Dass der Mord an Redaktionsmitgliedern und Angestellten von „Charlie Hebdo“ ein unmenschlicher terroristischer Akt war, der durch nichts, aber auch gar nichts zu legitimieren ist, sollte klar sein. Jetzt allerdings macht sich eine Betroffenheitskultur breit, die die Ursachen der Gewalt ausklammert.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mir liegt Satire, oder das, was man heute landläufig darunter versteht, nur bedingt. Früher habe ich gerne auch mal die „Titanic“ gelesen, zwischenzeitlich kann ich mich für diese Art des „Humors“ kaum noch erwärmen, was nicht nur an der platten Kirchenkritik liegt (wenn man sie denn überhaupt so nennen möchte) sondern an der generellen Art, wie mancher Satiriker meint, mit politischen oder gesellschaftlichen Themen umgehen zu müssen. Sieht man das Ziel der Satire darin, die Mächtigen dieser Welt lächerlich zu machen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen – also nicht Lächerlichkeit um der Lächerlichkeit willen – dann kann man die meisten Satirebeiträge kaum noch als solche betrachten.
In den vergangenen Tagen gingen dazu auch Karikaturen des französischen Magazins Charlie Hebdo, auf dessen Redaktion ein islamistischer Anschlag erfolgte, bei dem die Attentäter mit äußerster Brutalität vorgegangen sind, durch die Presse. Mein Mitgefühl gilt den Familien, mein Gebet ihnen und den Opfern. Dieser Anschlag war – daran darf kein Zweifel bestehen – einer auf unsere westliche Kultur, man kann ihn nicht nur auf den konkreten Einzelfall beziehen. Islamisten verachten alles, was den Westen ausmacht; was sie nicht ertragen können ist, wenn ihre Religion lächerlich gemacht wird. Mehr Beweis braucht es eigentlich nicht, um festzustellen, dass der Islam – von mir aus „dieser Islam“ nicht kompatibel mit der christlich-aufgeklärten Kultur ist, in der man bissige Satire und billigen Humor zu Lasten Dritter zwar kritisieren kann aber ertragen muss. Das ist der Common Sense, der jeden, der mal in den Fokus der entsprechenden Medien gerät, herausfordert.
Es geht also im Folgenden nicht darum, den Redakteuren eine auch nur minimale Mitschuld an dem Anschlag zu geben. Ein solches Victim-Blaming, wie es neudeutsch heißt, liegt mir so fern wie irgendwas. Trotzdem ist es notwendig, sich mit ein paar Tagen Abstand auch mal mit den Reaktionen auf den Anschlag zu befassen. Da wäre einerseits die Parole „Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie, gemeint ist: Wir sind alle Charlie), die kurz nach dem Anschlag ausgegeben wurde, mit der Solidarität mit der Redaktion gezeigt werden sollte. Kurz darauf traten die Kritiker dieser Aktion auf den Plan, die genau darauf hinwiesen, dass sie sich eben nicht mit der Redaktion von Charlie Hebdo identifizieren mögen. Diese Kritik kam nicht zuletzt auch aus der katholischen Ecke, die immer auch Angriffsziel des Magazins ist, und die Bilder, die dazu zu finden sind, kann man als gläubiger Katholik nur als widerlich bezeichnen. Noch einmal: Kein Grund, mit der Waffe durch die Gegend zu rennen und die Verantwortlichen und Zeichner umzubringen!
Diese Kritik geht aber insoweit ins Leere als sie gar nicht den Kern der Solidarität trifft. Dabei geht es nicht darum, blind alles gut zu heißen, was bei Charlie Hebdo so geschrieben wurde, sondern darauf hinzuweisen, dass der Anschlag letztlich uns alles galt. Die Attentäter – so könnte man übersetzen – sagen: „Vous êtes Charlie Hebdo“ – Ihr seid alle Charlie Hebdo! Für den Moment sind es Satireblätter, im Nahen Osten sind Kirchen, Priester, auch einfache Gläubige das Angriffsziel der Islamisten. Für diese ist der Unterschied zwischen einem Menschen, der behauptet, Jesus sei Gottes Sohn, und einem der den Propheten verhöhnt, höchstens ein Gradueller, und ich mag nicht mal mit Sicherheit behaupten, welcher von beiden mit mehr Hass betrachtet wird. Man kann sich aussuchen, wer nach solchen Medien die nächsten Opfer islamistischen Terrors im Westen sein werden.
