Wenn Raymond Kardinal Burke in deutschen Mainstreammedien zu Wort kommt, lohnt es sich, hinzuhören – auch über die klassischen Reizthemen hinaus.
Man kann den deutschen Mainstreammedien einiges vorwerfen, aber ich bin immer wieder erstaunt, dass man auch Stimmen zu Wort kommen lässt, die ganz offensichtlich nicht der „Hausmeinung“ der meisten Blätter entspricht. Vielleicht zu selten, vielleicht oft zu negativ kommentiert, aber man kann zum Beispiel der Welt nicht mehr nachsagen, dass sie in kircheninternen Diskussionen nur die WisiKis (Wir sind Kirche) dieser Welt zu Wort kommen ließe. Oft nutzen sie dazu auch die konservativen Leuchten unter ihren Journalisten und so verwundert es nicht, dass die Welt heute mit einem Interview von Matthias Matussek mit Kardinal Raymond Burke an den Start geht.
Kardinal Burke gilt als der „Kronzeuge“ der Konservativen unter den Kardinälen und seine Versetzung aus der Kurie und de-facto-Degradierung zum Kardinalpatron des Malteserordens hat in der Kirche ein kleines Erdbeben ausgelöst an dessen Interpretation Papstkritiker wie -befürworter sich noch immer die Zähen ausbeißen. Umso wesentlicher erscheint es, wenn dieser angebliche „Gegenspieler“ des Papstes heute über Gehorsam spricht.
Das tut er in erster Linie in Richtung der deutschen Kardinäle, die – vertreten durch Kardinal Marx als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz – meinen, sich organisatorisch von Rom lossagen zu können, mit dem nur scheinbar einleuchtenden Argument man sei keine Filiale Roms (ich habe hier darüber berichtet). Darauf angesprochen wird Burke deutlich:
Ich habe Marx‘ Erklärung nicht im Wortlaut gelesen, aber natürlich sind Wendungen wie „Filiale Roms“ albern. Wir sind alle auf Petrus bezogen, das ist die Einheit der katholischen Kirche. „Filialen“ – das ist Businesssprache, das gehört nicht in die Kirche. Es kommt dann schon auf den Gehorsam an.
Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Formulierung, nicht nur weil der Begriff „Gehorsam“ in etwa so modern ist wie ein Kassetten-Walkman im Elektogeschäft, sondern weil der Begriff des Gehorsams ambivalent ist. Das wird schon deutlich bei der Antwort auf die Frage, warum er sich eine Annäherung der Kirche an ein weltliches Scheidungsrecht nicht vorstellen kann …
Weil wir es nicht dürfen. Wir sind an die Lehre der Kirche und ihrer Jünger gebunden. Aber einige Synodenväter, allen voran Kardinal Kasper, wollten genau das ändern. Und da musste ich sehr deutlich werden.
… oder hinsichtlich der Frage der Priesterweihe von Frauen:
Nun, der Herr hat sich eben diese zwölf Männer ausgesucht, die ihm nachfolgen sollten, sicher gab es unter den Jüngern und Gefolgsleuten auch Frauen, die in höchster Wertschätzung standen, allen voran natürlich die Gottesmutter, aber die Kirche lehnt sich an dieses Urbild an. Die Rolle des Priesters in der Kirche ist eine väterliche, und deshalb sollte sie von Männern ausgefüllt werden.
Da ist also zunächst mal der Gehorsam zur Bibel und zur Lehre der Kirche, die Burke hier herausstellt und die er zum Maßstab seiner Beurteilung von Veränderungen in der Kirche macht. Wendet man das auf die im Herbst anstehende Familiensynode an, kommt man zu dem Schluss, dass man zwar in der Pastoral und Mission neue Wege einschlagen kann, dass das aber nicht geht, wenn man dafür von Bibel und Lehre abweichen muss. Die immer wieder geforderte „Barmherzigkeit“ ist eben auf Kosten der Wahrheit nicht zu machen.
Burke wendet den Begriff des Gehorsams aber nicht nur auf die katholische Kirche in Deutschland und sein eigenes Verhältnis zur Lehre an, sondern auch auf seine Beziehung zum Papst selbst – ein Aspekt der möglicherweise auch mal für einen papsttreuen Blog Relevanz haben kann, wenn beides, Bibel und Lehre einerseits, die Psoitionen des Papstes andererseits, auseinanderfallen sollten. Auch hier wieder zum Thema „Unauflöslichkeit der Ehe“ und der hypothetischen Annahme, der Papst könnte sich dagegen entscheiden:
Ich müsste dann zum Papst gehen und ihm meine Gewissensgründe darlegen, dass ich der Wahrheit folgen und gleichzeitig gehorsamer Diener der Kirche sein möchte. Gehorsam ist eine hohe Tugend. […]
Ich würde in dem Fall mit dem Heiligen Vater reden müssen, wie ich der Wahrheit treu bleiben kann und gleichzeitig meinen Gehorsam nicht aufkündige. Aber deshalb rede ich so deutlich, denn der Heilige Vater soll wissen, dass nicht alle so denken wir Kardinal Kasper.
