Andreas Lombard berichtet auf „Die Entdeckung des Eigenen“ über einen Diskussionsabend in der Katholischen Akademie Berlin – und über dort nicht vertretene Positionen.
Den Blog „Die Entdeckung des Eigenen“ von Andreas Lombard hatte ich bei meinen „Wochenendlektüren“ des öfteren zitiert, allerdings höchstens in der Frequenz der Beiträge. Da der Autor und Verleger auf seiner Seite allerdings eher – gelinde gesagt – sparsam veröffentlicht, ist er vermutlich nicht besonders hervorgestochen. Umso schöner, wenn ich einem Beitrag dieser Woche mit dem „Link der Woche“ einen besonderen Platz einräumen kann.
In „Ausweitung der Grauzone“ geht es allgemein um das Thema Sterbehilfe, konkreter um einen Diskussionsabend der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. in der Katholischen Akademie Berlin zu diesem Thema, noch konkreter um die Positionen, die dort kaum bis gar nicht vertreten waren. Einleitend beginnt Lombard mit einem Zitat des Kölner Kardinals Woelki, der äußerte „Seit wann, muss man entschieden fragen, haben Ärzte die Lizenz zum Töten? Es kommt einer Pervertierung des Arztberufes gleich, wenn der, der Leben erhalten soll, es preisgibt. […] Es ist erschreckend, zu sehen, wie sehr die Tabuisierung der Sterbehilfe, die nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten jahrzehntelang Konsens war, in den aktuellen Debatten fällt.“
Demgegenüber standen in der Katholischen Akademie die Diskussion über Positionspapiere der Bundesparlamentarier zur Regelung der Suizidhilfe zur Diskussion. Diese befassen sich im Wesentlichen mit den Bestrebungen, die ärztlichen Handlungen in dem Thema aus der „rechtlichen Grauzone“ herauszuholen, in dem das ärztliche Standesrecht der Bundesgesetzgebung unterworfen wird. Was der eigentliche Inhalt der Diskussion allerdings ist, macht Lombard auch klar:
Offiziell wird im Grunde aber nur noch die Frage diskutiert, ob und in welcher Form die organisierte und geschäftsmäßige Sterbehilfe erlaubt werden soll (dagegen sind Kerstin Griese, SPD, u.a.) und welche Sicherungsmaßnahmen ihr mit auf den Wege gegeben werden, wobei aus der Erfahrung der anhaltend hohen Abtreibungszahlen heraus klar sein dürfte, was erschwerende Auflagen dem Lebensschutz langfristig bringen – nämlich nichts.
Am weitgehendsten sind dabei die Vorstellungen der Grünen, vertreten an dem Abend durch Katja Keul, deren Position von Lombard wie folgt eingeordnet wird:
Wenn diese Art »Hilfe« überhaupt erlaubt sein soll, dann müssen alle »helfen« dürfen, solange sie nicht von niederen Beweggründen getrieben sind und nicht die Tatherrschaft zu erlangen versuchen, also jemanden zum Suizid überreden wollen. Aber wer kann das kontrollieren? Wer ist schon wirklich dabei, wenn Sterbewilliger und Suizidhelfer den Tod beschließen? Wir dürfen gespannt sein, wie man Übergriffe und Nötigungen künftig verhindern wird, wenn dieselbe Abgeordnete Keul davon ausgeht, dass es keiner besonderen Dokumentationspflichten bedürfe, da ohnedies jeder Arzt bestrebt sein werde, den Willen des Suizidenten für den Fall etwaiger Vorwürfe und Klagen nachzuweisen. Der Vertrauensvorschuss ist mindestens erstaunlich. Dies wundert einen aber nicht bei einer Partei, die sich nur um die Ökologie der Tiere und der Natur im Allgemeinen kümmert und die des Menschen geradezu rachsüchtig bekämpft.
Kritisch sieht Lombard an der Diskussionsrunde, die immerhin in einem katholischen Haus stattfand, dass Positionen wie die des CDU/CSU-Abgeordneten Patrick Sensburg (CDU/CSU), der eine generelle Strafbarkeit der Suizidbeihilfe fordert, gar nicht Gegenstand der Diskussion waren, geschweige denn, dass sie auf dem Podium vertreten wurden. Lombard dazu mit Hinweisen und Fragen auch an die katholische Kirche:
Sensburg saß am Dienstag nicht mit auf dem Podium. Warum eigentlich nicht? Wie kommt es, dass in der Veranstaltung einer Lebensrechts-Organisation im Hause der Katholischen Akademie niemand eine katholische Position vertritt, dass auch nicht einziges Mal das fünfte Gebot vorgebracht wird? Wer hat da im Vorfeld (und warum) welche Weichen gestellt? […] Und dabei wäre doch der Einbezug gerade dieser Position die einzige Möglichkeit, die Rede von einer ergebnisoffenen Debatte zu rechtfertigen. Aber offenbar soll eine solche gar nicht stattfinden, allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz. […] Seit wann sind sich Politik, große Medien und Wirtschaft einig, dass der »demografische Wandel« das »sozialverträgliche Frühableben« benötige, wie der damalige Ärztekammerpräsident Karsten Vilmar das schon 1998 nannte?
