Wer das Spannungsfeld der Kirche, der Bewahrung der Schöpfung und des Evangeliums, sehen möchte, wird derzeit in Äußerungen des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck fündig. Auf der Seite des Bistums wird er am 24.03.2014 (der Link ist leider zwischenzeitlich gelöscht) wie folgt zitiert:
Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat sich zum Schutz des Kindeswohles gegen jede Form der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren und der von ihnen adoptierten Kinder in der katholischen Kirche ausgesprochen. [ ] Overbeck [machte] deutlich, dass weder die Erwachsenen noch die Kinder in solchen Lebensgemeinschaften unter den oft subtilen Formen von Diskriminierung leiden und möglicherweise Schaden nehmen dürfen.
Es sei nicht in Ordnung, wenn gleichgeschlechtliche Paare bei kirchlichen Feiern wie Taufe oder Erstkommunion der Kinder nicht gemeinsam in Erscheinung treten dürfen und damit einzelne von der Teilnahme ausgeschlossen werden. [ ] Das Wohl des Kindes hat stets Vorrang, so der Bischof weiter. Er warb nachdrücklich für eine Willkommenskultur für alle Menschen, die am kirchlichen Leben teilnehmen wollen. Dabei verwies er auf das Zukunftsbild im Bistum Essen, das für eine vielfältige Kirche wirbt, in der Offenheit und Weite eingeübt und Gastfreundschaft gelebt wird.
Im scheinbaren Kontrast dazu, hier ein Dialog zwischen Overbeck und dem homosexuellen Regisseur Rosa von Praunheim aus der Sendung Anne Will vom 11.04.2010, wie ihn Wikipedia wiedergibt:
Dann wissen wir auch, und das gehört zur Bußfertigkeit der Kirche, dass es unter diesen Leuten solche Sünder gibt, wie [es] sie woanders auch gibt. Dafür gibt es Buße.
[Praunheim: Homosexuell zu sein ist doch keine Sünde.]
Das ist eine Sünde, [das] wissen wir ganz klar und eindeutig, dass es das ist.
[Praunheim: natürlich ]
Das widerspricht der Natur. Die Natur des Menschen ist angelegt auf das Miteinander von Mann und Frau.
Später hat Overbeck nach Kritik an seinen Aussagen noch mal in der Süddeutschen Zeitung präzisiert:
Ich habe gesagt, was die Überzeugung der katholischen Kirche ist: Praktizierte Homosexualität ist objektiv sündhaft, auch wenn homosexuellen Menschen mit Achtung zu begegnen ist. [ ] Deshalb tut mir meine Position nicht leid, ich erwarte allerdings auch kein Mitleid mit mir, wenn ich kritisiert werde.
Nun ist das Thema Homosexualität nur ein Beispiel, in der die Lehre der katholischen Kirche, die wie wir glauben die Lehre Jesu ist, dem Zeitgeist entgegengesetzt ist und bei dem man mit einfachen Aussagen nicht die ganze Wahrheit wiedergeben kann, komplexe Zusammenhänge aber oft kein Gehör finden.
Denn was Overbeck sagt, damals wie heute, ist für einen Katholiken zweifellos richtig, wenn ich auch sowohl auf der liberalen wie auf der konservativen Seite Anfeindungen sehe. Auf der einen Seite widerspricht man der Aussage, gelebte Homosexualität sei Sünde, auf der anderen Seite widersprechen einige, dass man auch für Homosexuelle (und in dem Spezialfall homosexuellen Paaren mit Kindern) eine Willkommenskultur bräuchte. Da hinein mischt sich natürlich auch die Frage, was der Bischof denn nun damit meint ob er etwa von seinen früheren Positionen, die weiterhin katholisch sind, abrücken wolle.
Ich nehme erst mal an, dass das nicht seine Aussage gewesen sein soll, sondern beide Positionen für ihn gültig bleiben. Und dann kann ich ihm nur gratulieren für den Mut, sich notfalls auch zwischen alle Stühle zu setzen und so weder dem liberalen noch dem konservativen Zeitgeist zu folgen.
In den vergangenen Wochen wurde viel über die Unterscheidung von Toleranz und Akzeptanz gesprochen, wobei mit ersterem ein passives Geschehenlassen gemeint ist, mit zweiterem ein aktives Für gut befinden. Und aus katholischen Kreisen heißt es dann wie ich finde ganz richtig man müsse Toleranz für eine andere Lebensauffassungen haben, sie aber nicht im Sinne des Gutheißens akzeptieren. Das ist leicht gesagt, aber der Spagat, der sich dadurch ergibt, zeigt sich in den obigen Zitaten. Was heißt denn das, tolerieren, was heißt es, wenn der katholische Katechismus (Nr. 2358) fordert, dass Homosexuelle nicht ungerecht zurückgesetzt werden dürfen?
