Schnell sind wir von der Berichterstattung über den Flugzeugabsturz in Frankreich bei einer Meta-Diskussion gelandet. Zu schnell!
Einhundertfünfzig Menschen sind bei dem Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen ums Leben gekommen. Darunter viele Jugendliche, Kinder, eine ganze Schulklasse aus Haltern. Jetzt stellt sich heraus, dass offenbar (je nach Quelle scheint das noch nicht ganz sicher zu sein) der Co-Pilot das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hat. Man fragt sich, wie ein Mensch zu so einer Tat fähig sein soll … und sieht doch überall in der Welt Attentäter und Amokläufer, die kein Problem damit haben, hunderte Menschen in den Tod zu reißen … trotzdem: Der Tod so vieler Menschen macht betroffen, führt uns an die Grenzen unseres Verstehens und wir alle – vor allem die Angehörigen, aber nicht nur sie – brauchen in irgendeiner Weise Interpretationen des Geschehens.
Die einfach zu stellende Frage lautet dabei: Wie kann Gott so etwas zulassen? Natürlich mag es darauf theologisch versierte Antworten geben, aber deren Charme verblasst vor den Bildern der verstreuten Trümmerteile des Flugzeugs. Was mag den Co-Piloten angetrieben haben, immer vorausgesetzt, es ist so abgelaufen, wie es gerade dargestellt wird? Was bringt einen Menschen zu so einer Tat? Ich habe einen Bericht gelesen, in dem ein Psychologe meint, für eine solche Tat – angeblich ein Selbstmord, in dem der Mann dann mehr als hundert Menschen mitgerissen hätte – sei völliges Neuland, dafür gäbe es noch keinen Begriff. Und immer wieder die Frage nach dem Warum, von gläubigen Menschen gerichtet an Gott, von weniger Gläubigen gerichtet an die Welt, notfalls eben die Medien.
Aber die haben – wen wundert es – noch weniger eine Antwort, als ich sie hier geben könnte. Aber anstatt das zuzugeben, anstatt im Angesicht des Grauens einzugestehen, keine Erklärung zu haben, wird – auf Basis der Katastrophe – eine andere Frage gestellt: Haben wir, haben andere richtig, angemessen, über den Absturz berichtet? Hätten die anderen zurückhaltender sein müssen? Ist es notwendig, Sondersendungen zu zeigen, in denen außer der geballten Unkenntnis kurz nach der Katastrophe nichts dokumentiert werden kann? Ist es notwendig, Bilder zu zeigen von Trümmerteilen, immer mit der Gefahr verbunden, etwas zu zeigen, dass ein Verwandter eines Opfers erkennen könnte? Und wie sieht es mit den mannigfaltigen Spekulationen aus – vom Abschuss durch ein französisches Kampfflugzeug bis zu einer False-Flag-Operation (bei der es darum gegangen wäre, einen Terroranschlag vorzutäuschen um dann Argumente für einen Gegenschlag zu haben) war in seriösen und weniger seriösen Medien ziemlich alles dabei.
Sind solche Fragen berechtigt? Das sind sie … in ein paar Wochen. Man muss sich die Frage stellen, wie man als Nachrichtenmedium – bishin zu einem kleinen überschaubaren Blog wie diesem hier – mit solchen Themen angemessen umgeht. Ob mein nur kurzer Beitrag angemessen war: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, warum ich ihn geschrieben habe: Um mir selbst und vielleicht auch anderen bei der Suche nach der Antwort auf das Warum weiter zu helfen. Nicht weil ich eine Antwort hätte, sondern weil ich so sprachlos bin wie die meisten anderen auch. Und in dieser Sprachlosigkeit kann man sich auch zusammen tun – eine Art kollektiver Trauer- und Schockverarbeitung.
