Der halbe Rücktritt von Wolfgang Bosbach wird vielfach kritisiert – dabei ist nachvollziehbar, dass eine solche Entscheidung nicht leicht ist.
Das Letzte was Wolfgang Bosbach braucht, ist ein kluger Ratschlag von einem katholischen Blogger. Er ist lange genug im politischen Geschäft, um viel besser zu wissen als ich, was gute und was weniger gute politische Entscheidungen sind. Vermutlich hält er seinen gestrigen Rücktritt vom Vorsitz des Innenausschusses des Bundestages selbst nicht für die beste seiner Entscheidungen – vielleicht ist es aber die bestmögliche?
Bosbach hatte mehrfach durchblicken lassen, Konsequenzen ziehen zu wollen für den Fall des Bundestagsbeschlusses für weitere Unterstützungsleistungen für Griechenlands. Bosbach ist aber auch das, was ich einen politischen Überzeugungstäter nennen würde: Er könnte es sich in seinem Alter und im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand auch bequem machen, sich einfach zurück ziehen oder als „Stimmvieh“ mit der Politik von Angela Merkel mitgehen. Tut er aber auch jetzt nicht, und das sollte einem auch dann Respekt abnötigen, wenn man seine politische Agenda nicht oder nicht in allen Punkten teilt.
Ihm und anderen unionsinternen Kritikern der EU-Politik der Regierung hat der CDU-Generalsekretär Peter Tauber vorgeworfen, diese Positionen zu einem „Geschäftsmodell“ entwickelt zu haben – eher ein Zeichen der niedrigen Gesinnung des Sekretärs denn der Korrumpierbarkeit der Euro-Kritiker. Bosbach ist in seiner Haltung einer der letzten Aufrechten, und sich wohl auch selbst darüber im Klaren, dass er mit dieser Positionierung nicht eben beliebt in seiner Partei ist, die nicht zu Unrecht „Kanzlerinnen-Wahlverein“ genannt wird – obwohl oder gerade weil sie ihm etliche Besuche in deutschen Talkshows eingebracht hat. Ob er noch einmal Vorsitzender des Innenausschusses geworden wäre? Daran darf man Zweifel haben, was seinen Rückzug aus dieser Positione eher zu einem sehr, sehr kleinen Signal macht.
Aber hätte Wolfgang Bosbach auch sein Bundestagsmandat niederlegen sollen, wie es viele erwartet haben? Möglicherweise haben es viele – Tauber vorneweg – tatsächlich erhofft. Er hätte dann abschließend noch eine kleine Tour vorbei an Maischberger & Co. machen können, und das Thema „Bosbach“ wäre für die CDU ausgestanden gewesen. Ich hatte darum mit Schrecken gelesen, dass er mit entsprechenden Rücktrittsgedanken spielt – gleichwohl hätte ich es verstanden: Es ist kein Vergnügen, für eine Partei im Bundestag zu sitzen, die in wesentlichen Fragen der eigenen Einstellung entgegensteht – auch ohne die Angriffe von Tauber oder seinerzeit Ronald „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ Pofalla. Bosbach hat sich – das halte ich für ein großartiges Zeichen der Loyalität – mit seinem Wahlkreis abgesprochen. Dort hat man ihn offenbar ermutigt, weiter zu machen. Dort wird man auch wissen, was man an ihm hat, warum man gerade ihn aufgestellt und gewählt hat und nicht einen der Abnicker, die sonst im Bundestag die Luft wegatmen.
Er hätte Vertrauen enttäuscht, wenn er sich nun schmollend aufs Altenteil zurück gezogen hätte; seine Wähler wussten, wen sie da wählen – sie wählten Bosbach und sein Verständnis der CDU und christlich-konservativer Politik. Sich jetzt zurückzuziehen ist nicht die Sache eines Wolfgang Bosbach, eines Parteisoldaten im positiven Sinn des Wortes: Einer, der nach eigenen Angaben mit Angela Merkel „in jede Schlacht“ ziehen würde, aber auch nicht müde wird, seine Meinung zu sagen, wenn er der Ansicht ist, dass die Parteiführung auf dem Holzweg ist. Insofern ist es folgerichtig, in dem Amt zu bleiben, in das ihn sein Wahlkreis gewählt hat: Das eines Bundestagsabgeordneten. Und folgerichtig ist auch, das Amt des Innenausschussvorsitzenden abzugeben – das mit der EU-Politik nicht allzuviel zu tun hat – um nicht den Eindruck zu erwecken, als Partei- und Bundestagsmitglied Ämter zu sammeln, nur weil sie ihm angeboten werden.
Mit seiner Entscheidung, sich nicht zurückzuziehen ist allerdings auch eine Gefahr verbunden: Die nächsten Wahlen kommen bestimmt, und sollte Bosbach seinem Wahlkreis noch einmal zur Verfügung stehen, dann werden Stimmen für ihn am Ende auch als Stimmen für die CDU und deren Euro-Politik gewertet. Ihm geht es da nicht anders als einem Frank Schäffler in der FDP, dessen Wähler sich immer bewusst machen müssen, dass eine Stimme für die FDP eben nicht als Stimme für mehr Liberalismus sondern für die Fortsetzung des Liberallala wahrgenommen wird. Wähler, die die Position eines Wolfgang Bosbach in der Politik vertreten sehen wollen, können nicht einfach seine Partei wählen! Eine Stärkung der CDU in den kommenden Wahlen wird Angela Merkel gutgeschrieben, nicht ihren Kritikern. Wolfgang Bosbach wird sich als alter Polithase bewusst ein, dass seine Entscheidung insofern ambivalent gewertet werden muss.
Trotzdem: Ich freue mich, dass er dabei geblieben ist, dass er seiner Parteiheimat weiter den Spiegel vorhalten wird – gelegen oder ungelegen. Ich freue mich, wenn er weiterhin den anderen Parteigrößen von Angelas Gnaden den Platz in den Talkshows streitig machen wird – einfach gestrickte Sprechpuppen der Kanzlerin will man selbst in den Mainstreammedien nicht mehr sehen. Und ich freue mich darauf zu beobachten, wie seine parteininternen Kritiker auch weiterhin einfach keine Argumente gegen ihn finden, die nicht gleichzeitig dem Selbstverständnis einer christlich-konservativen Partei widersprechen. Der Bundestag wäre durch Wolfgang Bosbachs Abgang geistig ärmer geworden – Gut, dass er dabei bleibt!