Gnadenordnung.
Einem Menschen das Begräbnis zu verweigern dafür gibt es also keinen Grund, im Gegenteil versündigen wir uns damit sogar an einem Menschen, gerade an einem, der der Barmherzigkeit Gottes am meisten bedarf, wie wir es im Fatima-Gebet des Rosenkranzes beten.
Bei aller Abneigung, die man gegen einen Menschen wie Priebke haben kann, bei aller Abscheu vor seinen Taten, bei allem Verständnis für die gesellschaftlichen Implikationen, die das Grab eines Altnazis haben kann ich glaube nicht, dass man ihm ein Begräbnis verweigern darf! Beten wir um bessere Erkenntnis, was wir für einen Menschen wie Priebke nach seinem Tod tun können und sollen es könnte der Lackmustest unseres Christseins werden, wenn wir mal gefragt werden, ob wir statt geliebt einen Menschen gehasst haben, und wie wir mit ihm, der den Arzt auch im Tod noch notwendiger brauchte als die Gesunden, im Tod umgegangen sind. Alle Beschwörungen wie Hasst die Sünde und liebt den Sünder kulminieren in Menschen wie Priebke oder auch anderen heutigen Kriegsverbrechern.
Wie eingangs erwähnt: ich bin nicht sicher, ob meine obigen Gedanken alle richtig sind, dass sie aber in der Diskussion in der Öffentlichkeit nicht vorkommen, ist für mich nur ein Beweis der Gedankenlosigkeit der Welt, die sich derartige Gedanken nicht mehr machen will, weil sie von Gott nichts weiß!
dr-ku
Deine Gedanken sind sehr berührend und vollkommen richtig. Es tut gut, so etwas lesen zu dürfen.
Anonymous
Der Katechismus hilft doch mir
Immer wieder weiter.
Ellen Petermann
Ja, so ist das wohl. NIEMANDEM steht ein Urteil zu, nur Gott. Und er hat ein Recht auf eine katholische Beerdigung, wenn er getaufter Katholik war. Und in einem Grab befinden sich lediglich die sterblichen Überreste. Die Seele ist woanders.
tlud777
Hierzu habe ich eine Frage:
„Wenn aber das Gegenteil des Himmels, des ewigen Lebens bei Gott, die Hölle ist, und die einen Ort darstellt, den wir niemandem, nicht dem schlimmsten (menschlichen) Feind der Menschheit zumuten wollen, dann ist es sicher Recht anzunehmen, dass Gott in seiner Gnade auch Sünder zu sich führen wird.“
Wie ist das gemeint? Soll das bedeuten, Jesus hätte gar nicht sterben müssen, weil ohnehin der liebe Gott niemanden in die Hölle schickt?
Papsttreuer
Lieber Herr Ludwig,
danke für den Kommentar, bzw. die Frage. Eine Antwort, warum musste Christus sterben, rechtfertigt mindestens einen eigenen Beitrag, eher ein ganzes Buch. Aber um es ganz kurz zu sagen: Durch den Tod Christi ist erst die Voraussetzung geschaffen, dass wir alle trotz unserer Sünden, das Paradies erreichen können. Jesus hat schon für unsere Taten gebüßt, was jetzt noch fehlt, ist das wir dieses Geschenk auch annehmen. Insofern „schickt“ Gott niemanden in die Hölle, wir gingen selbst hinein, wenn wir ihn bis zum Ende unseres Lebens aktiv ablehnten (was mehr heißt, als nur Atheist zu sein). Ich nehme das Thema mal auf meine „Themenliste“, hoffe aber, dass diese Antwort erstmal hilft?
Herzliche Grüße und Gottes reichen Segen!