Kardinal Marx wies vor einigen Tagen darauf hin, dass die katholische Kirche „keine Filiale von Rom“ sei. Nicht so schnell, meint Kurienkardinal Paul Josef Cordes.
Die Formulierung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal, die katholische Kirche in Deutschland sei keine Filiale Roms, konnte man hinsichtlich der Pastoral für Wiederverheiratete Geschiedene fast noch durchgehen lassen; was aber gemeint war, wurde dann spätestens mit den Äußerungen des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode deutlich, der meint, dass auch die Realität von Menschen und der Welt eine Quelle der theologischen Erkenntnis sei (mein Beitrag dazu hier). Bislang war aus dem Vatikan dazu wenig zu hören, was unter Konservativen wie Progressiven auch als stillschweigendes Einverständnis gedeutet wurde.
Jetzt hat Kurienkardinal Paul Josef Cordes der Online-Redaktion des Merkur ein Interview gegeben, in dem er in dieser Hinsicht wieder einiges gerade rückt. Nun mag mancher vielleicht – aus welchen Gründen auch immer – nicht glauben, dass von Papst Franziskus keine Revolution in der Lehre der Kirche zu erwarten sei. Kardinal Cordes gemischter Blick mit Kenntnissen der Kirche in Deutschland und den Verhältnissen in Rom mag aber verdeutlichen, wie die Positionen deutscher Bischöfe dort betrachtet werden. Deutlich wird dort einerseits, dass die Kirche in Deutschland sicher keine Vorreiterrolle für sich reklamieren und sich auch nicht so ohne weiteres als Insel platzieren kann, in der getan wird, was wir selbst, unabhängig von Rom als Synonym für die Weltkirche, für richtig erachten.
In dem Interview hagelt es durchaus auch Watschen, etwa wenn Cordes meint, das Bild von der „Filiale“ passe im Kontext der Kirche „eher an den Stammtisch“. Aber auch theologisch macht Cordes deutlich, was festzustellen war:
Bei Fragen einer Neuauflage des „Gotteslobes“ oder Entscheidungen über den Verlauf des Wallfahrtsweges nach Altötting steht dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz solche Kompetenz unbenommen zu. Anders sieht es bei der Debatte um die Probleme der wiederverheirateten Geschiedenen aus. Diese Materie ist an die Mitte der Theologie gebunden. Da kann auch ein Kardinal nicht im Handstreich die Pastoral von der Lehre trennen. Es sei denn, er wolle sich hinwegsetzen über den verpflichtenden Glaubenssinn der Worte Jesu und der verpflichtenden Aussagen des Konzils von Trient. […]
Die Vatikanische Konstitution über die „Göttliche Offenbarung“ lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Glaube der katholischen Kirche allein aus der Heiligen Schrift und der kirchlichen Lehre speist. Unabhängig von dieser eindeutigen Weisung wäre es paradox, wollte man einer kleinen Gruppe von Gliedern der Kirche, die in einer geistlich bedauernswerten, aber doch objektiv irregulären Situation lebt, die Funktion einer Glaubensquelle zu sprechen.
Nix ist es also mit dem deutschen Sonderweg, sollte man ihn denn einschlagen wollen. Das alles mag diejenigen nicht beruhigen, die meinen, der Vatikan könne sich womöglich der deutschen Position anschließen, ein Sonderweg sei gar nicht mehr notwendig. Aber auch auf die von Kardinal Marx dargestellte herausgehobene Rolle der Kirche in Deutschland, auf deren Einsichten die Welt warte, hat Cordes eine wie ich finde passende, für deutsche Ohren vielleicht ernüchternde aber realistische Antwort. Nach seinem deutlichen „Nein“ zur Möglichkeit eines deutschen Sonderwegs stellt der Kardinal klar:
In seinen Äußerungen stellte der DBK-Vorsitzende Marx fest, in der Weltkirche richte man „eine gewisse Erwartung“ an Deutschland. Das wundert mich schon. Bei einer Umfrage der seriösen Bertelsmann-Stiftung kam heraus, dass nur noch 16,2 Prozent der westdeutschen Katholiken an den allmächtigen Gott als ein personales Gegenüber glauben. Für 84 Prozent der Katholiken ist Gott eine Vorsehung ohne Gesicht oder ein anonymes Schicksal oder irgendeine Urkraft. Oder sie leugnen ihn schlicht. Eigentlich haben wir also keinen Grund, uns gegenüber den Kirchen anderer Länder mit unserem Glauben hervorzutun.
Das ist – abgesehen davon, dass es eine ziemlich schonungslose Darstellung der Ergebnisse der Weltanbiederung der vergangenen Jahrzehnte darstellt – Balsam für die Ohren konservativer deutscher Katholiken, die an deutschen Bischöfen in den vergangenen Wochen und Monaten nur selten Freude hatten. Auf beiden Seiten der Diskussion um Wiederverheiratete Geschiedene im Speziellen und die Modernisierung der Kirche im Allgemeinen, kann einen schließlich der Eindruck beschleichen, man diskutiere weltweit relevante Themen. Zum Glück tun wir das aber nur allzuoft nicht. Das mag ernüchternd sein, für beide Seiten, aber doch der Demut zuträglich.
Und zuletzt dazu noch der Schluss des Interviews, mit Worten, die den meisten deutschen Bischöfen wohl nur noch unter Folter abzupressen wären:
Vielleicht fällt den Synodenvätern sogar ein, denen ihre Hochachtung auszusprechen, die aus Treue gegenüber dem einmal gegebenen Eheversprechen keine neue Bindung eingegangen sind. Auch sie gibt es.
Am besten wird es sein, mit Spannung aber auch gelassen auf die Familiensynode in Rom zu schauen, die deutsche Position nicht zu wichtig zu nehmen und den Heiligen Geist mal machen zu lassen. Ich kann mich selbst nicht als Vatikankenner bezeichnen, gehe aber jedenfalls nach allem was ich lese ebenfalls nicht von einer Herbstrevolution der Kirche aus. Dafür darf man durchaus auch beten und seinem Bischof Aufträge mit auf den Weg geben. Panik ist aber wie ich glaube auch nicht angebracht, denn auch wenn der Begriff der Filiale nicht passend ist: Wir sind in Deutschland Teil der katholischen Kirche als mystischem Leib Christi – daran wird auch die Deutsche Bischofskonferenz nichts ändern!