„Wir sind Papst“ war nicht nur ein Bild-Titel, der Geschichte geschrieben hat. Der Satz bezeichnet auch ein Lebensgefühl vieler, die „unter ihm“ zum Glauben gefunden haben.
Es gibt Momente im Leben, von denen man bereut, dass sie irgendwie an einem vorbei gegangen sind. Am 9. November 1989, dem Tag der Maueröffnung, war ich zwar schon knappe 19, als Schüler aber mit meiner „nachpubertären Phase“ beschäftigt, und habe die Bedeutung dieses Tages damals nicht wirklich erfasst. Und genau so verhält es sich mit der von Bild so bezeichneten „Jahrtausend-Sensation“, der Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzinger zum Papst, zukünftig dann Benedikt XVI.
Sicher ein geschichtliches Ereignis, ein deutscher Papst, hatte es „lange“ nicht gegeben, aber für mich damals – kein Atheist, aber weit davon entfernt, gläubig zu sein – war er irgendwie auch nur ein weiterer „alter Mann in Rom“, der vorschreiben wollte, wie ich zu leben habe. „Panzerkardinal“ war die Bezeichnung, die ihm wohl vor allem englische Medien anhefteten, in Deutschland geläufiger eher der „Rottweiler Gottes“ – eine Beschimpfung, die ich mittlerweile durchaus auch als Würdigung für „unseren“ Papst betrachten würde. Den Leidens- und Sterbensweg seines Vorgängers, Johannes Paul II., hatte ich einigermaßen betroffen am Fernsehen miterlebt – Beeindruckend die Standhaftigkeit dieses Papstes, fast im Sinne eines „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“.
Aber Benedikt XVI., ein deutscher Papst, aber was sollte sich schon für mich ändern? In Windeseile wandte sich in Deutschland das mediale Blatt gegen ihn, viele Magazine und Zeitungen hätten wohl gerne gesehen, wenn Joseph Ratzinger tatsächlich nur ein „Übergangspapst“ gewesen wäre (wie kolportiert wurde, dass es die Kardinäle im Konklave angeblich beabsichtigt hatten). Und für mich drehte sich die Welt noch rund zwei Jahre weiter, bevor ich mich – gemeinsam mit meiner Frau – langsam wieder dem Glauben angenähert habe. Zunächst wiederum weit davon entfernt, ein Papst-Fan zu werden. Ich weiß noch, dass das erste geistliche und „katholische“ Buch, dass ich mir zugelegt hatte, eines von Hans Küng gewesen ist (den Titel weiß ich nicht mehr, es ist nicht im Gedächtnis geblieben). Wir sahen uns – meine Frau damals noch evangelisch – auch in der evangelischen Gemeinde um, testeten Freikirchen … waren auf der Suche.
Und nach und nach entwickelte sich erstens eine erneuerte Liebe zur katholischen Kirche und zweitens ein steigendes Interesse an Papst Benedikt. Unser damaliger Pfarrer, liberal geprägt, war gelinde gesagt kein besonderer Ratzinger-Fan. Aber mehr und mehr, durch Gespräche und letztlich durch viele Bücher, Katechesen, Predigten, habe ich mich ihm angenähert. Die Klarheit seiner Sprache hat mich beeindruckt und vor allem das, was wohl eines der Kernpunkte nicht nur seines Pontifikates sondern seines Schaffens als Theologe und Kirchenmann war: Den unbedingten Willen und die intellektuelle Kraft, Glauben und Vernunft miteinander zu versöhnen – ein Ansatz, der für mich wichtig war. Einen „unlogischen“ Glauben? Hätte ich nicht annehmen können. Gottes Geist weht wo er will, aber einen unvernünftigen Gott – der wäre für mich unvorstellbar.
Und so habe ich mich über die Jahre, wenn auch altersmäßig aus dem Rahmen fallend, zu einem Mitglied der „Generation Benedikt“ entwickelt. Dieser Petrus war wirklich ein Fels – dabei menschlich bescheiden, so bescheiden, dass er sich all dem unterwarf, was das Protokoll von ihm forderte. Wenn man ihm heute – im Kontrast zu Papst Franziskus – vorwirft, sich zu sehr dem „Pomp“ zugewandt zu haben, dann habe ich Bilder im Kopf, die nur deutlich machen, dass seine Person in den liturgischen Gewändern unterging. Ich habe ein Bild vom Papst während einer Anbetung vor Augen, das Allerheiligste in den Händen haltend … es ist ganz deutlich nicht der Papst, der dann im Mittelpunkt steht, ganz sicher nicht die Kleidung, die nur dazu dient, Gott zu preisen, sondern die Eucharistie. Papst Benedikt XVI. einen Hang zum Pomp vorzuwerfen ist wohl einer der – entschuldigung – dämlichsten Vorwürfe, die man ihm machen kann.
Dann ist Benedikt XVI. natürlich auch Auslöser für die Gründung dieses Blogs gewesen: Je mehr ich mich mit dem Glauben, seinen theologischen Grundlagen und damit auch mit dem Werk von Ratzinger/Benedikt XVI. beschäftigt habe, umso mehr ging mir die Diskrepanz zwischen der medialen Vermittlung und der Wahrheit auf. Verkürzte Wiedergaben seiner Ansprachen, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, geradezu böswillige Charakterbeschreibungen in der Presse – von ihm selbst später treffend beschrieben mit dem Wort der „sprungbereiten Feindseligkeit“ … das alles war, neben meinem persönlichen Bedürfnis, meinen Glauben zu teilen, der Grund, warum ich im Mai 2011 den Papsttreuenblog gestartet habe.
