„Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass sondern Gleichgültigkeit“, so sagt ein weises Wort. Das müssen wir als Gläubige lernen.
Die Wogen hinsichtlich einer neuen „innovativen“ Idee der evangelischen Kirche, mehr Menschen in die Gottesdienste am Sonntag zu locken schlagen hoch. Warum, so fragt die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, nicht auch Gottesdienste am Sonntagnachmittag halten? Dann könnten gerade junge Menschen, die am Samstag Abend auf die Piste gehen erst ausschlafen und dann in den Gottesdienst. Kundenorientierung soll das wohl heißen. Der katholische Journalist und Blogger, Klaus Kelle schreibt dazu treffend unter dem Titel „Ein Frischgezapftes auf dem Weg zum Gesangbuchständer“:
Mir fallen noch weitere Innovationen ein, wie sich die Kirche an die Freizeitgewohnheiten der Menschen anpassen könnte. Vielleicht könnte man auf Bildschirmen während des Gottesdienstes Fußballübertragungen zeigen, ohne Ton natürlich. Und viele junge Menschen trinken am Wochenende gern mal ein Bier. Vielleicht würde es helfen, an der Kirchentür ein Fässchen aufzubauen und Frischgezapftes auf dem Weg zum Gesangbuchständer zu reichen. Der Anpassung nach unten sind heutzutage keine Grenzen mehr gesetzt….
Diese bissige Analyse ist richtig, weist aber noch keinen Weg aus dem, was der Religionswissenschaftler Detlef Pollack als einen „schleichenden Bedeutungsverlust der Kirchen in Deutschland“ diagnostiziert. Denn hinter dieser Analyse steckt noch etwas anderes: Abends lange ausgehen, ausschlafen und ausgiebig frühstücken, Fußball der Kinder, Fahrradtouren und anderen sonntägliche Freizeitbeschäftigungen sind nach Pollack den Menschen einfach wichtiger als ein Gottesdienst. Diesen Teil der Botschaft hat Frau Kurschus offenbar nicht mehr richtig gehört, denn sonst käme man nicht auf die Idee einer zeitlichen Verlagerung des Gottesdienstes.
Die Online-Ausgabe der WAZ beschreibt die Analyse von Pollack aus seinem Buch „Religion in der Moderne“ so:
Grund für diese Entwicklung ist laut Pollack „weniger Unzufriedenheit als vielmehr Gleichgültigkeit gegenüber Religionsausübung“. Die Kirchen seien der „Abwendung von Gläubigen häufig machtlos ausgeliefert“.
Einer Gleichgültigkeit kommt man in der Tat aber eben nicht mit „geänderten Öffnungszeiten“ nach. Das Konzept funktioniert schon nicht bei Buchhändlern im Kampf gegen Online-Riesen wie Amazon. Vielleicht ist das ein gutes Bild, weil es Parallelen aber vor allem Unterschiede deutlich macht: Leser haben durchaus Interesse an Büchern und Literatur, nicht aber unbedingt am Einkaufserlebnis. Es gibt Menschen, die gerne durch die hohen Bücherregale stöbern und den Duft von Büchern einatmen. Die Masse der Leser allerdings will einfach ein Buch kaufen, dazu braucht man keinen Buchhändler in teurer aber schlecht erreichbarer Innenstadtlage. Und Menschen, die Glaubensfragen umtreiben, aber nicht zwingend zu den „Hardcore-Gläubigen gehören? Möglicherweise suchen sie schnelle Erleuchtung, vielleicht auch geistlichen Beistand in schweren Situationen, sie suchen vielleicht – das kann ich von meinem erneuten Beginn des Glaubensweges sagen – geistiges Futter für das Leben. Das kann ich mir vielfach aus geistlicher Literatur (egal ob vom Buchhändler oder von Amazob geliefert) besorgen, vielleicht besuche ich auch ein geistliches Seminer … es hat ja einen Grund, warum ein Dalai Lama auch in Deutschland Stadien füllt. Aber zur Messe gehen?
Apropos Stadien, auch der Hinweis fehlt in der Diskussion nicht, dass in Summe immer noch mehr Menschen am Sonntag in die Kirche als am Wochenende in die Stadien gehen. Nur: Die Menschen, die nicht in die Kirche gehen, suchen die stattdessen im Stadion nach Erleuchtung? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Erwartungshaltung an Gottesdienst und Heiliger Messe so gering ist, dass die alternativen Beschäftigungen, egal ob geistig oder sportlich, einfach anziehender sind? Und wenn ich den Tag mit der Familie und bei allerlei sportlichen Aktivitäten verbracht habe, warum sollte ich dann nicht ausreichend müde sein, um die Messe am Nachmittag, die mir vermeintlich nichts bringt, nicht auch noch zu „schwänzen“.