Natürlich kommt eine Zeitung wie die Welt nicht umhin, in der Überschrift das Interview auf die Frage des Umgangs mit der Homosexualität zu reduzieren („Homosexualität ist eine Form des Leidens“), aber der entscheidende, kircheninterne Aspekt ist für mich in diesen Beschreibungen zum Gehorsam gegeben. Und so wie Burke diese Frage berechtigterweise problematisiert, umso weniger wird einem die offizielle Position der deutschen Bischöfe verständlich, die einen Gehorsam zur Lehre wie zum Papst offenbar gar nicht in Erwägung ziehen sondern lediglich die Durchsetzung der eigenen Interessen (von was auch immer geleitet).
Die Ankündigung von Kardinal Marx, man werde mit einem Hirtenwort „nicht auf Rom warten“, man sei „keine Filiale Roms“ macht im Gegensatz zu den Äußerungen von Burke, der das potenzielle Spannungsfeld zwischen Gehorsam zum Papst und zur Lehre offenbar besser identifiziert hat, einen eklatenten Mangel an Gespür für den Gehorsam deutlich. Ich gehe dabei nicht von Absicht aus, glaube nicht, dass Marx offensiv den Ungehorsam propagieren wollte, aber vor allem im Vergleich wird die unterschiedliche Einstellung dieser beiden Kardinäle sehr deutlich.
Die übrigen Aspekte des Interviews wie Homosexualität, Christenverfolgung oder das Verhältnis zu den evangelikalen Kirchen sind natürlich ebenfalls interessant und ich empfehle die vollständige Lektüre des Beitrags. Der Punkt des Gehorsams geht aber in der Berichterstattung leider fast völlig unter, weshalb ich ihn hier gerne herausgestellt habe. Das Prinzip des Gehorsams, nicht im Sinne eines „Abnickens“, das man Kardinal Burke nun wirklich nicht vorwerfen kann, führt nämlich zu einer geeinten katholischen Kirche, die nach den Worten Burkes in den Familien gedeihen muss und die die Welt braucht …
Weil sie das Bewusstsein für die Würde des Menschen lebendig hält, weil sie das Leben achtet, die Schöpfung, weil ihr die Ehe und die Familie heilig sind, weil sie Reue und Vergebung kennt.
Man kann nur hoffen und dafür beten, dass im Rahmen und im Nachgang der Familiensynode die Treue zur Bibel und der Gehorsam zu Kirche und Papst nicht Schaden nehmen. Ich bin da nicht so pessimistisch wie manch anderen Bloggerkollegen, aber das wäre dann tatsächlich ein bleibender Schaden nicht nur für die Kirche sondern auch für die Welt!
Theofan
Ich bin nicht katholisch und kann daher nur als Beobachter meine unmaßgebliche Meinung äußern: Die Unauflöslichkeit der Ehe steht im Widerspruch zum Wort Christi, demzufolge Fremdgehen („Hurerei“) das Band der Ehe zerstört (Mt 19.1). Genauso wie die übrigen Sakramente kann die Ehe nur mit Gott verbinden, wenn sie gelebt wird. Genauso, wie ein Getaufter zum Islam übertreten und ein Priester seines Amtes enthoben werden kann, ist Fremdschlafen der Punkt, an dem das Ehesakrament salzlos wird. Solange „Gehorsam“ die Kirche zusammenhält, können solche kleinen „Dissonanzen“ (das Priesterzölibat ist auch so eine) ihre Sprengkraft nicht entwickeln, wohl wahr.
Aber „Gehorsam“ ist ein äußeres Ordnungsprinzip, und ich würde lieber nicht darauf wetten, dass menschliche Eigenliebe auf dem Markt der Eitelkeiten nicht doch stärker ist.
Back to the roots halte ich für den besseren Ansatz, denn das wahre Ordnungsprinzip der Kirche kann nur ein inneres sein, die Liebe. Aus Liebe könnte man katholisch (konziliar) sogar die eine oder andere „Wahrheit“ nochmal hinterfragen. Keine Tretminen, kein Schisma.
Pirkl
Also back to the roots finde ich als Motto ziemlich „gefährlich „: zur Zeit Jesu war das Scheidungsrecht des Mose liberal. Jesus dreht das Rad zurück und sagt, „am Anfang war es nicht so“. Die Jünger sind darauf konsterniert und meinen, angesichts der Lehre Jesu sei es nicht gut überhaupt zu heiraten. Jesus führt die liberale damalige Praxis auf die Hartherzigkeit der Menschen zurück. Offenbar hat er eine andere Definition von Liebe. Erwachsene werden vielleicht finden, dass es in dieser Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe einen Gegensatz zwischen Liebe und Gehorsam/Wahrheit gibt. Die von einer Scheidung betroffenen Kinder sicher nicht. Meine Prognose:
In der Sache passt zwischen Burke und Franziskus kein Blatt Papier. Wie man das aber heute den konsternierten „Jüngern“ vermittelt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Das ist aber nichts Neues in der Kirchengeschichte.