Wenn Langenscheidt das „Jugendwort des Jahres“ sucht, kann es peinlich werden, aber auch aufschlussreich.
Sind Sie ein Alpha Kevin? Oder ein Swaggetarier? Ich selbst beschäftige mich gerade damit, ob ich vielleicht ein Smombie sein könnte … und wenn Sie jetzt kein Wort verstehen, dann gehören Sie vermutlich, wie ich, nicht zur Jugend Deutschlands. Mir haben diese Begriffe jedenfalls bislang nichts gesagt, bis ich sie in einem Beitrag über die Wahl des „Jugendwortes des Jahres“ gesehen habe. Dort gehören sie zu den Top-30, aus denen DAS Jugendwort noch gewählt wird (die Auflösung erfolgt übrigens weiter unten im Beitrag).
Nun sind solche Prämierungen als Jugendworte immer irgendwie mit Vorsicht zu genießen. Ich habe jedenfalls vor meinem geisten Auge ein paar Jugendliche, die solche Beiträge lesen und direkt abwinken – veraltete Begriffe, lange nicht mehr „hip“ (wobei dieses Wort vermutlich auch lange nicht mehr das ist, was es mal war). Umgekehrt wird schon was dran sein, die gewählten Begriffe ihre Bedeutung haben. Und vielleicht kann man ja durchaus etwas daraus lernen?
So haben eine Vielzahl der Begriffe mit Online-Medien und Medien-Nutzun zu tun, in einer Art, wie sie früher jedenfalls nicht bekannt war. Während also alle Welt von Homophobie oder Islamophobie spricht, hat sich in der Jugendsprache offenbar ein anderes Wort durchgesetzt: „Cloudophobie“ – die Angst vor Datenklau durch internetbasierte Clouds. Da ist also offenbar ein Bewusstsein da, von dem viele „Ältere“, die neue Techniken eher unbedarft anwenden, noch weit entfernt sind. Zu den „Medienwörtern“ gehören aber auch „flittern“ (über Twitter flirten, Zusammensetzung von flirten und twittern), „threestaren“ (Etwas zu 100% perfekt machen, Begriff aus Smartphone-Spielen, bei denen man 3 Sterne gewinnen kann), oder auch die „Tinderella“ (weibliche Person, die exzessiv Online-Dating Plattformen wie z.B. Tinder nutzt). Dabei handelt es sich nicht nur um Wortschöpfungen sondern auch im Inhalte, die neu sind.
So gab es immer schon Jugendliche, die ein Date nach dem anderen hatten, die Möglichkeiten zu einem solchen Partner-Hopping haben sich aber durch Online-Medien potenziert. Wenn also Eltern heute ihre Kinder von „Tinder“ sprechen hören, sollten nicht nur die Alarmglocken bezüglich möglicher Partnerschaften läuten, es sollte auch klar sein, dass es dabei um etwas ganz anderes geht, als das was man als Eltern früher unter „Dating“ verstanden hat.
In die Sprache gehen auch bekannte Fernsehserien ein, wie man es zum Beispiel an der Wortschöpfung „skylern“ erkennen kann. Das bedeutet „nerven“ und nimmt Bezug auf den Charakter „Skyler“, der Frau des Hauptdarstellers, aus der Serie „Breaking Bad“. Auch das erscheint mir eine neue Entwicklung – die Personifizierung fiktiver Charaktere im Alltag. Als Ältere, beispielsweise mit der Serie „Dallas“ Aufgewachsene, wäre es analog wohl das „J.R.en“, wenn jemand besonders intrigant handelt. Wären Sie damals auf sowas gekommen? So erhalten Serien, die eine bestimmte Bekanntheit oder einen Kultstatus erreichen, eine ganz neue Bedeutung, der fiktive Charakter geht in gewisser Weise verloren, die Handlungen nehmen Realität an (selbst dann, wenn man nicht anfängt, wie in „Breaking Bad“ Crystal Meth zu kochen).
