In der Bibel, gerade auch im neuen Testament in den Worten Jesu wird nicht selten das Bild der Herde und des Hirten (z.B. Lukas 15,1ff) verwendet, und so nutze auch ich es ab und an, meist ohne besonders zu erläutern, was genau gemeint ist. Zuletzt hatte ich (mal wieder) die Hirtenfunktion der Bischöfe angemahnt, der sie vielfach nicht nachzukommen scheinen. Und die Kritik, die an dieser Stelle immer laut wird: Wie kann es denn sein, dass sich ein aufgeklärter Mensch tatsächlich als Schaf einer Herde betrachtet, das einen Hirten notwendig hat?
Diese Kritik ist meist gepaart jedenfalls wenn sie mir entgegen kommt mit einem Atheismus, der den Gedanken eines Gottes, eines personalen allzumal, weit von sich weist und daher die Analogie zu weltlichen Hirten sieht, gemeinhin auch Führer genannt, deren Befolgung für einen freien Menschen unwürdig erscheint.
In dieser Begründung liegt aber auch schon der Hase im Pfeffer: In der Ablehnung der Anerkennung eines Gottes verliert das Bild vom Hirten, der Herde und den Schafen seine Logik Jesus, der das Bild verwendet, geht bei seinen Zuhörern von der Kenntnis Gottes aus, und so tue das auch ich. Der eigentliche Hirte, von dem Jesus in seinen Gleichnissen spricht, ist Gott selbst. Und er bezeichnet ihn als guten Hirten, der sich um seine Herde kümmert, weil er sie liebt und der verlorenen Schafen hinterher läuft, weil er weiß, dass die Zugehörigkeit zu ihm als Hirten für das Schaf gut ist.
Dabei liegen diesen Gleichnissen die negativen Konnotationen des Begriffs Schaf, die wir oft haben, gar nicht zugrunde. Die Menschen, an die sich Jesus wendet, wissen um ihre eigene Verantwortung in der Lebensführung, wissen (zumindest heute, zu seiner Zeit vielleicht noch nicht durchgängig) von ihrer Freiheit, sich für den Hirten zu entscheiden. Und von ihrer Freiheit, diese Entscheidung jeden Tag aufs neue zu treffen oder zu revidieren. Sie sind keine blöden Schafe, die wie die Lemminge einem Anführer in den Abgrund folgen! Im Gegenteil haben sie die Erfahrung gemacht, dass es ihnen in der Nähe und Obhut des Hirten gut ergeht eben weil er kein Mietling ist, dem seine Herde im Ernstfall egal wäre da haben wir wieder eine schöne Analogie zu weltlichen Führern sondern der in jedem Fall bei der Herde bleibt, gerade dann, wenn es hart auf hart kommt!
Um das Gleichnis weiterhin recht zu verstehen, sind auch die anderen Gleichnisse Jesu wesentlich. Diese Gleichnisse haben alle den Zweck, Gott oder das Himmelreich zu verstehen. Ein einzelnes Gleichnis heraus zu picken um es so zu deuten, dass es seinen Zusammenhang verliert, ist insofern unredlich. Wer also meint, die Gleichnisse vom Hirten machten die Gläubigen zu dummen Schafen, der muss auch das direkt folgende Gleichnis vom verlorenen Sohn und barmherzigen Vater (Lukas 15,11 ff) nennen. Letzterer gibt seinem Sohn alle Freiheit, auch die zur Ablehnung seiner selbst! Mehr Freiheit als die dort gezeigte, gibt es nicht bis auf eine Einschränkung: Das Angebot, jederzeit zurückkehren zu dürfen. Und auch diese beiden Gleichnisse von der Herde und dem Hirten sowie das vom barmherzigen Vater bilden Gott und das Himmelreich nicht vollständig und richtig ab eben weil es nur Bilder sind, nicht das Original. Nur so verstanden ist das Bild des Hirten und der Schafe eines aufgeklären Menschen würdig, nur so ist es aber auch gemeint!