Zuletzt möchte ich aus dem Beitrag noch die beiden letzten Absätze zitieren, die deutlich machen, warum mit den bisher vorgelegten gesetzlichen Neuregelungen, die eine wie auch immer geartete Rechtssicherheit herstellen sollen – was am Straffreiheit bei der Sterbehilfe bedeutet – die bestehende Grauzone nicht reduziert sondern sogar ausgeweitet wird:
Tatsächlich muss alle Tötungsenergie, die der Suizident nicht selbst aufbringen kann oder will, vom Helfer kommen. Je mehr der Helfer hilft, desto mehr wird er zum Täter, desto mehr muss er sich den Todeswunsch des anderen, der nicht sein eigener ist, zu eigen machen. Er muss selber wollen, dass der andere stirbt. Wie kann er das wollen und warum? Wie ist es möglich, die lauteren Motive jemals von den unlauteren zu scheiden? Niemand kann bei genauem Nachdenken »helfen«, ohne aktiv zu töten. Der leichte, schmerzlose Selbstmord, der Selbstmord für alle, wird logischerweise von der Ausnahme zu Regel, wenn das Tötungsverbot fällt. Er wird zu einem dauerhaften Alternativangebot, zu einer makabren Zusatzleistung, sobald die Hemmschwellen für die Helfer abgebaut wurden.
Die Dienstagabend wiederholt betonte Straffreiheit für den Helfer gibt es im deutschen Strafrecht leider wirklich. Dabei handelt es sich um eine schlichte Gesetzeslücke, die die europäischen Nachbartstaaten nicht kennen. Bei der Frage nach der Freiheit von Schuld sieht es im Hinblick auf den »Helfer« und seine Helfershelfer aber schon ganz anders aus. Beim Suizid wird der Weg vom Dürfen über das Sollen (wir werden es wollen sollen) zum Müssen führen. Rette sich wer kann, vor allem vor dem Helfenwollen.
Offenbar ist die Diskussion über die gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe selbst auf einer schiefen Ebene angelangt, in der die wesentlichen Themen des Lebensrechts und der Schuld selbst in einem katholischen Umfeld nicht mehr auf die Agenda gebracht werden. Dass, wie Lombard deutlich macht, Widerspruch immerhin aus den Reihen des Publikums deutlich zu hören war, lässt hoffen. Die Gefahr einer weiteren Aushöhlung des Lebensrechts liegt aber – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – offen zutage.
akinom
Die Sprache des Glaubens, die der Vernunft entspricht – das habe ich von Papst Benedikt gelernt – ist eine Fremdsprache geworden, selbst für Sprach-Genies!
Das 5. Gebot heißt in der jetzt geltenden Übersetzung nach der globalen Sprachreform:“Alte, warum hast Du Dich immer noch nicht entsorgt oder entsorgen lassen? Das ist Umweltverschmutzung!“ Wo habe ich doch einmal die prophetisch anmutenden Worte gehört oder gelesen: „Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde!“?
Pirkl
Das Thema ist brisant und hochaktuell, da nach dem Zeitplan der Koalition bereits im Herbst ein Gesetz beschlossen werden soll. Der Zeitplan und die strikte Ablehnung der Sterbehilfe durch die Juristenvereinigung Lebensrecht (JVL) ist etwa in deren Zeitschrift für Lebensrecht (ZfL) im Heft 4/2014 in einem Aufsatz von Manfred Spieker nachzulesen. Aus der Gegnerschaft der JVL erklärt sich auch der Widerspruch „unisono“ aus dem Publikum, von der Lombard berichtet. Er hat offenbar dem Podium zu denken gegeben. Mehr war wohl an diesem Abend nicht drin, wenn man nicht unter sich bleiben wollte, sondern in die „Peripherie“ gehen. Umso mehr geht es nun in den nächsten Monaten darum, alle und alles zu unterstützen, was den Dammbruch verhindert, z. B. Briefe oder Mails an Abgeordnete, Leserbriefe an Zeitungen schreiben u. v. m..