Nachdenklich stimmen können einen auch eher komische Begriffe wie „Earthporn“, mit dem eine schöne Landschaft bezeichnet wird. Wörtlich übersetzt heißt das aber „Erd-Porno“ und macht insofern deutlich, in welchen Zusammenhängen in der Jugend auch über Pornographie nachgedacht wird. Der Begriff selbst jedenfalls hat eine Normalität erreicht, der vermuten lässt, dass tatsächliche Pornographie als Alltag begriffen wird. Besorgnisse von Eltern, Jugendpsychologen, gar Glaubens- und Moralfragen stehen in einem solchen Umfeld nicht zur Debatte.
Man muss das sicher nicht überdramatisieren; es gibt auch wirklich einfach lustige Wortschöpfungen wie „rumoxidieren“ für das frühere Jugendwort „chillen“ – man könnte positiv bewerten, dass sich bei dieser Kreation tatsächlich jemand über chemische Reaktionen Gedanken gemacht hat. Eine Steigerung wäre dann „kompostieren“, mit dem das (ebenfalls frühere Jugendwort) „Gammeln“ bezeichnet wird.
Trotzdem gilt es, hinzuhören bei Sprachentwicklungen, die letztlich auch die Realität bzw. der Wahrnehmung durch Jugendliche wiederspiegeln. Als Eltern und Erwachsene können und sollten wir nicht bei allem, was unsere Kinder und Jugendlichen so tun, dabei sein, das heißt aber nicht, dass nicht Aufmerksamkeit dazu gehört, deren Lebenswirklichkeit auch wahrzunehmen, die vermutlich ganz anders aussehen wird, als wir als Erwachsene das meinen oder erhoffen.
Und jetzt noch die versprochene Auflösung:
„Alpha Kevin“ = der Dümmste von allen
„Swaggetarier“ = Person, die nur aus Imagegründen vegetarisch lebt
„Smombie“ = Menschen, die wie gebannt mit dem Handy über die Straße gehen und nicht gucken, wohin sie gehen, Zusammensetzung von Smartphone und Zombie
Alex
Ganz ehrlich? Selbst als ich noch wirklich Teenager war, also bis vor etwa 3 Jahren, wurde Wörter zum Jugendwort des Jahren gewählt, die ich noch nie gehört hatte…
akinom
„Eine Steigerung wäre dann ‚kompostieren‘, mit dem das (ebenfalls frühere Jugendwort) ‚Gammeln‘ bezeichnet wird…..“ Diesen Satz habe ich herausgefischt und sonst gar nicht mehr versucht, den Beitrag zu verstehen. Aber, was soll’s?
Das Alter liegt nicht am Geburtsdatum. Ich bin 70, und so jung wie Pippi Langstrumpf. Dagegen kommen mir auf Fotos manche Krippenkinder schon uralt vor . Auch Teenees (Teenager), die vergessen haben, zu leben und sich auf derm Flucht vor dem Leben nur noch vom Leben ablenken, sind einfach nur erschreckend alt. Ist der Grund die „Erb-Sünde“?
Es sind die Enkelkinder der ’68er Generation, zu der auch Pippi und ich gehören, von deren Ideologie wir uns aber nicht haben anstecken lassen. Ich kenne das Jugendwort „kompostieren“ aus der Statistik eines Bestattungsunternehmens. Neben Erdbestattungen und Urnenbeisetzungen hatte er auch „Kompostierungen“ aufgelistet und auf Nachfrage erklärt: „Die Grünen sterben auch langsam aus!“
Ich hatte mal einen Vorschlag gemacht für das „Schönste deutsche Wort“. Für mich ist es nach wie vor „TROTZDEM“ , das Felix Honekamp so mutig und konsequent lebt. Könnte „TROTZDEM“ nicht auch ein Pseudonym für GOTT sein?