Die Kirche befindet gelebte Homosexualität als Sünde, das heißt aber nicht, dass man das den Betroffenen immer und überall unter die Nase reiben muss. Wer der Lehre der katholischen Kirche widerspricht, der muss seinerseits mit Widerspruch aus katholischen Reihen rechnen. Es ist aber andererseits auch nicht notwendig, den jeweiligen Menschen nur auf seine Sexualität zu reduzieren. In den gängigen Talkshowdiskussionen tun sich damit übrigens weder christliche noch homosexuelle Vertreter einen Gefallen, wenn sie dieses Thema unabrückbar in den Fokus stellen.
Ich kenne auch die Einsprüche gegen meine Argumentation, ich habe sie selber alle schon vorgebracht: Wer bereue und beichte, den könne man ja wieder aktiv aufnehmen, wer aber auf seine Sünde beharre, sei es die Homosexualität oder ein anderer Dauerbrenner der zivil wiederverheiratete Geschiedene oder ein sonst wie in schwerer Sünde Lebender, der lebe eben in Sünde und man habe die Verpflichtung, ihn zurecht zu weisen. Den Sünder zurecht weisen, das ist in der Tat nach christlicher Auffassung ein Werk der Barmherzigkeit. Wenn aber der Punkt gemacht ist, ist es dann notwendig, darauf zu beharren, diese Zurechtweisung immer wieder zu wiederholen? Und um es konkret zu fassen: Wann wird diese Wiederholung, dieses Fokussieren auf die Sünde, zur Diskriminierung?
Bischof Overbeck hat auf eine spezielle Situation geantwortet, und es erscheint einsichtig, dass man Kinder, die sich in der Obhut eines homosexuellen Paares befinden, nicht durch diese Fokussierung schaden, sie nicht deswegen diskriminieren darf. So schwer, wie die Unterscheidung Hasse die Sünde aber liebe den Sünder, so schwer, wie die Unterscheidung zwischen als Sünde befinden und nicht diskriminieren manchmal fällt, umso wichtiger wird unser Zeugnis:
Wie gehe ich, wie geht die Kirche mit den Sündern um? Nicht nur mit denen, die umkehren wollen und gerade in der Fastenzeit das Sakrament der Vergebung suchen, sondern auch mit denen, die ihr Leben, ihr Handeln nicht als Sünde sehen können? Der Vorschlag von Overbeck liegt auf dem Tisch, und man kann ihn vom konkreten Thema der Homosexualität lösen und wie er allgemein formulieren als Willkommenskultur für alle Menschen, die am kirchlichen Leben teilnehmen wollen oder noch besser als Willkommenskultur für alle Menschen, die nach Christus suchen.
remmimartin
Mich würde interessieren, welche konkrete Form der ‚Diskriminierung‘ Bischof Overbeck meint oder was er vor Augen hat, wenn er ’subtil‘ sagt.
Ich sehe da in den Aussagen weniger Spannungsfelder als Widersprüche und Zweudeutigkeiten, welche dazu führen, daß man bald gar nicht mehr weiß, was gilt und was nicht…
Die angesprochene Willkommenskultur muß nicht immer im Kirchenraum beginnen.Genau das wird aber heute viel zu oft und viel zu schnell getan, woraus dann die viel diskutierten Probleme überhaupt erst entstehen. – Mehr Phantasie tut not!
Und ‚Christus suchen‘ oder ‚Gott suchen‘ – das würde ich in der Tat auch viel mehr Menschen zugestehen, auch jenen, die es mit anderen, der Kirche fremden Lebensentwürfen versuchen. Die eigentliche Grenze verläuft aber – und da berufe ich mich auf das Evangelium – zwischen Glauben und Nicht-Glauben….eine Grenze, die die Kirche niemandem ersparen kann.
Luigi
Ich finde gerade die Stelle im Evangelium nicht, wo Jesus homosexuelle Handlungen verurteilt… Helfen Sie mir doch mal!
Papsttreuer
Hat er – wie sie sicher wissen – nicht. Wieso sollte er auch?
Das alte Testament und die Thora, an die sich Jesus gehalten hat, und deren Regeln er gerade heute im Tagesevangelium (Matthäus 5,17-19) bestärkt hat, verbietet aber in ungewohnt deutlichen Worten homosexuelle Handlungen. Zur Zeit Jesu war das nicht strittig, es sind ihm auch keine Homosexuellen über den Weg gelaufen, jedenfalls ist das nicht dokumentiert, und so hat er sich dazu auch nicht explizit geäußert.
Für Christen haben in diesem Zusammenhang neben den Worten Jesu auch die Briefe des Neuen Testaments Bedeutung, die ebenfalls klar Stellung beziehen.
Diese Diskussion führt aber wieder vom Thema – dem Versuch, einen Menschen nicht auf seine Sexualität zu reduzieren, weg.