„Papsttreu“ durchaus auch als Provokation verstanden – wie kann man als Christ einem Menschen treu sein, müsste es nicht Jesus-treu oder Gott-treu oder wenigstens glaubenstreu heißen? – aber vor allem als Anspruch: Dem Papst – solange er am Glauben festhält, und ich hatte seither nie einen Zweifel dass er das tut, dass das Konklave 2005 durch den Heiligen Geist geleitet die richtige Entscheidung getroffen hat – treu zur Seite zu stehen, auch wenn die Welt sich gegen ihn wendet, ihm nach dem Wir-sind-Papst-Hosianna das „Kreuziget ihn“ hinterhergebrüllt wird, wenn sich selbst innerkirchlich die Kritiker unfairer Methoden bedienen. Der Papst ist der Stellvertreter Christi und damit bin ich an seiner Seite immer richtig!
Dass sich das mit Papst Franziskus fortsetzt wird niemanden verwundern, auch er braucht – natürlich neben dem Herrn – die Menschen guten Willens an seiner Seite. Und auch wenn er mich persönlich nicht kennt: Ich bete für ihn und ich weiß, er betet für uns und damit auch für mich. Papst Franziskus ist – auch das ist einen Binsenweisheit – anders als Papst Benedikt. Mein Credo in diesem Sinne: Der deutsche Professor und der argentinische Seelsorger – es sollte einen schon wundern, wenn die gleich tickten. Und ich gebe zu: Manchmal vermisse ich Benedikts geschliffenen Worte, seine Fähigkeit aus dem Stand druckreif zu formulieren, widerspruchsfrei und ohne viel Potenzial zum Missverständnis, das seine Feinde ihm immer erst mühsam und meist unredlich hineininterpretieren mussten. Wie viel leichter könnte es Papst Franziskus haben, wenn er das auch könnte? Aber er ist nicht die gleiche Person und er hat – das habe ich in anderen Beiträgen schon dargelegt – andere Vorzüge, von denen der Heilige Geist im Konklave offenbar meinte, sie seien jetzt „dran“.
So, genug der Lobhudelei: Ich bin einfach froh und danke Gott, dass er mir auf dem Weg zurück zum katholischen Glauben einen Hirten, seinen Stellvertreter, an die Seite gestellt hat, der nicht nur in mir sondern in ganz vielen Menschen die Begeisterung für den Glauben wachgerüttelt hat. Heute vor zehn Jahren – von mir persönlich damals fast unbemerkt trotz des medialen Rausches – hat ein Mann die Loggia des Petersdoms betreten, der meinen Glauben unglaublich beeinflusst und bereichert hat. Wenn er mal vor Gott einen Fürsprecher braucht – die Vorstellung die jetzt folgt ist ein bisschen vermessen, ich möchte sie nicht wörtlich sondern plakativ verstanden wissen – dann werde ich sicher für ihn aufstehen. Vielleicht wird das auch noch mal eine Form der Papsttreue sein, die „wir von der Generation Benedikt“ unserem Papst erweisen können.
Pirkl
Die Arbeiter, die später in den Weinberg kommen, erhalten glücklicherweise denselben Lohn. Bei mir wars umgekehrt. Ich weiß noch genau, was ich gemacht habe am 9.11.89 und am 19.4.05. Zwei Sachen, die ich am Tag des Mauerfalls gekauft habe, habe ich jahrelang aufgehoben. Bis sie durch Umzüge und Familiengründung usw. erst mal in Verschollenheit gerieten. Noch mehr ging mir am 19.4.05 durch den Kopf. Umso schöner dass wir uns hier auf Ihrem Blog getroffen haben.
Ein Freund hat vor Jahren mal gesagt, Christus hätte wenig vom Menschen verstanden, wenn er nicht auch den Papst als greifbares Zeichen seiner Inkarnation hinterlassen hätte. Diese Erkenntnis hat sich offenbar auch bei Ihnen durchgesetzt. Und ich bin sicher, das wird es auch in Zukunft noch oft bei vielen Menschen tun.
Papsttreuer
Danke für diese schöne Ergänzung. Gottes Segen!
Bettina Taubinger
Danke für Ihr Zeugnis. Auch ich finde, dass sich Beide sehr gut ergänzen.
Joseph Ratzinger hat mich schon als Kind fasziniert. Seine Hirtenbriefe
haben mich als Jugendliche schon sehr berührt.
Mit Franziskus wird die Theorie von Papst Benedikt in der Praxis vorgelebt.
Nach dem Vorbild von Franz von Assisi – also ganz einfach ohne großen Pomp.
Ich bin beiden sehr dankbar und wünsche Ihnen weiterhin Gottes Segen auf dem Weg ins himmlische Mariapoli.
Papsttreuer
Danke, Frau Taubinger, für diese Hinweise. Das trifft auch meine Einschätzung, dass Benedikt XVI und Franziskus in einer Linie stehen, auch wenn sie noch so unterschiedlich wirken.
Gottes Segen!