Es gibt aber eine Kritik an der „Je suis Charlie“-Aktion, die tiefer zielt und auch begründeter ist. Diese kam mir in den Sinn, als ich das Plakat einer Frau, offenbar in einem islamischen Gebiet und verschleiert, sah, auf dem ebenfalls stand „Je suis Charlie“. DAS ist tatsächlich erstens mutig und trifft viel mehr den Punkt. Frauen in islamischen Staaten oder unter islamistischem Terror leidend sind tatsächlich „Charlie“, sie sind die Objektes des Hasses dieses abartigen Religionsderivats. Wer als Frau in islamistischen Staaten auf Bildung pocht, wer als Mann auf seine persönliche Religionsfreiheit besteht, der erfährt, was der Islam tatsächlich bedeuten kann, und der ist tatsächlich „Charlie“. Unsere Mainstreampolitiker, mit sicherem Gespür für echten Populismus, den sie anderen gerne vorwerfen, ausgestattet, hängen sich nur zu gerne an solche Aktionen an und bekennen gratismutig „Je suis Charlie“, als ob einer von ihnen auch nur ansatzweise wagen würde, was die Redakteure des Magazins wagen – egal wie man deren Beiträge inhaltlich bewerten möchte.
Dabei gibt es sie noch, die Unbeugsamen, Politiker wie Journalisten, mir fällt dazu gerade Sean Hannity vom amerikanischen Sender Fox News ein, der einen islamistischen Hassprediger im Fernsehen einen „üblen Scheißkerl“ genannt hat: Man kann sich über den Stil streiten, aber hier geht jemand tatsächlich ein Risiko ein. Auch bei uns gibt es konservative Kommentatoren, die durchaus in der Lage sind zu sehen, dass der Islamismus eine Gefahr darstellt. auch wenn sie sich nicht an Kampagnen wie Pegida hängen. Aber die allermeisten Politiker und Journalisten, sind weit davon entfernt, in dem Sinne Charlie zu sein, wie sie es selbst von sich behaupten. Da begeben sich – und ich kann der Aktion selbst wenig abgewinnen – die Pegida-Demonstranten schon deutlich mehr in Gefahr!
Was bleibt? Wir sind tatsächlich alle Charlie, wir sind es in den Augen der Islamisten, die alles verteufeln, was nach Westen aussieht und nicht in ihr Weltbild passt. Wir tun gut daran, uns selbst als Charlie zu begreifen, wenn es darum geht, keinen Millimeter klein beizugeben was zum Beispiel die Freiheit der Rede angeht oder andere Errungenschaften der Aufklärung. Und für diejenigen, die meinen, Bekenntnisse zu einer Satire, die – anders als Charlie Hebdo – nur gratismutige Angriffe auf konservative Politiker oder die katholische Kirche fährt, seien mutig: Da sind konservative Politiker, Journalisten und Kirchenvertreter deutlich näher dran, Charlie Hebdo zu sein als Ihr!
Magdalena Gewies
Dieser Artikel spricht mr aus dem Herzen.
Papsttreuer
Danke für den freundlichen Kommentar. Ich nehme an, das sehen mehr Leute so, artikuliert wird es nur leider auf keiner Seite.
Gottes Segen für Sie!
Túrin Turambar
Ich hab wohl etwas zu viel Zeit, mal wieder.