Aber eine solche Verarbeitung braucht Zeit! Man muss schon sehr abgebrüht sein, um nach den Nachrichten der vergangenen Tage einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Jetzt über die Art der Nachrichtenvermittlung zu diskutieren führt an dieser Verarbeitung aber völlig vorbei. Im Medieninfomationsdienst MEEDIA habe ich dazu eine interessante Stellungnahme des Chefredakteurs der B.Z., Peter Huth, gefunden, hier Auszüge:
Der Blattmacher hält die Debatte, ob man grundsätzlich Angehörige der Opfer des verunglückten Germanwings-Fluges zeigen darf, für “nicht zielführend und realitätsfern“. Wenn Journalismus seiner Aufgabe nachkommen soll, die Dinge, so wie sie sind, zu zeigen und zu erklären, brauche es einfach Emotionen. Und diese würden nun mal über Menschen transportiert. “Nur über Emotionalität kann man eine solche Katastrophe vermitteln. Wenn ein Medium nur Pressemitteilungen drucken würde, wäre es dem Leser unmöglich, eine solche Tragödie zu verstehen.“, erklärt Huth gegenüber MEEDIA. […]
Nach Einschätzung von Huth ist das Social Web mitverantwortlich für die “übertrieben hitzige Diskussion“. “Wenn das Internet schon vor 14 Jahren derart omnipräsent gewesen wäre, wäre es bei 9/11 unmöglich gewesen, die ikonographischen Bilder von Feuerwehrmännern, Überlebenden und Angehörigen zu drucken. Dabei sind es gerade diese Fotos, die sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt haben und uns dabei geholfen haben, das Leid und das Ausmaß der Katastrophe zu verstehen. Sonst berichten wir am Ende nur über Gebäude und Maschinen”.
Natürlich, der Mann verteidigt seinen Berufsstand und die Funktion der Boulevard-Medien. Aber ich glaube, an dem was er gesagt hat, ist was dran. Wir alle brauchen die Bilder um zu verstehen, um die richtigen Fragen zu stellen, um zu verarbeiten. Dass man von Extremen absieht, die die Betroffenen noch mehr zu Opfern machen, sollte selbstverständlich sein. Aber die Bilder von einer Katastrophe gehören nicht nur zum Geschäft der Medien, sie gehören auch zur Verarbeitung des Geschehens.
In ein paar Wochen sollten wir uns alle zurücklehnen und selbstkritisch fragen, wie wir alle mit den Geschehnissen umgegangen sind, je größer die Reichweite umso intensiver. Aber im Moment kann ich an der Debatte um die „richtige“ Berichterstattung außer moralinsaurem Gemecker wenig finden.
akinom
Wie groß und zahlreich sind doch die satanischen Wüsten-Versuchungen
„Stürz Dich hinab!“und „Dies alles will ich Dir geben!“ heute geworden, auch durch mediale Vernetzung. Sicher haben Täter unser Gebet nötiger als Opfer. Heute noch bete ich für den Amokläufer Robert Steinhäuser Erfurt, deren Eltern ich einen Brief schrieb, und für den Amokläufer Tim aus Winnenden.
Für Steinhäser brannte die „17. Kerze“ im Ehrfurter Dom…
Das war wirklich Not-wendig! Denn an dem aktuellen Ereignis wird schon jetzt deutlich, wie schnell aus Betroffenheit Wut werden kann und wird.
Doch „selig die (in rechter Weise)Trauernden… “ Sie haben die Gewissheit der Verheißung,getröstet zu werden. Unglaublich, wie viele Menschen das diesmal betrifft, besonders in meinem neuen Zuhause, keine 10 km. von Haltern am See entfernt…. Akinom
Papsttreuer
Danke für diesen Kommentar, den man vielleicht so zusammenfassen kann: „Selig sind die Trauernden, nicht die Wütenden“ – das mag es ein bisschen auf die Spitze treiben, zeigt uns aber, welche „Gefühle“ rechtschaffen sind und welche nicht (selbst wenn man für Wut der Betroffenen Verständnis haben kann) – Danke noch mal!
Gottes Segen!