Etwas anders verhält es sich dagegen mit den Bischöfen und Priestern als Hirten: Sie agieren zwar in Stellvertretung Christi, sind es aber nicht selbst. Sie sollten Hirten sein, im Auftrag Jesu, den der nicht zuletzt an Petrus gegeben hat: Weide meine Schafe! (vgl. Johannes 21,15-17). An der Frage, ob sie dieser Funktion nachkommen, entscheidet sich Frage, ob man ihnen als Katholik folgen sollte. Glaubte man, dass alles, was die Bischöfe tun, sich am Heiligen Geist ausrichtete, dann wäre das unzweifelhaft so: Durch sie würde Gott selbst sprechen! Selbst der konservativste Katholik wird das aber kaum so sehen auch Bischöfe und der Papst sind nur Menschen und insofern fehlbar (bei letzterem mit bekannter, aber meist wenig differenzierter Ausnahme, um die soll es hier aber nicht gehen).
Insofern ist die Hirtenfunktion und genau so hat sie Jesus ja auch formuliert in erster Linie ein Anspruch an die Priester, nicht eine Forderung nach Gehorsam durch die Gläubigen. Die bleiben hier weiter Gott und ihrem auszubildenden Gewissen verpflichtet (was, nebenbei, ganz was anderes ist als Beliebigkeit, auch darum soll es hier aber nicht gehen). Kommen die Hirten diesem Anspruch nach und viele tun das tatsächlich dann ist es gut und gottgemäß, sich an ihnen, in aller Freiheit, zu orientieren. Tun sie das im Einzelfall nicht, dann ist es Zeit, sie an diese Funktion zu erinnern auch wenn man über die Art und Weise, wie dies medial oder auch in einem Blog wie diesem passiert, unterschiedlicher Ansicht sein kann. Tun sie das generell nicht, führen ihre Äußerungen zu Irritationen, weichen sie von der kirchlichen Lehre ab, verbreiten über die Medien den Dissens, den sie möglicherweise untereinander haben, dann ist es gerechtfertigt, von einer Herde ohne Hirten zu sprechen.
Die Orientierung der Kirche, die die Herde leitet, an der man sich als Mensch durchaus reiben kann, in deren Entwicklung (nicht Änderung!) man sich einbringen kann, der man aus freiem Willen folgt, sie ist notwendig um nicht in eine Beliebigkeit und einen Relativismus zu verfallen, der sich außerhalb der Kirche und eben in zunehmenden Maße auch innerhalb breit macht, und mit dem, was Gott mit den Menschen im Sinn hatte, nicht mehr viel zu tun hat. Diese Orientierung liefert uns Katholiken Gott selbst, die Worte der Bibel, die Überlieferung, das eigene Gewissen und eben auch das Lehramt der Kirche, vertreten durch die Priester, Bischöfe und den Papst. Fehlt ein Baustein dieser Orientierung, fallen die Hirten aus, macht sich jedes einzelne Schaf zu seinem eigenen Hirten und auch derjenige, dem das Bild generell nicht gefällt, wird einschätzen können, wie das dann aussieht!
IMST
In meinem Schafshirn beginnt sich alles zu drehen. Ich kann es nicht fassen! Aber wir sind doch nur Schafe! Außer das Gras kurz halten und Wolle machen und ab und zu ein Junges in die Welt setzen, sind wir doch ziemlich bedeutungslos und sonst zu nichts nütze?
Wie bitte – was sagtest du? Du magst uns? Du willst uns und brauchst uns? Du liebst uns du liebst MICH?
Lieber Hirt, wie gesagt, erfassen kann ich das nicht. Aber irgendwie fühle ich mich jetzt sehr froh und leicht. Verzeih mir, wenn ich mit dem Gedanken spielte, wieder auf Abwege zu gehen. Ich bin manchmal unzufrieden und neidisch. Ich bin halt kein braves Schaf. Und ich kann auch nicht garantieren, dass ich nicht mal wieder solche Gedanken habe.
Ich bitte dich: Hab Acht auf mich. Ich habs vielleicht besonders nötig. Hab Geduld mit mir und hilf mir, mich immer wieder zu dir und deiner Herde zu bekennen.
Und gespannt bin ich, was da entsteht, wenn du die anderen alle herholen wirst, von denen du gesprochen hast. Wenn wir alle eine Herde unter einem Hirten sein werden. Danke, mein guter Hirte.