Es ist schön, wie Sie diese Parole in einen größeren Zusammenhang sehen. Mag ich es normalerweise abstrakter, so finde ich, daß sie etwas viel wichtigeres außen vor lassen, auf das mich der Redakteur des Handelsblattes heute gestoßen hat, auch wenn mir seine überbordende Emotionalität befremdlich und für einen Redakteur unangemessen übertrieben erscheint (der US-Vergleich gar kindlich stolz):
Mit diesem ,Je suis Charlie‘ haben wir zum ersten Mal seit langer Zeit eine emotional positive Auseinandersetzung mit der, und Rückbesinnung auf die, Idee Europas, ohne wirtschaftliches Vokabular im Munde zu führen. Ereignisse sind europäischer geworden, wohl auch etwas, das ohne Finanzkrise so nicht denkbar wäre. Menschen aus fremden Ländern nehmen direkt Anteil an den Geschehnissen in Frankreich. Das ist mitnichten selbstverständlich.
Ich denke viele Katholiken sollten bei der Wertung der Parole das mit einbeziehen. Die Parole hat schon spätestens nach einem Tag nicht mehr Charlie Hebdo gehört. Nicht zu vergessen, daß, zumindest in der BRD nach dem Krieg, Europa vor allem ein rationales Herzensanliegen des politischen Katholizismus war.
Ich mag das Phänomen als Ganzes. Es lässt auch auf eine Lösung der ungelösten Eurokrise hoffen. (Vl. sollte ich mal schauen, welche Wirkung die Ereignisse auf den Eurokurs hatte).
Jetzt muss ich aber weiter arbeiten.
Grüßle
Jens Yahya Ranft
Ich bin durch die ef auf Ihren Blog gestoßen und habe größte Achtung vor Menschen, die sich in dieser Phase der Zivilisation – die geprägt ist durch Etatismus, Nihilismus und Konformismus – wieder auf religiöse, konservative und traditionelle Werte beziehen.
Als Moslem kann ich den islamkritischen Ton in vielen zeitgenössischen Schriftbeiträgen nachvollziehen, kann Ihnen aber in einer Sache ganz klar widersprechen.
„Islamisten verachten alles, was den Westen ausmacht; …“
Nein, das stimmt so nicht. Wir sogenannte „Islamisten“ sind durchaus auch in der Lage differenziert zu urteilen.
Papsttreuer
Sehr geehrter Herr Yahya Ranft (ich hoffe, der Name ist so richtig wiedergebeben),
vielen Dank für den Kommentar, es freut mich vor allem, dass die Diskussion damit nicht nur eine innerchristliche oder innerkatholische bleibt. Möglicherweise ist zu definieren, was eigentlich „Islamismus“ heißt, bei dem es – so entnehme ich das jedenfalls Ihren Äußerungen – auch noch Unterscheidungen gibt. Für mich spiegelt sich der Islamismus in den gewalttätigen Gruppierungen von IS, Al Kaida, etc. wieder, bei denen ich schon wahrnehme, dass eine Verachtung für alles, was den Westen ausmacht, besteht. Möglicherweise lässt sich der Begriff aber auch weiter fassen und man landet bei einer Sichtweise, wie sie auch einen Christen auszeichnen könnte, der ja auch bestimmte Entwicklungen ablehnt, idealerweise dagegen opponiert, aber eben nicht mit Gewalt. Vielleicht mögen Sie das noch erläutern?
Herzliche Grüße und Gottes Segen!
Attila Varga
Liebe Mitbürger,
der Begriff „Westen“ ist noch schwammiger als der Begriff „Islamist“.
Ich kann beim besten Willen keinen großen Unterschied zwischen Christen-hassenden Islamisten und Christen-hassenden „eingeborenen“ Europäern erkennen.
Der Westen ist unsere abendländische Zivilsation, der Westen sind aber auch jene Kriegsverbrecher, die Angriffskriege herbeigelogen haben, dabei ihre eigenen Landsleute opferten und jetzt in Frieden und Reichtum auf ihrer Ranch oder in ihrer Villa sitzen.
Ich sehe die Sache so ähnlich wie Michael Klonovsky: Ich bin genausowenig Charlie, wie ich George, Jossip Wissaroniwitsch, Osama oder Adolf bin.