Als katholischer Blogger, als Mitglied einer katholischen Laienbewegung, als in der Gemeinde engagierter Mensch, lebt man in gewisser Weise in einer „Blase der Gläubigen“ und ist versucht zu glauben, dass doch jeder sehen müsse, wie großartig der Glauben ist und wie wertvoll die Messe, dass Gott meinen Messgang nicht braucht, mir aber dabei seine ganze Liebe in der Eucharistie zeigt, in der er sich für mich geopfert hat am Kreuz. Dabei verstehen vermutlich mindestens 90 % der Menschen gar nicht, wovon ich hier rede. Und weil das so ist, versiegt zwar nicht das Interesse an Glaubensfragen aber an der Kirche im Allgemeinen und der Messe im Besonderen. Ich wage mal die Behauptung: Würde ein Priester am Sonntag von morgens sieben bis abends um zehn jede Stunde eine Messe anbieten, die Zahl der Gesamtbesucher wäre immer noch nur unwesentlich größer als an normalen Sonntagen.
Und die Lösung, die ich zu dem obigen Beitrag von Klaus Kelle angemahnt habe? Wenn das Gegenteil von Liebe nicht Hass sondern Gleichgültigkeit ist, wie kann man dann gegen Gleichgültigkeit ankämpfen? Nicht mit besseren Öffnungszeiten oder alternativen Spaßangeboten, so viel scheint klar zu sein. Was notwendig ist, bei aller „Sonntagspflicht“ und Heiligung des Sonntags, ist die Verdeutlichung der Liebe, die uns in der Messe von Seiten Gottes entgegenschlägt. Wenn die Liebe zu Gott und die Liebe Gottes nicht wesentliche Motivation ist, die Messe zu besuchen, dann ist alles andere nur Stückwerk. Zeugen dieser Liebe müssen diejenigen sein, die zur Messe gehen und in die Messe einladen. Und jetzt mal Hand auf’s Herz: Wann haben Sie das letzte mal jemanden mit freudigem Ausdruck im Gesicht eingeladen, die Sonntagsmesse zu besuchen? Bei mir ist das jedenfalls schon zu lange her. Und wenn es mir nicht wichtig ist, dass Freunde und Bekannte zur Messe gehen um die Liebe Christi zu erfahren, wieso sollte es denen wichtig sein, die davon kaum wissen?
Natürlich gibt es Messen und deren Ausgestaltungen und auch Messzeiten die eher abschreckend für neue oder seltene Kirchgänger wirken. Aber abgesehen davon hängt es – ich erinnere noch mal daran, dass wir in ein paar Tagen Pfingsten feiern – von uns Gläubigen ab, dass die Menschen von Christus und seiner Liebe erfahren. Was sonst sollte sie dazu bringen, in die Kirche zu gehen? Ein „Frischgezapftes“ kann das Wirtshaus neben der Kirche jedenfalls besser.
akinom
„Die Evangelen können nur sonntags um 10!“ So haben sich mein Mann und ich immer amüsiert, wenn wir an den Verkehrsschildern mit den Gottesdienstzeiten an Ortseingängen vorbei fuhren.
Warum sonntags kein „Frischgezapftes“? frage ich mich. War nicht lange Zeit der Frühschoppen am Sonntag im Gasthaus gegenüber des Kirchturms besonders für die männliche Bevölkerung ein wesentlicher Anreiz zur Erfüllung der „Sonntagspflicht“? Hier hat sich die „Lebenswirklichkeit“
– wie ich es sehe – nicht wesentlich geändert, außer, dass die Zapfhähne unterhalb des Kirchturm-Gockels zahlenmäßig ebenso geschrumpft sind, wie die Gottesdienstbesucher.
Ich bekenne, dass ich mich selber auch sehr schwer tue mit der Sonntagsheiligung. Sie betrifft ja nicht nur das Kirchengebot, sondern auch die Gewissensfrage: Wie sinnvoll lebe ich den „Tag des Herrn“?
Haben wir Katholiken nicht das, worüber die evangelischen Christen heute nachdenken, schon mit der Einführung der Vorabendmessen vorgelebt? Ich vermute, dass ohne sie der Schrumpfprozess viel schneller vonstatten gegangen wäre.
In einem Aufsatz über die Liturgie schrieb vor Jahren ein evangelischer Pastor: „Im Gottesdienst dient uns Gott und nicht wir ihm!“ Stoßen wir dankbar
für diese Seine Liebe mit einem „Frischgezapften“ darauf an: Prösterchen!