Herzliche Grüße und Gottes Segen
Der Papsttreue
Luigi
Na Sie sind mir aber einer! Ichfrage mich nun, warum man Jesus denn Gekreuzigt hat, wenn er doch so ein strammer Gesetzestreuer war?? Wie hielt Jesus es etwa mit der Ehebrecherin? Klare Thoravorgaben schienen ihn da kaum zu interessieren…
Und als Mensch aus Nazarth wird er massenhaft Griechen über den Weg gelaufen sein. Wissen Sie, was das bedeutet? Sie sollten ein wenig Vorsicht walten lassen, wenn Sie von einem Thema nur rudimentäre Kenntnisse haben. Im Übrigen reduzieren Menschen, die homosexuelle Handlungen verurteilen, andere Menschen auf ihre Sexualität!
Papsttreuer
Warum hat man Jesus gekreuzigt? Sie meinen, weil er gegen geltende religiöse Gesetze der Juden verstoßen hat, hätten die Römer ihn gekreuzigt? Komisch, das hatte ich bislang immer anders verstanden, aber da können Sie mir sicher auf die Sprünge helfen?
Was hielt es Jesus mit der Ehebrecherin? In der Tat, er verurteilte sie nicht, ganz explizit so dokumentiert. Aber Sie wissen selbst, wie der Dialog geendet hat: Geh und sündige von nun an nicht mehr? Und nun stellen wir uns mal vor, die Juden hätten einen ertappten Homosexuellen vor Jesus gestellt Klingelt da was?
Und was ist mit den Griechen, denen Jesus über den Weg gelaufen ist? Bestimmt haben Sie eine Stelle für mich, in denen er sich über das Thema Homosexualität oder auch nur die generelle Moral mit ihnen unterhalten hat? Nicht? Dachte ich auch nicht. Es stimmt natürlich: Es steht in der Bibel nicht, dass Jesus Homosexuellen NICHT über den Weg gelaufen ist, daraus aber zu schließen, dass das nicht nur passiert ist, sondern dass die fehlende Dokumentation auch noch ein Hinweis auf sein Gutheißen oder auch nur Indifferenz herhalten soll, das ist doch eine ziemlich steile These.
Über den letzten Satz Ihres Kommentars denke ich immer noch nach, und er erschließt sich mir einfach nicht, würde er doch im Umkehrschluss bedeuten, dass sich Homosexuelle selbst nur über ihre Sexualität definieren. Mein obiger Beitrag ist gerade ein Plädoyer, eine solche Reduzierung nicht vorzunehmen. Vielleicht verstehe ich den Satz aber auch nur aufgrund meiner rudimentären Kenntnisse einfach nicht … ;-)
Luigi
Ja, nur die Römer konnten das Todesurteil vollstrecken, aber Sie erinnern sich sicherlich daran wie es dazu kam und dass Pilatus was mit seinen Patschhändchen machte?? Wiederum nur rudimentäre Kenntnisse…
Vom Umfeld Jesu haben sie offensichtlich auch keine Ahnung, Nazareth war griechisch geprägt und was das bedeutet, guckst du hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualität_im_antiken_Griechenland
Dazu muss man also nicht Jesus interviewen! Und jetzt aus den ausbleibenden Worten des Herrn den Willen Gottes zur Homosexualität ablesen zu können bzw. sie zeitbedingten Vorurteilen zu entnehmen, finde ich persönlich gewagt!
Papsttreuer
Achso, dann hat Jesus sicher auch die in ihrem Wikipedia-Artikel verlinkte Knabenliebe gut geheißen … so wird’s gewesen sein, steht ja nirgends, dass er das nicht getan hätte
Lassen Sie’s gut sein, Ihrem grandiosen Wissensstand werde ich mit meinen rudimentären Kenntnissen und mangelnder Ahnung vermutlich nichts entgegensetzen können.
Und gerade deshalb: Gottes reichen Segen für Ihren weiteren Weg!
Luigi
Dann glauben Sie nicht mir aber dem Papst! Der sprach heute davon, wie die jüdischen Führer aufgrund ihrer Verderbtheit Jesus ans Kreuz brachten: „Es handle sich bei diesen um Menschen, die den Weg verfehlt hätten: Sie haben sich dem Heil aus der Liebe des Herrn widersetzt und sind so vom Glauben abgeglitten, weg von einer Theologie des Glaubens hin zu einer Theologie der Pflicht: Ihr müsst das und das und das… tun. So nenne sie Jesus Heuchler, die dem Volk viele erdrückende Lasten auf die Schultern legten, diese aber selbst nicht annähmen.“ Wenn Sie nun noch akzeptieren, das Galiläa zur Zeit des Herrn griechisch geprägt war, Jesus dieser Kultur gar nicht entrinnen konnte, dann kommen wir vielleicht noch zueinander ;-)
Luigi
Na, da besitzt der Libertäre wohl nicht die geistige Freiheit, meinen letzten Kommentar, der ja wirklich nicht unverschämt war, freizuschalten… ;-)